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CBChefärzteBrief

ArzthaftungGericht gibt Arztseite Recht: Patientenaufklärung „im Großen und Ganzen“ genügt

Abo-Inhalt19.02.2024410 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

| In Arzthaftungsprozessen erheben Patienten häufig die Aufklärungsrüge und kritisieren das durchgeführte Aufklärungsgespräch oft gleich in mehrfacher Hinsicht: nicht umfangreich genug, zeitlich zu knapp vor dem Eingriff, formal fehlerhaft ... Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat nun beschlossen: Eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ genügt (Beschluss vom 10.11.2023, Az. 4 U 906/23). Der Beschluss stärkt die Rechte der Arztseite und liefert wichtige Erkenntnisse zum Umfang des Aufklärungsgesprächs. |

Patientin verklagt das behandelnde Krankenhaus und rügt die Aufklärung als fehlerhaft ...

Einer Patientin wurden im Rahmen einer stationären Behandlung eine Knietotalendoprothese (TEP) operativ implantiert. Komplikationen erforderten knapp ein halbes Jahr später eine Revisionsoperation. Die Patientin verklagte das Krankenhaus auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Bezüglich beider Eingriffe rügte sie die präoperative Aufklärung als fehlerhaft: Vor der Erstoperation sei ihr das operative Vorgehen nicht hinreichend genau erläutert worden. Auch seien ihr nicht alle relevanten OP-Risiken aufgezeigt worden. Vor der Revisionsoperation sei die Aufklärung erst am Morgen des Operationstags erfolgt – was zu spät gewesen sei.

... aber das Gericht bestätigt die Aufklärung als hinreichend!

Die OLG-Richter teilten die Bedenken der Patientin jedoch nicht und sahen keine Haftung der Klinikseite. Der Arzt, der das Aufklärungsgespräch vor der Erstoperation mit der Patientin geführt hatte, wurde vor Gericht als Zeuge gehört. Dieser sagte aus, er habe während des Gesprächs – seiner generellen Übung entsprechend – handschriftlich Notizen gefertigt. Entsprechend diesen Notizen im Aufklärungsbogen habe er das Krankheitsbild ausführlich mit der Patientin besprochen und ihr anhand von Anschauungsmaterialien wie Modellen und Bildern erklärt, wie die Operation durchgeführt werde. Dies genüge, um dem Patienten ein ungefähres Bild vom geplanten Eingriff zu vermitteln – so das positive Zeugnis des Gerichts.

Details zur Behandlungsmethode müssen nicht ungefragt erläutert werden

Insbesondere hätte der Patientin nicht ungefragt die – ohnehin präoperativ nicht genau zu ermittelnde – Implantatgröße oder die Schaftlänge der Femurkomponente mitgeteilt werden müssen. Die Wahl der Behandlungsmethode sei primär Sache des Arztes. Solange die Therapie dem medizinischen Standard entspreche, müssten einzelne Operationsschritte nicht initiativ durch den Arzt erläutert werden – es sei denn, der Patient frage explizit nach.

Die Risiken wurden ausreichend aufgezeigt

Die Patientin sei auch hinreichend über die Risiken der Implantation einer Knie-TEP aufgeklärt worden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei es für eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht erforderlich, die Arten aller auftretenden möglichen Komplikationen näher zu umschreiben. Der Arzt habe die Patientin entsprechend seinen Notizen ausführlich über die Risiken des Eingriffs wie Blutungen, Infektionen, Gefäß-, Muskel- und Nervenverletzungen, Lähmungen, Muskel- und Sehnenverletzungen, Thrombose, Embolie, Nachbehandlung sowie Redoneinlage informiert. Diese Aufzählung von intra- und postoperativen Risiken reiche aus – so die Bewertung der Richter.

Das Gericht beurteilt die Zeitspanne zwischen Aufklärungsgespräch und Eingriff als nicht zu knapp

Auch die Rüge der Patientin, die Aufklärung vor dem Revisionseingriff sei verspätet und damit formal unzulässig gewesen, da sie erst am Operationstag erfolgt sei, ließen die Richter nicht gelten. Das Aufklärungsgespräch sei morgens um 9.00 Uhr geführt worden. Die – wegen Infektverdachts schnellstmöglich durchzuführende – Revisionsoperation sei um 18.00 Uhr am Abend vorgenommen worden. Dazwischen sei der Patientin hinreichend Zeit verblieben, ihre Entscheidung zu überdenken und die Ärzte auf etwaige Bedenken anzusprechen.

Handlungsempfehlungen für behandelnde (Chef-)Ärzte

Es muss nicht jedes medizinische Detail im Aufklärungsgespräch ungefragt thematisiert werden. Vielmehr reicht eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ aus, wie es der Bundesgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung formuliert. Dies bedeutet:

So sieht eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ aus

  • Der Patient muss über die Art des Eingriffs und seine nicht ganz unwahrscheinlichen Risiken informiert werden. Dazu genügt es, dass der Patient ein allgemeines Bild von der Schwere und dem Risikospektrum erhält.
  • Die Aufklärung soll nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern dem Patienten eine ergebnisbezogene Entscheidungsgrundlage geben. Die Risiken müssen deshalb nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden. Es genügt, wenn die Stoßrichtung der Risiken zutreffend dargestellt wird.
  • Die Aufklärung muss so rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Eine konkrete Zeitspanne ist dabei gesetzlich nicht geregelt. Im Regelfall empfiehlt sich aber, die Aufklärung zumindest einen Tag vor der Operation durchzuführen, sofern es kein Notfall ist. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen will oder nicht.
  • Wünscht der Patient weitere Bedenkzeit, kann grundsätzlich von ihm erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringt.
  • Etwas anderes gilt aber dann, wenn für den Arzt Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass der Patient in seiner Entschlusskraft beeinträchtigt ist oder aus anderen Gründen noch Überlegenszeit braucht. Dann muss der Arzt von sich aus nachhaken und unter Umständen sogar den Eingriff verschieben.

AUSGABE: CB 3/2024, S. 10 · ID: 49913175

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