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PersonalOberärztin soll aus Abteilung verdrängt werden, ich soll die Nachfolgerin ausbilden – was tun?
| Frage: „Mein Chef hat sich mit einer Oberärztin in unserer Abteilung zerstritten. Daher plant er, diese aus ihrer Sprechstunde und aus dem OP zu verdrängen und sie nur noch mit administrativen Aufgaben zu beschäftigen. Gleichzeitig hat sich eine Fachärztin bei meinem Chef um eine fachliche Weiterbildung beworben. Nach dem Willen meines Chefs soll die neue Kollegin nach abgeschlossener Weiterbildung die Oberärztin ersetzen, mit der er sich zerstritten hat. Mit der Durchführung der Weiterbildung hat mein Chef mich beauftragt. Nun sehe ich mich in einem Loyalitätskonflikt zwischen meinem Chef und der Oberärztin, mit der ich fachlich und menschlich einwandfrei zusammenarbeite. Nach der Muster-Berufsordnung (MBO-Ä) bin ich zu kollegialem Verhalten verpflichtet. Können gegen mich Vorwürfe wegen Mobbings erhoben werden, wenn ich der Anweisung meines Chefs folge?“ |
Antwort: Von dem Eindruck, jemand soll „rausgeekelt“ werden, ist der Weg zum „Mobbing“ für viele nicht weit. Allerdings wird der Begriff des Mobbings (hier speziell des Bossings) teilweise auch vorschnell, also inflationär verwendet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mobbing kein Rechtsbegriff – und auch keine rechtliche Anspruchsgrundlage –, sondern zunächst lediglich eine wertende Beschreibung tatsächlicher Vorgänge ist (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.05.2007, Az. 8 AZR 709/06). Dementsprechend existiert auch keine gesetzliche Definition des Mobbings.
Um in Ihrem Fall von Mobbing sprechen zu können ...
In der Rechtsprechung wird Mobbing als systematische, wiederholt und lang anhaltende Form von Schikane, Diskriminierung oder Demütigung von Arbeitnehmern durch Kollegen oder Vorgesetzte mit dem Ziel, das Opfer zu erniedrigen, auszugrenzen und sozial zu isolieren, beschrieben; eine oder mehrere Person(en) greifen das Opfer systematisch oft und während eines längeren Zeitraums mit dem Ziel des Ausschlusses aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt an.
Die einzelnen Handlungen sind oftmals weder rechtswidrig noch überhaupt justiziabel, bereiten aber ein schikanöses und feindliches Umfeld, um das Opfer sozial zu isolieren.
... müssen die einschlägigen Handlungen identifiziert und nachgewiesen werden
Diesbezügliche Handlungen sind genauestens aus den typischen, alltäglichen, aber sozialverträglich geführten/beigelegten Konflikten des Arbeitsverhältnisses „herauszupräparieren“. Barkow von Creytz [1] nennt als typische Mobbing-Handlungen
- die Unterbindung des Opfers, sich mitzuteilen (behandeln wie Luft),„Typische“ Mobbing-handlungen allein ...
- die Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen des Opfers,
- das Angreifen der Ehre und des Ansehens des Opfers durch Bloßstellung vor Kollegen oder nachgeordneten Mitarbeitern,
- unberechtigte Kritik und Abwertung vor Kollegen und Patienten,
- Beeinträchtigung der Qualität der Beschäftigung des Opfers durch ständige Über-/Unterforderung oder sinnlose Aufgabenstellungen
Insoweit genügt auch nicht immer nur eine Vielzahl von Einzelhandlungen über einen längeren Zeitraum; vielmehr müssen diese in einem inneren Zusammenhang mit dem Ziel des Mobbings gestanden haben. Erfolgen die Benachteiligungen aus Gründen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, ist zudem der Schutzbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) betroffen.
Aus- und Weiterbildung eines möglichen Nachfolgers ist noch kein Mobbing
Vor diesem Hintergrund ist die Aus- und Weiterbildung eines Mitarbeiters, der ggf. die Nachfolge einer Kollegin antreten soll, noch kein rechtswidriges Verhalten – soweit keine weiteren Handlungen, wie vorstehend beschrieben, hinzukommen. Schließlich gehören Aus- und Weiterbildung zu den Pflichten leitender Mitarbeiter, zudem ist die Aus- und Weiterbildung Teil der im Krankenhaus existenten Fluktuation. Insofern ist die Weiterbildung eines Arztes für eine besetzte Position auch nicht gleich unkollegial im Sinne der Berufsordnung, die, soweit es um die „Verdrängung eines Kollegen“ nach § 29 Abs. 2 MBO geht, auf den Wettbewerb niedergelassener Ärzte abstellt.
Auf der anderen Seite ist Vorsicht geboten, um sich nicht vereinnahmen zu lassen und sich nicht mit jemandem, der erkennbar keine hehren Absichten verfolgt, gemein zu machen. Hier lässt sich im Zweifel ein offenes Wort nicht vermeiden.
Nur der Arbeitgeber muss gegen Mobbing vorgehen
Eine Verpflichtung, gegen Mobbing-Absichten oder ein Mobbing-Verhalten vorzugehen, besteht indes nur für den Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht. Ob das Hinweisgeberschutzgesetz (HinwGSchG; vgl. CB 07/2023, Seite 7 ff.) einschlägig ist, ist höchst fraglich, da Belästigungen und Verletzungen des Persönlichkeitsrechts nicht in der Aufzählung des sachlichen Anwendungsbereichs genannt sind; vielmehr kommt es für den Schutz nach dem HinwGSchG darauf an, ob das Verhalten bußgeld- oder strafbewehrt ist. [2]
- [1] Barkow von Creytz, Dunja: Mobbing für die kalte Kündigung, Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2022, 865, Inhaltsverzeichnis online unter iww.de/s10271; Beitrag ist kostenpflichtig!Fachaufsatz und CB-Beitrag zum Thema
- [2] Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Whistleblower auch im Krankenhaus (CB 07/2023, Seite 7 ff.)
AUSGABE: CB 3/2024, S. 14 · ID: 49869020