FeedbackAbschluss-Umfrage
EEErbrecht effektiv

VerwandtendarlehenDie Auswirkungen des zinslosen oder verbilligten „Verwandtendarlehens“ (bei der Erbschaft)

Top-BeitragAbo-Inhalt03.04.20254645 Min. LesedauerVon RA und Notar Dr. Ralf Laws LL.M. M.M., FA Steuerrecht und Arbeitsrecht, Fachberater für Unternehmensnachfolge, Brilon

| Darlehen zwischen Personen, die sich nahestehen – Familie, Freunde, Lebensgefährten etc. – kommen in der Praxis häufig vor. Zwei aktuelle Entscheidungen des BFH und des OLG Nürnberg geben Anlass, die Auswirkungen eines zinslosen oder verbilligten Verwandtendarlehens auch in erbschaftsteuerlicher Hinsicht zu beleuchten. |

AdobeStock_495592589_Topnews.jpg (Bild: © Bits and Splits - stock.adobe.com)
Bild vergrößern
Bild: © Bits and Splits - stock.adobe.com

1. Hintergrund: Ersparte Zinsen als Schenkung

Werden Darlehen ohne oder gegen Zinsen ausgegeben, die unter den marktüblichen liegen, liegt in Höhe der ersparten Zinsen/Differenz eine Schenkung vor (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die schenkungsteuerliche Bereicherung errechnet sich aus der (Zins-)Differenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz. Gemäß § 15 Abs. 1 BewG ist der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme mit 5,5 % anzunehmen, wenn „kein anderer Wert feststeht“. Wird also ein Darlehen mit einem Zinssatz unterhalb von 5,5 % gewährt, stellt sich somit hinsichtlich des konkret vereinbarten Zinssatzes die Frage, welche Anforderungen an das „Feststehen eines anderen Werts“ zu stellen sind.

2. Aktuelle Entscheidungen zum Verwandtendarlehen

a) Urteil des OLG Nürnberg zur Beweislast

Das OLG Nürnberg (31.1.24, 13 U 1171/23, Abruf-Nr. 247207) hat sich mit der Beweislastverteilung, also mit der Frage beschäftigt, wer bei einem (Verwandten-)Darlehen im Streitfall was zu beweisen hat. Der Senat hat festgehalten, dass gemäß den zivilrechtlichen Grundsätzen den Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen trifft und der Gegner den Beweis für rechtshemmende, rechtshindernde oder rechtsvernichtende Tatsachen zu erbringen hat. Hiernach hat derjenige, der die Rückzahlung eines Darlehens verlangt, die Einigung der Parteien über die Hingabe als Darlehen und die Zurverfügungstellung des Darlehensbetrages zu beweisen (BGH 28.10.82, III ZR 128/81, NJW 83, 931). Für die Verzinslichkeit eines Darlehens – und die Zinshöhe – greift keine abweichende Beweislastverteilung (vgl. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies gilt auch für Verwandtendarlehen. Innerfamiliär sind zinslose Kredite keinesfalls so außergewöhnlich, dass das Vorliegen einer Zinsabrede im Wege des Anscheinsbeweises unterstellt werden könnte.

b) Urteil des BFH zum Anknüpfungspunkt einer „Verbilligung“

Der BFH (31.7.24, II R 20/22, Abruf-Nr. 245101) hat sich in seinem Urteil mit der Frage befasst, in welchem Umfang die Gewährung eines verbilligt verzinsten Verwandtendarlehens als gemischte Schenkung zu versteuern ist. In dem entschiedenen Fall hatten Schwester und Bruder (B) ein endfälliges Darlehen über ca. 1,875 Mio. EUR auf unbestimmte Zeit mit einem Festzinssatz von 1 % p. a. vereinbart, das durch Bestellung einer Grundschuld abgesichert wurde. Gemäß den Statistiken der Deutschen Bundesbank lagen die Darlehenszinsen für einen wie im Streitfall gelagerten Sachverhalt (wirtschaftlich selbstständige Person, Zinsbindung von 1 bis 5 Jahren) im Durchschnitt des Streitjahres bei 2,81 % effektiv. Das Finanzamt (FA) ging von einer Schenkung aus. Das Finanzgericht (FG) errechnete den Wert der Schenkung unter Beachtung des § 13 Abs. 2 Hs. 2 BewG aus der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz (1 %) und dem in § 15 Abs. 1 BewG gesetzlich fixierten Zinssatz von 5,5 % p. a., also mit 4,5 % p. a. Zur Begründung berief sich das FG darauf, dass B keinen niedrigeren marktüblichen Wert nachgewiesen habe. Dies führte zur Festsetzung einer Schenkungsteuer von 229.500 EUR.

