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EinkommensteuerNeuermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage nach Entprägung einer Personengesellschaft

Abo-Inhalt07.01.20256 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

| Ist eine bisher gewerblich geprägte, Immobilien vermietende GmbH & Co. KG nicht mehr nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt – weil ein Kommanditist zum Geschäftsführer bestellt wird – so führt diese sog. Entprägung zu einer Entnahme der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen zum Teilwert und damit zu einer Änderung der AfA-Bemessungsgrundlage (FG Berlin-Brandenburg 9.7.24, 8 K 8119/23, Abruf-Nr. 244796). Die Revision ist vor dem BFH (IX R 18/24) anhängig. |

1. Sachverhalt

Die Klägerin war Eigentümerin von zwei Wohnungsbaublöcken mit teilweiser gewerblicher Vermietung. Es kam zu einer sog. Entprägung der Klägerin durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnis für den Kommanditisten. Die Klägerin wurde zunächst durch Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erklärungsgemäß veranlagt. Später erließ das FA nach einer Außenprüfung einen geänderten Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, mit dem es Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Veräußerungsgewinne und laufende gewerbliche Einkünfte) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung feststellte und der Klägerin zurechnete. Mit weiteren Bescheiden änderte das FA zudem die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 2008 bis 2011 sowie die Feststellungen verrechenbarer Verluste. Die Verluste der Jahre 2008 und 2009 waren demnach nicht mehr ausgleichsfähig, weil das FA nunmehr von einem negativen Kapitalkonto der Klägerin ausging.

Hiergegen legte die Klägerin Einsprüche ein. Mit Einspruchsentscheidung änderte das FA die Feststellung der laufenden Einkünfte für 2008 bis 2011 abermals, indem es diese nun (um die AfA für Außenanlagen) herabsetzte. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.

2. Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet (FG Berlin-Brandenburg 9.7.24,8 K 8119/23).

2.1 Widerstreitende Steuerfestsetzung

Hinsichtlich der zu hoch angesetzten AfA konnte sich der Beklagte auf die Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO stützen. Es lag ein Steuerbescheid vor, der aufgrund „irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts“ gem. § 174 Abs. 1 S. 1 AO ergangen war und aufgrund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen zugunsten der Klägerin aufgehoben wurde. Sachverhalt i. S. d. § 174 AO ist jeder einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (BFH 6.3.90, VIII R 28/84, BStBl II 90, 558). Der Sachverhalt ist in diesem Sinne zu verstehen wie der Begriff der Tatsache in § 173 Abs. 1 AO. Hiernach ist Tatsache jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt; also Zustände und Vorgänge der Seinswelt, die Eigenschaften der Gegenstände dieser Seinswelt und die gegenseitigen Beziehungen zwischen diesen Gegenständen (Tipke/Kruse, AO, § 173, Rn. 2). In Abgrenzung dazu ist ein finanzbehördlicher Verfahrensakt selbst kein solcher Sachverhalt oder Lebensvorgang. Die Umstände, die bei der Klägerin zur Entprägung und damit zur Aufgabe des Gewerbebetriebs führten – nämlich die Einräumung von Geschäftsführungsbefugnis für den Kommanditisten – stellen einen solchen Lebensvorgang dar, denn dieser hatte unmittelbar und auch mittelbar Auswirkungen auf das materielle Steuerrecht.

Die irrige Beurteilung lag im Streitfall darin, dass das FA davon ausging, einen Aufgabegewinn statt eines Veräußerungsverlusts noch erfassen zu können und damit materiell-rechtlich die AfA-Bemessungsgrundlage für die Streitjahre zu erhöhen. Dies war rechtsirrig, weil es gerade nicht mehr zu einer tatsächlichen Aufdeckung der stillen Reserven und deren steuerlicher Erfassung kommen konnte, da für das Jahr 2007 bereits Feststellungsverjährung eingetreten war. Das FA hat aus diesem Lebenssachverhalt insoweit nachträglich durch Erlass der hier anhängigen Feststellungen die richtigen Folgerungen gezogen.

2.2 Jahresfrist eingehalten

Die Änderungen sind auch zeitgerecht erfolgt. Nach § 174 Abs. 4 S. 3 und 4 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies hingegen nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 S. 1 AO.

