Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Jan. 2025 abgeschlossen.
Unternehmensberatung im MittelstandHerausforderungen und Besonderheiten mit dem Business Model Canvas begegnen
| Die Unternehmen des deutschen Mittelstands sind umfassenden Veränderungsprozessen unterworfen, die eine ständige Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle und der Infrastruktur in den Unternehmen erfordern. Sie müssen z. B. die Nachhaltigkeitswende umsetzen, Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den globalen Lieferketten übernehmen, die digitale Transformation schaffen und sie kämpfen durch den Ukrainekrieg mit weiteren Herausforderungen wie Lieferengpässen und stark gestiegenen Energiekosten. Das Business Model Canvas kann hier Unterstützung bieten. |
Inhaltsverzeichnis
1. Merkmale mittelständischer Unternehmen
Grundsätzlich können mittelständische Unternehmen einem von vier Archetypen mit unterschiedlich ausgeprägten Charakteristika zugeordnet werden:
Übersicht / Typen mittelständischer Unternehmen | ||||
Mittelständischer Nischenanbieter | Innovativer Mittelständler | Bürokratischer Mittelständler | Diversifizierter Mittelständler | |
Größe | klein | – | – | groß |
Organisation | einfach, eigentümergeführt | einfach | bürokratisch | bürokratisch |
Führung | autoritär | laissez faire | kooperativ | kooperativ |
Unternehmensziele/ Unternehmensstrategie | persönliche (hoher Stellenwert) | persönliche (geringer Stellenwert) | primär monetär | monetär |
Entscheidungsfindung |
|
|
|
|
Hierarchie | einfach | einfach | ausgeprägt | ausgeprägt |
Innovation | gering | hoch | niedrig, aber hohe Prozessinnovativität | mittelmäßig bis hoch |
Produktvielfalt | gering | hoch | gering, standardisiert | hoch |
Ressourcen (finanziell und personell) | schwach | gut | mittelmäßig | stark |
Soziale Verantwortung ggü. externen und internen Stakeholdern | hoch | hoch | schwach | gering |
Die Übersicht zeigt, wie breit gefächert der Begriff „Mittelstand” ist und wie unterschiedlich, teilweise sogar gegensätzlich die Eigenschaften sind, die die einzelnen Unternehmenstypen aufweisen können. Somit werden im Folgenden lediglich die allgemeingültigen Besonderheiten beschrieben, die auf die Mehrheit der Unternehmen der Gruppe „Mittelstand” zutreffen und zugleich typisch für diese sind. Die folgende Abbildung zeigt die gängigsten Eigenschaften, die mittelständische Unternehmen von klassischen Großunternehmen unterscheiden.

1.1 Großer Einfluss der Führungspersönlichkeit(en)
Typisch für einen Großteil der mittelständischen Unternehmen ist der signifikante Einfluss der Führungspersönlichkeit(en) und der von ihnen vermittelten Werte. Die Unternehmen werden häufig patriarchisch und beziehungsorientiert geführt, während die Denkweise durch die z. T. familiären Verflechtungen innerhalb der Unternehmensorganisation generationenorientiert ist. Oft ist allein die Unternehmensführung mit ihren Wertvorstellungen für die Initiierung und Umsetzung von Entscheidungen verantwortlich. Aufgrund des langjährigen Bestehens der Unternehmen bestimmen vielfach konservative Werte wie Tradition, Kostenbewusstsein und Loyalität den Unternehmensalltag. Hinzu kommt, dass die verantwortlichen Instanzen gerne an den bisherigen wirtschaftlichen Erfolg anknüpfen und Optimierungsbedarf nicht erkennen. Dies kann ein Beratungsprojekt gefährden, da es die Durchsetzung neuer Strategien und Ansätze gegen eingefahrene Systeme erschweren kann. Die Belegschaft eines mittelständischen Unternehmens gehört i. d. R. einer älteren Generation an, die häufig von Veränderungsmüdigkeit geprägt ist. Dies behindert vor allem junge, motivierte Nachwuchskräfte bei der Umsetzung neuer strategischer Maßnahmen.
1.2 Unternehmensziele
Unternehmensziele von Mittelständlern setzen sich aus monetären und vor allem persönlichen Zielen zusammen, sodass neben der Renditemaximierung das Streben nach persönlicher Zufriedenheit und Selbstverwirklichung steht. Entscheidungen werden oft durch eine zentrale Stelle – dem Eigentümer bzw. der Unternehmerfamilie – getroffen. Sie werden häufig intuitiv getroffen und die Hintergründe sind für Außenstehende meist nicht transparent.