Nach Auffassung des BFH kann aus § 15 Abs. 1 BewG nicht abgeleitet werden, dass der Steuerpflichtige aktiv einen niedrigeren marktüblichen Wert/Zinssatz nachweisen muss. Vielmehr fordert § 15 Abs. 1 BewG lediglich das Feststehen eines anderen Wertes. Diese Voraussetzung war im Falle des B gegeben, da gemäß den Statistiken der Deutschen Bundesbank ein „anderer Wert“ i. S. d. § 15 Abs. 1 BewG, nämlich durchschnittlich 2,81 % effektiv, feststand. Demzufolge betrug die für die Berechnung der Schenkungsteuer maßgebliche Zinsdifferenz nominal 1,81 % (= 2,81 % ./. 1 %). Darauf basierend berechnete der BFH die Schenkungsteuer neu und setzte diese i. H. v. 59.140 EUR fest.

c) Konsequenzen für die Praxis

Der BFH stellt zwar klar, dass § 15 Abs. 1 BewG den Entlastungsbeweis – anders als bspw. § 198 BewG – nicht dem Steuerpflichtigen aufbürdet (vgl. Wighardt/Perpetua, NZG 25, 38), die Anforderungen an das Feststehen eines anderen Werts mithin weniger streng sind; gleichwohl sollte der Steuerpflichtige bei zinsverbilligten Darlehen nicht nur möglicherweise niedrigere Werte gemäß den Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank eruieren und hierzu vortragen („Stufe 1“). Er sollte darüber hinaus versuchen – aktiv –, etwa durch verbindliche (nicht freibleibende!) Kreditangebote von Banken, einen niedrigeren Zinssatz bzw. die Marktüblichkeit des vereinbarten, darzulegen („Stufe 2“). Dazu ist wichtig, dass sich auch die Konditionen der – in engem zeitlichem Zusammenhang eingeholten – Angebote mit den Konditionen des tatsächlich gewährten Darlehens decken, insbesondere im Hinblick auf Darlehenshöhe, Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten, Rückzahlungs- und Tilgungsmodalitäten sowie Sicherheiten (vgl. Wighardt/Perpetua, NZG 25, 38).

Hierbei ist in der Praxis festzustellen, dass eine Vergleichbarkeit häufig an einer – banküblichen – Sicherheitengestellung scheitert. So unterbleibt z. B. häufig unter Verwandten im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung die bei Bankdarlehen übliche Eintragung von Grundpfandrechten aus Kostengründen und weil dies angesichts der persönlichen Verbundenheit nicht für erforderlich gehalten wird. Hieran kann eine Vergleichbarkeit jedoch schon im ersten Ansatz scheitern (vgl. BFH 12.5.09, IX R 46/08, BStBl. II 2011, 24).

Die „Stufe 1“ kann aufseiten des Steuerpflichtigen u. U. entfallen, wenn das FG oder zuvor bereits das FA im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung im Verwaltungsverfahren (§ 88 Abs. 1 AO bzw. § 76 Abs. 1 S. 1 FGO) die marktüblichen Zinssätze für vergleichbare Darlehen ermittelt. Im Regelfall wird dies schon deshalb erforderlich sein, um anhand der Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank festzustellen, ob die vereinbarten Zinsen marktüblich sind (vgl. Kugelmüller-Pugh, DStR 24, 2694). Somit kann sich bereits daraus ein „Feststehen“ ergeben. In einem weiteren Schritt muss für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BewG geprüft werden, ob die für die Bestimmung des marktüblichen Zinssatzes berücksichtigten Darlehen mit dem durch den Steuerpflichtigen vereinbarten Darlehen vergleichbar sind. Dies ist eine Frage des Einzelfalls. Der Steuerpflichtige kann in diesem Stadium zum „Feststehen eines anderen Werts“ beitragen, indem er die Parameter der Vergleichbarkeit seines Darlehens mit den aus den Statistiken berücksichtigungsfähigen Darlehen aufzeigt (vgl. Kugelmüller-Pugh, DStR 24, 2694).

3. Der „Fremdvergleich“

Voraussetzung für die (ertrags-)steuerrechtliche Anerkennung eines Darlehens ist, dass der Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen, tatsächlich wie vereinbart durchgeführt worden ist und dabei Vertragsinhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (sog. „Fremdvergleich“, BFH 12.2.1992, X R 121/88, BStBl. II 1992, 468). Die Darlehenshingabe – auch – an einen Angehörigen führt beim Darlehensgeber zu steuerpflichtigen Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Ist das Darlehensverhältnis (ertrags-)steuerrechtlich nicht anzuerkennen, hat der Gläubiger keine steuerpflichtigen Einnahmen. In einem solchen Fall kann der Schuldner die entrichteten Zinsen nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4, 4a EStG) oder Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 1 EStG) geltend machen.

