Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2024 abgeschlossen.
BetreuungSittenwidrigkeit von Testamenten zugunsten von Berufsbetreuern in der aktuellen Rechtsprechung
| Unlängst haben sich Gerichte wieder einmal mit der Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen zugunsten von Berufsbetreuern befasst. |
1. Sittenwidrigkeit aufgrund gezielter Beeinflussung
Das OLG Celle hat entschieden, dass ein (notarielles) Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen
a) Der Fall
Die 92-jährige verwitwete Erblasserin befand sich zusammen mit ihrer 71-jährigen geschiedenen und kinderlosen (einzigen) Tochter in einem Zimmer im Krankenhaus. Zwei Tage vor dem Tod ihrer Tochter, die sich um die Angelegenheiten der Mutter gekümmert hatte, wurde für die Erblasserin eine Betreuung eingerichtet und eine der Erblasserin bisher unbekannte Person zu ihrer Betreuerin bestellt.
Bei ihrer Anhörung durch die Betreuungsrichterin am 23.9.22 hatte die Erblasserin, dort als „sehr verzweifelt“ beschrieben, angegeben, sie beabsichtige, ein Testament zugunsten der Kirche zu machen. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus wurde sie kurz in einer Pflegeeinrichtung untergebracht und schließlich Anfang Oktober 2022 in Notarztbegleitung in eine weiteres Krankenhaus eingeliefert. Während dieses Krankenhausaufenthalts beauftragte die Berufsbetreuerin einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Testaments für die Frau. Im Krankenhaus beurkundete der Notar am 11.10.22 ein Testament der Erblasserin, mit dem diese die Berufsbetreuerin zur Alleinerbin einsetzte. Einer kirchlichen Einrichtung wandte sie ein Geldvermächtnis in Höhe von 10.000 EUR zu. Die Erblasserin verstarb am 22.10.22 im Hause der Berufsbetreuerin, welche sie nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus bei sich aufgenommen hatte.
Das Nachlassgericht hat den Antrag der Berufsbetreuerin auf Erteilung eines Alleinerbscheins mit der Begründung zurückgewiesen, dass das notarielle Testament wegen Sittenwidrigkeit unwirksam sei. Gegen diesen Beschluss hat die Berufsbetreuerin Beschwerde eingelegt, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. So wurde die Sache dem OLG Celle vorgelegt.
b) Die Entscheidung
Abruf-Nr. 240246
Das OLG Celle hat die Beschwerde zurückgewiesen (9.1.24, 6 W 175/23, Abruf-Nr. 240246) und ist dabei unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen, dass das notarielle Testament nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei, weshalb die Berufsbetreuerin hieraus für sich keine Rechte herleiten könne.
Der Senat folgte zunächst nicht der Auffassung der Beschwerde, die auf die hinreichende Testierfähigkeit der Erblasserin abstellte. Ungeachtet dessen, dass sich konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit aus verschiedenen Arztberichten ergeben würden, bedürfe es vorliegend keiner Entscheidung über die Testierfähigkeit der Erblasserin. Denn für die zu erörternde Frage einer Sittenwidrigkeit käme es auf eine fortbestehende Testierfähigkeit der Erblasserin nicht an.
Anerkanntermaßen könne sich Sittenwidrigkeit aus einer Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts ergeben, in die Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts einzubeziehen sind (unter Verweis auf BGH 19.12.89, IVb ZR 91/88). Zu berücksichtigen seien bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auch die Umstände, die zur Vornahme des Rechtsgeschäfts geführt haben, wohingegen das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit und eine Schädigungsabsicht nicht erforderlich sind (unter Verweis auf BGH 7.1.99, IX ZR 199/91).
Das Gericht hat sich ausführlich mit dem Sachverhalt auseinandergesetzt und die Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 BGB nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles begründet. Dabei hat es insbesondere auf das hohe Alter der Erblasserin, ihren schlechten gesundheitlichen Zustand, ihren Gemütszustand nach dem Tod ihrer einzigen Tochter, den Umständen im Zusammenhang mit der notariellen Beurkundung sowie dem engen zeitlichen Ablauf zwischen Einrichtung der Betreuung und Beurkundung des notariellen Testaments auf Initiative der Berufsbetreuerin verwiesen.