1.3 Mangel an strategischer Planungsfähigkeit
Neben traditionellen Wertvorstellungen und Bauchentscheidungen sind geringe finanzielle Ressourcen die Ursache für mangelnde strategische Planungsfähigkeit in mittelständischen Unternehmen. Zeit- und Finanzdruck führen dazu, dass Planung auf kurzfristige Ereignisse und die Lösung konkreter Probleme reduziert wird. Da die Leitung des Unternehmens häufig stark in das Tagesgeschäft eingebunden ist, fehlen Kapazitäten für eine ordentliche Planung. Untersuchungen in diesem Bereich bestätigen dies: Obwohl 75 % der befragten KMU die strategische Planung für „wichtig“ halten, wird sie nur von knapp 50 % der Befragten tatsächlich umgesetzt.
1.4 Flache Hierarchien
Eine weitere Besonderheit mittelständischer Unternehmen sind flache Hierarchien sowie kurze Informations- und Entscheidungswege. Diese werden vor allem durch die geringen personellen Ressourcen sowie die Unternehmensgröße begünstigt. In Bezug auf Veränderungen bedeutet dies, dass mittelständische Unternehmen über eine große Anpassungsfähigkeit verfügen.
1.5 Enge Kunden- und Lieferantenbeziehungen
Durch langjährige Zusammenarbeit und z. T. familiäre Verflechtungen tragen Führungsinstanzen häufig eine ausgeprägte soziale Verantwortung für interne und externe Stakeholder. Somit pflegen Mittelständler häufig enge Kunden- und Lieferantenbeziehungen.
2. Das Business Model Canvas
Im Hinblick auf die vielschichtigen Charakteristika mittelständischer Unternehmen bietet sich die Einbindung des Business Model Canvas an. Insbesondere in der Analysephase eines Beratungsprojekts kann das Geschäftsmodell einfach, schnell und übersichtlich dokumentiert werden. Durch die Strukturierung in einzelne Kernbereiche können Stärken und Schwächen sowie Besonderheiten herausgearbeitet werden. Die ganzheitliche Betrachtung gewährleistet die Fokussierung auf die relevanten Einheiten des Geschäftsmodells. Zudem können Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Bausteinen aufgezeigt und Risikofaktoren identifiziert werden.

Das Business Model Canvas eignet sich als agile Methode, da es jederzeit schnell und einfach angepasst werden kann. Die Erstellung erfordert wenig Zeit und die Darstellung ist leicht lesbar und intuitiv verständlich. Sie liefert alle wichtigen Informationen auf einen Blick und zeigt Zusammenhänge auf. Darüber hinaus kann das Business Model Canvas als Methode die Teamarbeit im gemeinsamen Erarbeitungsprozess fördern.
Nachteilig ist, dass es sich um ein vereinfachtes Modell handelt, dessen Informationstiefe begrenzt ist. Auch ist die Zuordnung bzw. Abgrenzung zwischen den einzelnen Perspektiven nicht immer eindeutig möglich. Zudem berücksichtigt das Business Model Canvas weder Wettbewerber noch Trends, die im Rahmen der Geschäftspolitik und strategischen Ausrichtung wichtige Einflussfaktoren sind.
Die folgende Tabelle fasst die Vor- und Nachteile der Anwendung des Business Model Canvas als Beratungsmethode zusammen.
Vor- und Nachteile der Anwendung des Business Model Canvas als Beratungsmethode | |
Vorteile | Nachteile |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Business Model Canvas als Grundlage für Projektanbahnung und Beratungsprozess Fazit | Die Unternehmen des deutschen Mittelstands stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, scheint Innovationskraft unabdingbar. Aber auch hohe fachliche Expertise in verschiedenen Spezialgebieten, Erfahrung im Change Management sowie verantwortungsvolles und ethisches Handeln sind stark gefragt, um die notwendigen Veränderungen in den Unternehmen umzusetzen. Hier können sich Berater positionieren und die Bedeutung ihrer Beratungsleistungen wird zunehmen. Das Business Model Canvas bietet dabei eine übersichtliche Darstellung des Geschäftsmodells eines mittelständischen Unternehmens und stellt eine detaillierte Diskussionsgrundlage in der Projektanbahnung und im Beratungsprozess dar. Wichtige Handlungsfelder und Ziele können abgeleitet werden und die Übersicht kann als Struktur dienen. |
Zum Autor | Prof. Dr. Markus H. Dahm lehrt und forscht an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Hamburg und ist Organisations- und Strategieberater für digitale Transformation im Mittelstand
AUSGABE: BBP 1/2025, S. 18 · ID: 49986911