4. Auswirkungen auf das Erbschaftsteuerrecht

Werden derartige Darlehen zinslos oder marktunüblich verzinst, kann dies unterschiedliche erbschaftsteuerliche Folgen nach sich ziehen.

a) Verschleierte Schenkung

Nicht unter die Verwandtendarlehen im vorstehenden Sinn sind die sog. verschleierten Schenkungen zu subsumieren. Eine verschleierte Schenkung liegt etwa darin, dass ein zinsloses Darlehen gewährt wird, welches tatsächlich nicht zurückgezahlt werden soll. Damit wird in der Praxis häufig versucht, eine tatsächlich beabsichtigte Schenkung als entgeltliches Geschäft darzustellen, um auf diese Weise die Schenkungsteuer zu umgehen oder die Realisierung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen zu verhindern. Hierbei handelt es sich in rechtlicher Hinsicht um Scheingeschäfte (§ 117 Abs. 2 BGB).

b) (Kein) Fremdvergleich

Die Grundsätze des Ertragsteuerrechts zum Fremdvergleich sind erbschaftsteuerlich unbeachtlich. Hier ist nur von Interesse, ob und in welchem Umfang Darlehensforderungen zum Bewertungsstichtag zu einem Zuwachs an Bereicherung beim Erwerber und Darlehensverbindlichkeiten zu einem Abzug als Nachlassverbindlichkeit bzw. zu einer Abzugsfähigkeit innerhalb des Betriebsvermögens führen sowie, welcher Einkunftsart sie zuzuordnen sind.

c) Streit über Konditionen

Hat der Erblasser ein Verwandtendarlehen gewährt, das noch nicht durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) untergegangen ist, gehen die hieraus resultierenden Forderungen gem. § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben über. Erbe und Darlehensnehmer sind an die vertraglichen Vereinbarungen gebunden. Bei einem Streit über die Konditionen gelten die allg. Beweislastregeln (s. o. Ziffer 1).

d) „Fortführung“ der Schenkung

Bei un- oder marktunüblich verzinsten Darlehen, die vererbt werden, drängt sich die Frage auf, ob (nunmehr) der Erbe (erneut) einen Nutzungsvorteil schenkt, wenn die Darlehenskonditionen nicht auf Marktüblichkeit korrigiert werden. Eine Zuwendung des Erben ist zumindest so lange und so weit zu verneinen, als dass das Darlehen nicht kündbar ist. Eine vertragliche Bindung schließt regelmäßig eine Schenkung aus. Anders ist dies, wenn das Darlehen unter Beteiligung des Erben bestätigt, verlängert oder wiederum ein marktunüblicher Zins vereinbart wird. In diesen Fällen liegt regelmäßig eine Zuwendung unter Lebenden vor. Zu beachten ist, dass bei einer Verkürzung des vom ursprünglichen Schenker gewährten Kapitalnutzungsvorteils durch Kündigung die entsprechende Steuerfestsetzung gemäß § 175 AO zu ändern ist.

e) Aufschiebend bedingter Forderungsverzicht bei Tod als Zuwendung

Verzichtet der Erblasser aufschiebend bedingt auf seinen Tod auf die Forderung aus einem Verwandtendarlehen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 a) ErbStG) oder gibt er seinem Erben auf, dem Darlehensnehmer die Darlehensforderung zu erlassen, fällt hierdurch die Gegenleistung weg. Dies führt zu einer Zuwendung – des Erblassers – im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verzichtserklärung, die ErbSt auslöst bzw. auslösen kann (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 ErbStG).

f) Forderungsverzicht des Erben

Ist der Erbe gemäß § 1922 BGB Inhaber einer gegen einen Dritten gerichteten Darlehensforderung geworden und verzichtet er – etwa aufgrund verwandtschaftlicher Beziehung – auf die Rückzahlung des Darlehens, geschieht dies in der Vermögenssphäre des Erben. Hierin liegt eine freigiebige Zuwendung unter Lebenden, nämlich eine solche des Erben an den Dritten (§ 7 Abs. 1 S. 1 ErbStG).

g) Addition von Zinsvorteil und Substanz

Erhält der Erwerber zunächst das Nutzungsrecht und dann innerhalb der 10-Jahres-Frist nach § 14 ErbStG die Vermögenssubstanz selbst, darf zu Zwecken der ErbSt der steuerliche Wert des Zinsvorteils eines zinslosen Darlehens mit der Substanz des Darlehens addiert werden. Danach sind die Erwerbe bei der Zusammenrechnung mit den ihnen jeweils zukommenden Werten auch dann anzusetzen, wenn die Summe der Werte höher ist als der Wert der Substanz (BFH 7.10.98, II R 64, BFHE 187, 53).

h) Folgen bei Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit

Hat der Erblasser dem Erben zu Lebzeiten ein Darlehen gewährt, geht die Forderung im Erbfall – zivilrechtlich –, da nun Gläubiger und Schuldner personenidentisch sind, unter (sog. Konfusion). Hiervon abweichend schreibt § 10 Abs. 3 ErbStG für die ErbSt fest, dass die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen gelten. Dies bewirkt, dass Darlehensforderungen und -verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Vermögensanfalls als „übergegangenes” Vermögen zu werten sind. Darlehensforderungen werden erbschaftsteuerlich als Bereicherung des Erben erfasst, die – zivilrechtlich – verlorene Forderung gegen den Erblasser als eine Nachlassverbindlichkeit (Erblasserschuld). Da Forderung und Verbindlichkeit unterschiedlich zu bewerten sind, saldieren sich beide Positionen nicht immer vollständig.

AUSGABE: EE 4/2025, S. 60 · ID: 50361588

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte