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CBChefärzteBrief

Arbeitsrecht„Passgenaue“ AU bis Ende der Kündigungsfrist – Pflegeassistentin erhält keine Entgeltfortzahlung!

Abo-Inhalt05.07.2023597 Min. Lesedauer

| Wer in direktem Zusammenhang mit seiner Kündigung während der gesamten Kündigungsfrist wegen eingereichter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) der Arbeit fernbleibt, muss damit rechnen, dass er unter Umständen keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann. Eine Pflegeassistentin scheiterte mit ihrer Klage: Im Prozess konnte sie das Gericht nicht von ihrer Arbeitsunfähigkeit überzeugen (Landesarbeitsgericht [LAG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.05.2023, Az. 2 Sa 203/22; nicht rechtskräftig, Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG eingelegt). |

Fortlaufende AU bis zur Kündigung – keine Lohnfortzahlung – Klage scheitert

Die als Pflegeassistentin beschäftigte Klägerin hatte am 04.05.2022 eine auf den 05.05.2022 datierte Kündigung zum 15.06.22 verfasst. Darin hatte sie u. a. um die Zusendung einer Kündigungsbestätigung und der Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift gebeten. Sie bedankte sich für die bisherige Zusammenarbeit und wünschte dem Arbeitgeber alles Gute. Die Klägerin erschien ab dem 05.05.2022 nicht mehr zur Arbeit. Sie reichte durchgehend bis zum 15.06.2022 und damit genau für sechs Wochen AU-Bescheinigungen ein. Der Arbeitgeber leistete keine Entgeltfortzahlung. Anders als die Erstinstanz (Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 23.11.2022, Az. 5 Ca 973/22) wies das LAG die Klage ab.

Entscheidungsgründe: Beweiswert der AU-Bescheinigung war erschüttert

Das LAG verweist zunächst auf den hohen Beweiswert von AU-Bescheinigungen. Der Arbeitgeber könne diesen Beweiswert nur erschüttern, indem er tatsächliche Umstände darlege und ggf. beweise, dass Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers bestehen. In diesem Fall komme der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zu. Eine Erschütterung des Beweiswerts komme nicht nur infrage, wenn sich ein Arbeitnehmer in Zusammenhang mit seiner Kündigung einmal zeitlich passgenau bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben lasse. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei der Beweiswert der AU-Bescheinigung auch erschüttert, wenn

  • die Krankschreibung aufgrund mehrerer AU-Bescheinigungen durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauere,
  • diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasse und
  • sich aus dem Kündigungsschreiben ergebe, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechne.

Bei der Beweiswürdigung stellt das LAG entscheidend darauf ab, dass nach seiner Überzeugung die Klägerin ihrem Arzt Beschwerden vorgetragen hat, die tatsächlich nicht bestanden haben.

Praxistipp | Die Entscheidung ist auch für (Chef-)Ärzte relevant, die in vergleichbaren Fällen AU-Bescheinigungen ausstellen. Von sog. Gefälligkeitsattesten ist unbedingt Abstand zu nehmen. Andernfalls drohen straf- und berufsrechtliche Konsequenzen (CB 11/2021, Seite 4).

AUSGABE: CB 9/2023, S. 16 · ID: 49584010

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