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CBChefärzteBrief

KrankenhausabrechnungImpfverweigerer in Krankenhäusern und MVZs: So minimieren Sie das Risiko für die Abrechnung

Abo-Inhalt02.02.20222274 Min. LesedauerVon RA, FA für ArbR und MedT, Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte Hannover

| Am 10.02.2022 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen Eilantrag gegen die sog. Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen abgelehnt (Az. 1 BvR 2649/21). Entgegen vielen Medienberichten enthält § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) für Beschäftigte im Gesundheitswesen keine Impfpflicht gegen COVID-19, sondern ein Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot für Ungeimpfte (s. u.). Spätestens die Diskussion um den o. g. Beschluss der Karlsruher Richter offenbart die Schwachstellen der Gesetzesänderung – nicht nur bzgl. der arbeitsrechtlichen Folgen für Ungeimpfte, sondern auch hinsichtlich der Abrechnung in Krankenhäusern und krankenhauseigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZs). |

Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot gemäß § 20a IfSG

In § 20a Abs. 1 IfSG wird zunächst ein umfangreicher Personenkreis definiert, für den das Tätigkeitsverbot gelten soll. Dazu gehören auch Personen, die in Krankenhäusern, Tageskliniken oder krankenhauseigenen MVZ tätig sind. Ausgenommen sind Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Die in § 20a Abs. 1 IfSG definierten Personengruppen müssen der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum 15.03.2022 entweder einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über eine bestehende medizinische Kontraindikation gegen die Impfung vorlegen (§ 20a Abs. 2 IfSG). Gleiches gilt für Personen, die in den in § 20a Abs. 1 IfSG genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16.03.2022 tätig werden sollen. Für Personen, die die o. g. Nachweise gemäß § 20a Abs. 2 IfSG bis zum 15.03.2022 nicht vorlegen, gilt ab dem Folgetag ein Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbot.

Merke | Das Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot gilt, solange der Impfstatus unverändert bleibt (maximal jedoch bis zum 31.12.2022, wenn die Regelung des § 20a IfSG derzeit auslaufen soll (vgl. Bundesrat, Drucksache 820/21, 10.12.2021, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 i. V. m. Art. 23 Abs. 4; online unter iww.de/s5987). Es gilt auch für Personen, deren Impfstatus sich nach dem 15.03.2022 dahin gehend ändert, dass sie nicht mehr als Geimpfte oder Genesene gelten oder die medizinische Kontraindikation nicht mehr besteht.

Für die Verhängung des Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbots zuständig sind nicht die jeweiligen Träger des Krankenhauses oder krankenhauseigenen MVZs, sondern das örtlich zuständige Gesundheitsamt. Nach § 20a Abs. 5 S. 3 IfSG kann das Gesundheitsamt ab dem 16.03.2022 Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbote verhängen. Nach dem Gesetzeswortlaut hat das Gesundheitsamt dabei ein Erschließungsermessen („kann… untersagen“). Da § 20a IfSG „den Schutz vulnerabler Personengruppen vor einer COVID-19-Erkrankung bezweckt“ (BT-Drucksache 20/188, online unter iww.de/s6096; Seite 33), könnte das Ermessen des Gesundheitsamts in vielen Fällen auf null reduziert sein, sodass der Behörde gar nichts anderes übrig bleibt als ein Beschäftigungs- bzw. Tätigkeitsverbot zu verhängen.

Dies wurde ausdrücklich nicht geregelt

Ausdrücklich offengelassen wurde in § 20a IfSG eine Regelung zum Arbeitsentgelt für die Personen, die ab dem 16.03.2022 unter das Beschäftigungsverbot fallen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass das Arbeitsentgelt derjenigen Personen, die unter das Verbot fallen, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers entfallen soll. Ausdrücklich geregelt wurde dies jedoch nicht, sondern nur angedeutet. Daher ist davon auszugehen, dass sich hiermit die Arbeitsgerichte zu beschäftigen haben, wenn die Personen, die von dem Verbot betroffen sind, ihre Vergütung einklagen sollten.

Auch im Hinblick auf Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II) enthält die Vorschrift des § 20a IfSG keine Regelung. Daher ist auch hier eine Vielzahl von Problemen zu erwarten. Vorrangig werden zunächst jene Personen betroffen sein, die unter das Beschäftigungsverbot fallen. Nachrangig betrifft die fehlende Regelung der Entgeltersatzleistungen aber auch die Leitungen der betroffenen Gesundheitseinrichtungen, wenn betroffene Angestellte auf Fortzahlung des Entgelts klagen sollten.

