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GOÄAG Bremen erklärt Hygienepauschale für unzulässig – Folgen für die GOÄ-Abrechnung
| Die GOÄ-Hygienepauschale nach Nr. 245 analog (CB 11/2021, Seite 2) – bzw. seit dem 01.01.2022 Nr. 383 analog (CB 01/2022, Seite 1) – hat keine Rechtsgrundlage. Dieser Auffassung ist zumindest das Amtsgericht (AG) Bremen. Es wies die Klage eines Orthopäden gegen einen zahlungsunwilligen Patienten ab (Urteil vom 10.11.2021, Az. 9 C 333/21). Auch wenn das Urteil geringe Folgen haben dürfte, resümiert dieser Beitrag die Urteilsgründe, ordnet das Urteil ein und gibt Empfehlungen für die Privatabrechnung. |
Die Entscheidungsgründe
Das Gericht sah keinen Anspruch des Klägers auf die Begleichung seiner Forderung von insgesamt 162,25 Euro. Es begründete sein Urteil wie folgt.
GOÄ-Hygienepauschale nach Nr. 245 analog: Darum verneint das AG Bremen den Anspruch des Klägers |
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Einordnung des Urteils
Einerseits löst das Urteil Verwunderung aus: Das Gericht übersieht in seiner Argumentation, dass die als Analogleistung herangezogene, gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ „nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung der GOÄ“ keinen inhaltlichen Bezug zum Inhalt der erbrachten Leistung haben muss. Auch dass der Kläger – wie vom Gericht unterstellt – lediglich ein Eigeninteresse verfolgt, darf bezweifelt werden. Denn auch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestehen ähnliche Regelungen zur Hygienepauschale.
Andererseits ist die Anwendung einer GOÄ-Leistungsziffer als analoge Bewertung für eine Kostenpauschale nicht mit § 6 Abs. 2 GOÄ vereinbar. Denn die Analogbewertung bezieht sich explizit auf Leistungen, die in die GOÄ nicht aufgenommen sind und nicht auf Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen. Die Analogziffern 245 bzw. 383 beschreiben keine ärztliche Leistung, sondern sind als „Aufwandszuschlag“ konzipiert. Im Prinzip gibt es auch andere Wege, den erhöhten Kostenaufwand zu kompensieren: § 10 GOÄ sieht den Ersatz von Auslagen in tatsächlicher Höhe vor. Allerdings ist nach Abs. 1 S. 5 die Berechnung von Pauschalen nicht zulässig. Ebenfalls von der Abrechnung ausgenommen sind die in Abs. 2 Nr. 2 bis 5 aufgeführten Materialien, u. a. Desinfektions- und Reinigungsmittel und Einmalhandschuhe, nicht aber Schutzkittel und Einmalmasken. Weiterhin können die berechneten Leistungen selbst nach den in § 5 GOÄ vorgegebenen Kriterien nach billigem Ermessen im Faktor gesteigert werden – je nach Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umständen bei der Ausführung oder in speziellen Fällen nach der Schwere des Krankheitsfalls.
Merke | Ein erhöhter Hygieneaufwand allein ist nicht unbedingt Kriterium für eine Faktorsteigerung. Das AG Bremen stellt diesen Weg jedoch nicht ganz infrage. Denn nach seiner Auffassung übersteigen die pandemiebedingten Hygienemaßnahmen „das übliche, in den einschlägigen Gebührenziffern bereits eingepreiste, Maß“. Damit ist eine Faktorsteigerung i. S. d. § 5 GOÄ durchaus möglich. Gleichzeitig sieht das Gericht allerdings hierin „lediglich das allgemeine Betriebsrisiko des Klägers verwirklicht. Gegen dieses Risiko hätte man sich vorab versichern können“. |
Empfehlungen für die Privatliquidation
Obwohl Kostenträger die Hygienepauschale erstatten, können Patienten die Pauschale anfechten. Denn die Empfehlung von BÄK, PKV-Verband und Beihilfe, eine Hygienepauschale zu berechnen, ist rechtlich nicht verbindlich. Um den Hygieneaufwand zu kompensieren, bietet die GOÄ genügend andere Optionen, die nicht durch Abrechnungsempfehlungen generell außer Kraft gesetzt werden können.
Empfehlungen zur Kompensation erhöhten Hygieneaufwands nach GOÄ |
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Erste Reaktionen der Ärzteschaft auf das Urteil sind uneinheitlich Fazit | In ärztlichen Diskussionsforen wird das Urteil uneinheitlich bewertet: Ein Teil der Ärzte empfiehlt „Ablage P“, ein anderer Teil plant, auf die oben skizzierte Abrechnung nach §§ 5 und 10 GOZ umzustellen. Das ist zwar umständlicher, aber im Ergebnis viel attraktiver. Wahrscheinlich wird der Bremer Patient nur wenige Nachahmer finden, sodass die Folgen des Urteils, eher als gering einzuschätzen sind – selbst wenn die Hygienepauschale weiter berechnet wird. |
AUSGABE: CB 3/2022, S. 4 · ID: 47970913