2. Kein Verstoß gegen § 30 BtOG als gesetzliches Verbot
Das OLG Nürnberg hatte sich im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Testamentes zur nach § 30 Abs. 1 und 2 BtOG untersagten Annahme einer Zuwendung von Todes wegen durch einen Berufsbetreuer zu befassen.
a) Der Fall
Der Erblasser, unverheiratet und ohne Abkömmlinge, hat seinen Berufsbetreuer zum Alleinerben eingesetzt. Dabei hatte der Betreuer den Erblasser bei der Erstellung eines Textes für ein Testament unterstützt und dazu einen maschinenschriftlichen Lückentext vorformuliert. In dem Text hieß es u. a., „ ...hiermit habe ich Hr. R. gebeten, meinen Letzten Wunsch aufzuschreiben, weil ich nicht mehr so lange schreiben kann“. Auf den vorgedruckten Linien der Lücken fügte der Erblasser handschriftlich u. a. das Datum ein und zu Beginn des Textes die Worte „Mein letzter Wille“. Des Weiteren ergänzte er handschriftlich die IBAN seiner beiden Konten und schloss den Text mit seiner Unterschrift ab. Das Testament wurde am 26.11.21 in besondere amtliche Verwahrung genommen
Der Betreuer beantragte die Erteilung eines Alleinerbscheins. Den Antrag hat das Nachlassgericht zuletzt (erneut) zurückgewiesen mit der Begründung der Formunwirksamkeit und Sittenwidrigkeit des Testaments. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das Amtsgericht zurückgewiesen und es hat die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
b) Die Entscheidung
Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben, die Tatsachen, die zur Erteilung des Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet und das Nachlassgericht angewiesen, den beantragten Alleinerbschein zu erteilen.
Leitsätze: OLG Nürnberg 19.7.23, 15 Wx 988/23 |
|
Das Gericht ist von einem formgültigen Testament ausgegangen, da die handschriftlichen Teile des Testaments sowohl die Erbeinsetzung als auch die erforderliche Unterschrift enthielten. Damit seien aus dem handschriftlichen Text außer der Person des Bedachten auch der Gegenstand des zugewendeten Vermögensvorteils hinreichend zu entnehmen. Nicht vom Formerfordernis erfasst seien diejenigen Teile des Testaments, die keine Verfügungen enthalten oder solche, die nicht zum Inhalt des Testaments nach § 2247 BGB gehörten.
Das Testament sei auch nicht sittenwidrig. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) liege schon deshalb nicht vor, da der erst ab dem 1.1.23 geltende § 30 BtOG auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung finde. Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 und 2 BtOG nicht per se zur Unwirksamkeit des Testaments führen. Das bedeute, dass eine gegen diese Bestimmung verstoßende Zuwendung bzw. die Annahme der Zuwendung, auch der Erbschaft, nicht unwirksam sei. Da es sich um eine Berufspflicht handele (vgl. BTDrs. 19/24445 S. 386), werde ein Verstoß allein berufsrechtliche Folgen haben, wie z. B. den Widerruf der Registrierung als Berufsbetreuer nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BtOG. Ein bereits stattgefundener Vermögensübergang nach § 1922 Abs. 1 BGB bleibe wirksam (Leipold, ZEV 21, 485).
Diese gesetzgeberische Wertung sei auch bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB zu berücksichtigen. Denn die Motivation des Erblassers und sein Verhalten seien regelmäßig nicht als sittenwidrig zu bewerten, sondern allenfalls das Verhalten des Berufsbetreuers. Damit sei aber eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Einordnung einer letztwilligen Verfügung als sittenwidrig und damit als unwirksam nur in absoluten Ausnahmefällen zu rechtfertigen.
Merke | Mit Blick auf den Grundsatz der Testierfreiheit und einer nach wie vor fehlenden zwingenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, sollte von der Feststellung der Sittenwidrigkeit eines Testaments zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. |
AUSGABE: EE 4/2024, S. 58 · ID: 49965043