Das FA ist davon ausgegangen, dass die Jahresfrist mit der Einspruchsentscheidung begann, mithin die Jahresfrist erst im August 2022 ablief und die entsprechenden Bescheide somit zeitgerecht ergangen wären. Rechtskraft trat hingegen – wegen Zulassung der Revision – mit Ablauf der Monatsfrist nach Zustellung, für die Klägerin mit Ablauf im Juni 2022, ein. Dies löste eine Ablaufhemmung (Jahresfrist) aus, weil auch die vollständige Aufhebung der Einspruchsentscheidung zum Wiederaufleben des Feststellungsbescheids für 2007 führte, mit dem ein Aufgabeverlust wieder Feststellungswirkung erlangte. Auch nach dieser – wiederauflebenden – Feststellung bestand materiell-rechtlich kein Raum für eine höhere AfA. Vielmehr hätte die AfA sogar noch weiter herabgesetzt werden müssen (Abstockung).

2.3 Entprägung bedingt Korrekturnorm des § 174 Abs. 4 AO

Es lagen auch die weiteren Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 S. 4 i. V. m. Abs. 3 S. 1 AO vor. Nach § 174 Abs. 4 S. 4 AO ist zu prüfen, ob die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde. In diesem Fall kann die Änderung nach § 174 Abs. 4 S. 1 AO nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 S. 1 AO erfolgen. Hiernach kann eine Änderung nur erfolgen, wenn der bestimmte Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen ist, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt.

Der bestimmte Sachverhalt ist im Streitfall die materiell-rechtlich zweischneidige Entprägung, die einerseits zu einer Aufdeckung stiller Reserven (oder stiller Lasten) führt und gleichzeitig die AfA-Bemessungsgrundlage berührt, weil die Überführung ins Privatvermögen die Folge war. Dieser Sachverhalt wurde erkennbar einerseits im Jahr 2007 und andererseits in den Folgejahren berücksichtigt. Die ursprüngliche Aufstockung der AfA und Minderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfolgte erkennbar in der Annahme, dass es 2007 zu einem steuerlich relevanten Veräußerungsgewinn gekommen ist. Diese Annahme hat sich schlussendlich als unrichtig herausgestellt.

3. Relevanz für die Praxis

Ist eine bisher gewerblich geprägte, Immobilien vermietende GmbH & Co. KG nicht mehr nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägt – weil ein Kommanditist zum Geschäftsführer bestellt wird – so führt diese Entprägung regelmäßig zu einer Entnahme der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen zum Teilwert und damit zu einer Änderung der AfA-Bemessungsgrundlage sowie einer Änderung der nach der Entprägung erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch der Folgejahre. Die Entprägung ist daher im Hinblick auf die Vermietungseinkünfte der Folgejahre als Lebensvorgang ein Sachverhalt i. S. d. § 174 Abs. 4 AO. Die Überführung von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen bedingt hierbei i. d. R. eine Auf- oder Abstockung der AfA-Bemessungsgrundlage bei Vermietung und Verpachtung (FG Berlin-Brandenburg 9.7.24, 8 K 8119/23).

Die Korrekturnorm des § 174 AO (widerstreitende Steuerfestsetzung) eröffnet insoweit die Möglichkeit, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch Steuerfestsetzungen ergeben haben, die einander inhaltlich widersprechen. Ein „Widerstreit“ i. S. d. § 174 Abs. 1 AO setzt insoweit voraus, dass die in verschiedenen Steuerbescheiden vorgenommenen Feststellungen bzw. Besteuerungen aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar sind. Sie stehen im Widerspruch zueinander, da nur einer der beiden Steuerbescheide und die darin angeordnete Rechtsfolge zutreffend sein kann. Nach materiellem Recht muss sich die mehrfache Erfassung eines bestimmten Sachverhalts zwingend ausschließen.

Bei der Anwendung der Vorschrift ist letztlich zu berücksichtigen, dass § 174 Abs. 4 AO den Ausgleich einer zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Änderung bezweckt. Derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss im Ergebnis auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (AEAO zu § 174 AO, Rn. 1.1 ff., m. w. N.).

AUSGABE: BBP 1/2025, S. 12 · ID: 50205795

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