Probleme für Krankenhäuser und krankenhauseigene MVZs

Insbesondere für die Krankenhausabrechnung sind durch die gesetzliche Neuregelung des § 20a IfSG eine Vielzahl von Problemen zu erwarten. Diese hat der Gesetzgeber entweder gar nicht gesehen oder er wollte sie ganz bewusst nicht regeln, weil er die daraus resultierenden Probleme unterschätzt hat.

Vertragsarztsitze in krankenhauseigenen MVZs

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Der Chefarzt einer Klinik arbeitet gleichzeitig im krankenhauseigenen MVZ als ärztlicher Leiter. Das MVZ verfügt über viereinhalb Vertragsarztsitze. Einer dieser Vertragsarztsitze wird von einem angestellten Arzt besetzt, der bekennender Impfgegner ist und sich definitiv nicht impfen lassen will. Nach § 20a IfSG gilt für diesen Arzt –  wenn er sich bis dahin nicht impfen lässt – ab dem 16.03.2022 ein Beschäftigungsverbot mindestens bis zum 31.12.2022. Kann dieser Vertragsarztsitz möglicherweise für neuneinhalb Monate unbesetzt bleiben?

Strukturprüfungen gemäß § 275d SGB V

Alle bundesdeutschen Krankenhäuser, die im Jahr 2022 den Strukturprüfungen nach § 275d Sozialgesetzbuch (SGB) V unterliegende OPS-Codes abrechnen wollen, haben sich 2021 prüfen lassen müssen (vgl. CB 12/2021, Seite 6 und CB 07/2021, Seite 14). Wenn diese Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) mit einer positiven Bescheinigung geendet hat, gilt § 275d Abs. 3 S. 3 SGB V. Danach sind diese Krankenhäuser verpflichtet, wenn sie eines oder mehrere der im Rahmen einer Strukturprüfung nachgewiesenen Strukturmerkmale eines OPS-Kodes über einen Zeitraum von mehr als einem Monat nicht mehr einhalten, dies den Landesverbänden der Krankenkassen, den Ersatzkassen und dem zuständigem MD unverzüglich mitzuteilen. Der MD hebt dann den Positivbescheid auf. Dies hat zur Folge, dass die betreffenden Leistungen bis auf Weiteres nicht mehr vereinbart und abgerechnet werden dürfen. Ein solcher Fall des § 275d Abs. 3 S. 3 SGB V dürfte vorliegen, wenn mehrere Mitglieder eines Behandlungsteams, die zur Erfüllung einzelner Strukturmerkmale benötigt werden, ab dem 16.03.2022 einem Beschäftigungsverbot unterliegen.

Das nächste Problem für die Krankenhäuser und die jeweils betroffenen Abteilungen oder Kliniken, die die OPS-Codes weiterhin abrechnen wollen, entsteht in den Strukturprüfungen, die 2022 erneut anstehen, wenn diese Mitarbeiter, die für die Erfüllung der Strukturmerkmale gebraucht werden, fehlen. Ein vergleichbares Problem könnte auch im Rahmen der Personaluntergrenzenverordnung auftreten, sofern vermehrt Pflegepersonal in Krankenhäusern unter das Beschäftigungsverbot fällt.

Das können betroffene Krankenhäuser und MVZs tun

Wenn in Ihrem Krankenhaus bzw. krankenhauseigenen MVZ impfunwillige Beschäftigte die Abrechnungsberechtigung wie oben beschrieben gefährden, können Sie wie folgt vorgehen.

Unbesetzter Vertragsarztsitz: Sprechen Sie mit der zuständigen KV

Wenn in einem krankenhauseigenem MVZ ein Vertragsarztsitz nicht mehr besetzt ist, weil der auf diesem Sitz beschäftigte angestellte Arzt als Impfgegner einem Beschäftigungsverbot unterliegt, sollten Sie frühzeitig mit dem Zulassungsausschuss bei der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sprechen. Klären Sie die Handlungsoptionen:

Merke | Wenn ein Vertreter nicht nur temporär, sondern dauerhaft beschäftigt werden will und der Zulassungsausschuss eine Vertretung verlangt, steht eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Impfgegner im Raum.

  • Ist der Zulassungsausschuss bereit, aufgrund der besonderen Umstände ein Ruhen der Zulassung zu akzeptieren? Wenn ja, wie lange?
  • Ab wann muss ggf. für eine Vertretung gesorgt werden?

Strukturprüfungen: Sind Vertretungen und/oder Kooperationen möglich?

