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WahlleistungenAnstatt des Wahlarztes behandelt der Sektionsleiter – Wahlleistungsvereinbarung änderbar?
| Frage: „In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein besonders qualifizierter Oberarzt als Sektionsleiter einer Subspezifikation des Fachbereichs als Wahlarzt eingesetzt wird. Leider wird dies dann aber nicht zeitgleich im Formularwesen (Wahlleistungsvereinbarung) umgesetzt. Ist es ausreichend, wenn die alte Wahlleistungsvereinbarung, die den Chefarzt der Hauptabteilung auch für die Sektion ausweist, handschriftlich auf den neuen Wahlarzt umgeändert wird? Oder können Leistungen des Oberarztes erst dann in Rechnung gestellt werden, wenn auch die Wahlleistungsvereinbarung ‚offiziell‘ geändert wurde? Eine Abrechnung für den Chefarzt ist ausgeschlossen, da keine Individualvereinbarung unterschrieben wurde. Falls eine Abrechnung nicht möglich ist, kann der Oberarzt gegen den Krankenhausträger vorgehen?“ |
Inhaltsverzeichnis
- Wahlärzte gelten als hoch qualifizierte Spezialisten ...
- ... Sektionsleiter vielerorts aber auch!
- Sektionsleiter muss in der Liste der Wahlärzte benannt sein
- Patient muss „seinen“ Wahlarzt erkennen können
- Wahlleistungen als solche nur mit wirksamer Wahlleistungsvereinbarung berechnungsfähig!
- Sektionsleiter kann einen Schadenersatzanspruch haben
Antwort: Wahlärztliche Leistungen sind vor ihrer Erbringung zwischen Krankenhaus und Patient schriftlich oder in Textform – nach Unterrichtung über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt – zu vereinbaren. Die Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen erstreckt sich auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistungen berechtigt sind. Nicht zuletzt aus Gründen der erforderlichen Transparenz werden die Wahlärzte und ihre ständigen Vertreter dem Patienten in einer der Vereinbarung beigefügten Liste bekannt gegeben.
Wahlärzte gelten als hoch qualifizierte Spezialisten ...
Zur exponierten Position des Wahlarztes hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) schon in seiner ständigen Rechtsprechung geäußert. Der Patient schließe – so die Richter – eine Wahlleistungsvereinbarung im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes, die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Bezahlung einer gesonderten Vergütung sichern wolle (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07, vgl. CB 05/2017, Seite 11); dem Patienten geht es also darum, sich über den Facharztstandard hinaus die Leistungen hoch qualifizierter Spezialisten hinzuzukaufen (BGH, Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 145/14 sowie Urteil vom 19.02.1998, Az. III ZR 169/97; vgl. CB 10/2021, Seite 5).
... Sektionsleiter vielerorts aber auch!
Zu diesen hoch qualifizierten Spezialisten gehören vielerorts auch die sog. Sektionsleiter, also die Leiter eines in der Regel fachlich selbstständigen Bereichs, eingegliedert in eine von einem Chefarzt geführte Abteilung, die somit auch als Wahlarzt der Sektion – neben bzw. zusätzlich zum Chefarzt der Abteilung – in die Wahlarztkette der liquidationsberechtigten Ärzte aufgenommen werden können.
Sektionsleiter muss in der Liste der Wahlärzte benannt sein
Im Außenverhältnis zum Patienten ist aus der o. g. Transparenz erforderlich, dass der Sektionsleiter als Wahlarzt in die Wahlarztvereinbarung gemäß der Liste der Wahlärzte aufgenommen wird.
Patient sollte handschriftliche Ergänzungen gegenzeichnen Praxistipp | Aus Kostengründen oder aus Gründen der Nachhaltigkeit sind Krankenhausabteilungen vonseiten der Geschäftsleitung oft gehalten, noch vorhandene Vordrucke der Wahlleistungsvereinbarung „aufzubrauchen“. In diesem Fall muss die Vereinbarung zumindest vor (!) Unterzeichnung handschriftlich ergänzt werden. Beide Parteien – Liquidationsberechtigter und Patient – sollten die Ergänzung durch Handzeichen abzeichnen. Eine nachträgliche Ergänzung ohne – nachweisbare – Zustimmung des Patienten ist unzulässig und somit unwirksam. |
Patient muss „seinen“ Wahlarzt erkennen können
Der Patient muss erkennen können, wer „sein“ Wahlarzt ist. Schließlich hat die Wahlleistungsvereinbarung nicht mehr nur den Charakter einer Honorarvereinbarung, sondern sie konkretisiert bzw. beschränkt die Einwilligung des Patienten in die Behandlung durch den Wahlarzt (BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 75/15, Fallbesprechung im CB 09/2016, Seite 1, Abruf-Nr. 44228861).
Praxistipp | Vor diesem Hintergrund ist die Behandlerseite im eigenen Interesse gehalten, die Wahlleistungsvereinbarung einschließlich der Liste der Wahlärzte immer zu aktualisieren. |
Wahlleistungen als solche nur mit wirksamer Wahlleistungsvereinbarung berechnungsfähig!
Nur bei formell ordnungsgemäßer Wahlleistungsvereinbarung sind die vom Sektionsleiter erbrachten Leistungen abrechenbar. Fehlt er als Wahlarzt in der Wahlarztvereinbarung, fehlt grundsätzlich die Voraussetzung für die Abrechnung der von ihm erbrachten Leistungen, weil der Wahlarzt (Chefarzt) die Leistungen nicht erbracht hat und der Leistungserbringer nicht (als) Wahlarzt (benannt) ist.
Sektionsleiter kann einen Schadenersatzanspruch haben
Mit der Einräumung des Liquidationsrechts bzw. der Beteiligung an den Liquidationseinnahmen des Krankenhausträgers aus wahlärztlichen Leistungen geht die Nebenpflicht des Krankenhausträgers einher, eine formell ordnungsgemäße Wahlleistungsvereinbarung zu schließen. Ist die Wahlleistungsvereinbarung unvollständig und damit unwirksam, kann der Sektionsleiter einen Schadenersatzanspruch in Höhe der entgangenen Beteiligungsvergütung geltend machen.
AUSGABE: CB 8/2023, S. 4 · ID: 49254561