Im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 275d SGB V werden die betroffenen Einrichtungen prüfen müssen, ob und inwieweit mit eigenem Personal eine Vertretung organisiert werden kann oder ob man sich durch Kooperationsvereinbarungen mit externen Dritten behelfen kann.

Merke | Auch hier wird man spätestens dann über eine Kündigung des dem Beschäftigungsverbot unterliegenden Personals nachdenken müssen, wenn die Vertretung dauerhaft auf der Stelle, die sie zunächst nur übergangsweise ausfüllt, bleiben soll und will. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung auch eine personenbedingte Kündigung als generelle Option angedeutet, die Frage ist allerdings, was man durch eine solche Kündigung gewinnt, wenn für die Stelle kein gleichwertiger Ersatz vorhanden ist.

Prüfen Sie, ob das Gesundheitsamt Sonderregelungen zulässt

Gem. § 20a Abs. 5 S. 3 IfSG kann das Gesundheitsamt die Tätigkeit der ungeimpften Person untersagen. Daher sollte zumindest unter Berufung darauf, dass das Gesundheitsamt hier nach dem Gesetzeswortlaut auch ein Ermessen (s. o.) hat, mit der Behörde verhandelt werden, ob im Einzelfall Sonderregelungen möglich sind. Demnach könnte die Tätigkeit der betroffenen Mitarbeiter verbunden mit erheblichen Auflagen weiterhin gestattet werden.

Dies dürfte jedoch vermutlich allenfalls in solchen Bereichen in Betracht kommen, wo praktisch kein Arzt-Patienten-Kontakt besteht oder dieser Arzt-Patienten-Kontakt im Rahmen von Auflagen erheblich eingeschränkt werden kann. In Fällen, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtung regelmäßig Patientenkontakt haben, erscheint eine solche Ausnahmeregelung nicht sehr realistisch.

Regress gegenüber impfunwilligen Beschäftigten schwierig

Wenn Krankenhäuser einzelne OPS-Codes nicht mehr abrechnen dürfen, weil sie nach § 275 d Abs. 3 S. 2 SGB V verpflichtet sind, die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen sowie den MD zu informieren, wenn sie eines oder mehrere der nachgewiesenen Strukturmerkmale in einem Zeitraum von mehr als einen Monat nicht mehr einhalten oder gar keine neue Positivbescheinigung für 2023 erlangen können, weil dafür notwendiges Personal unter das Beschäftigungsverbot fällt, sind erhebliche Einnahmeausfälle zu befürchten.

Hier stellt sich die Frage, ob man diejenigen Angestellten, die das Beschäftigungsverbot einer Impfung vorziehen, für diese Einnahmeausfälle nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung in Regress nehmen kann? Nachdem sich diese Frage den Arbeitsgerichten noch nie gestellt hat, erscheint es als völlig offen, ob eine solche Klage Aussicht auf Erfolg hätte. Hier wird es sicherlich auch auf den Einzelfall ankommen.

Wer so etwas erwägt, muss zudem bei den eigenen Überlegungen berücksichtigen, dass die Arbeitnehmerhaftung anderen Regeln unterliegt. Arbeitnehmer haften für leichte Fahrlässigkeit gar nicht, für die sog. mittlere Fahrlässigkeit anteilig und nur für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz voll, wobei die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte bei großen Summen auch wiederum Abschläge zugunsten der Arbeitnehmer einrechnet. Einnahmeausfälle aufgrund von Beschäftigungsverboten lassen sich über solche Klagen – wenn überhaupt – deshalb allenfalls teilweise wieder hereinholen.

Fazit | Die Intention des Gesetzgebers, mithilfe des § 20a IfSG das Personal und die Patienten in Gesundheitseinrichtungen vor Infektionen durch ungeimpfte Personen zu schützen, ist in jedem Fall zu begrüßen. Die Ausgestaltung der Regelung indes wird man aus o. g. Gründen, als misslungen bezeichnen müssen. Gleichwohl muss das Gesetz, nachdem es – auch mit Zustimmung der Bundesländer – verabschiedet wurde, nun auch kommen. Ansonsten würden der Gesetzgeber und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die hiesige Gesetzgebung wie auch ihre eigene Glaubwürdigkeit konterkarieren. Ob die Länder zur Umsetzung gezwungen werden oder ob es Übergangsfristen geben wird, ist noch offen.

Weiterführender Hinweis
  • DKI Krankenhaus-Pool: Krankenhäuser erwarten weitere Personalengpässe durch einrichtungsbezogene Impfpflicht (Beitrag online vom 26.01.2022, Abruf-Nr. 47956712

AUSGABE: CB 3/2022, S. 6 · ID: 47950879

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