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KörperschaftsteuerEinlagenrückgewähr bei vollständiger Vermögensübertragung auf den Anteilseigner

Abo-Inhalt07.01.20256 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

| Das FG Köln hat mit Urteil vom 17.4.24 (2 K 1723/20, nrkr., Abruf-Nr. 244171) zur Einlagenrückgewähr bei vollständiger Vermögensübertragung auf den Anteilseigner entschieden. Hierbei wurde die Klägerin nach französischem Gesellschaftsrecht ohne Liquidation unter Übertragung des gesamten Vermögens auf den Alleingesellschafter abgewickelt. Die Revision ist vor dem BFH (VIII R 16/24) anhängig. |

1. Sachverhalt

Die Klägerin war eine französische Aktiengesellschaft. Alleiniger Gesellschafter war ein Sondervermögen (Immobilienfonds), das durch eine GmbH als Kapitalverwaltungsgesellschaft verwaltet wurde. Anleger des Sondervermögens waren Versicherungen, wobei im Jahr 2018 die Auflösung der Klägerin beschlossen wurde. Eine Liquidation wurde nicht durchgeführt, vielmehr fand eine Auflösung durch vollständige Übertragung des Vermögens auf den Alleingesellschafter statt. Daher beantragte die Klägerin die gesonderte Feststellung einer Einlagenrückgewähr für das Jahr 2018. Bei dem Betrag handele es sich um die Summe aus den Einlagen in das Nennkapital zzgl. weiterer Einlagen zur Gründung der Gesellschaft. Das FA lehnte diesen Antrag ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück, da die Klägerin nach französischem Gesellschaftsrecht ohne Liquidation unter Übertragung des gesamten Vermögens auf ihren Alleingesellschafter abgewickelt worden sei. Ein solcher Fall der Abwicklung durch Gesamtrechtsnachfolge gleiche einer Verschmelzung und stelle daher keine Einlagenrückgewähr dar.

2. Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet (FG Köln 17.4.24, 2 K 1723/20).

2.1 Vermeidung einer Dividendenbesteuerung durch Einlagenrückgewähr

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung einer Einlagenrückgewähr. Infolge der Auflösung der Klägerin ohne Liquidation ging das zuvor durch den Anteilseigner geleistete Nennkapital auf den Anteilseigner über, was zur Vermeidung einer Dividendenbesteuerung die Feststellung einer Einlagenrückgewähr erfordert. Nach § 27 Abs. 8 S. 1 KStG können auch Körperschaften eine Einlagenrückgewähr erbringen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, wenn sie Leistungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG gewähren können.

Eine Einlagenrückgewähr ist gem. § 27 Abs. 8 S. 2 KStG in entsprechender Anwendung der Abs. 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 KStG zu ermitteln. Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird gem. § 27 Abs. 8 S. 3 KStG auf Antrag der Körperschaft für das jeweilige Wirtschaftsjahr gesondert festgestellt. Hierbei ordnet § 27 Abs. 8 S. 9 KStG an, dass soweit für Leistungen oder Nennkapitalrückzahlungen eine Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt worden ist, diese als Gewinnausschüttung gelten, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG führen.

Nach § 29 Abs. 1 KStG gilt in den Umwandlungsfällen i. S. v. § 1 UmwG das Nennkapital der übertragenden Kapitalgesellschaft in vollem Umfang nach § 28 Abs. 2 KStG als herabgesetzt. § 1 Abs. 1 UmwG bestimmt, dass Rechtsträger mit Sitz im Inland durch Verschmelzung (Nr. 1) oder durch Vermögensübertragung (Nr. 3) umgewandelt werden können. Nach § 29 Abs. 2 KStG ist in den Fällen des Übergangs des Vermögens einer Kapitalgesellschaft durch Verschmelzung nach § 2 UmwG auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft der Bestand des steuerlichen Einlagekontos dem steuerlichen Einlagekonto der übernehmenden Körperschaft hinzuzurechnen. Nach § 29 Abs. 5 KStG gelten die vorstehenden Absätze sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften, die Leistungen nach § 20 Abs. 1, 9 und 10 EStG gewähren können.

Im Streitfall ist das Vermögen der Klägerin auf eine deutsche Vermögensmasse übergegangen. Vermögensmassen sind nach § 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig und somit steuerrechtsfähig. Zivilrechtlich können gem. § 2 Nr. 1 UmwG Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung verschmolzen werden im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers auf einen anderen bestehenden Rechtsträger. Die deutsche Vermögensmasse ist danach kein zivilrechtlich tauglicher Rechtsträger im Rahmen einer Verschmelzung, sodass in der Auflösung der Klägerin ohne Liquidation jedenfalls keine Vollausschüttung des Nennkapitals nach § 29 Abs. 1 KStG gesehen werden kann. Nach § 28 Abs. 2 KStG ist im Fall der Auflösung einer Körperschaft zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zu mindern. Ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist. Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, als Gewinnausschüttung. Im Übrigen führt die Rückzahlung des Nennkapitals zu einer Einlagenrückgewähr (vgl. Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 28 Rn. 74).

2.2 Vermögensübertragung auf den Anteilseigner nach französischer Jurisdiktion

Die dem deutschen Recht unbekannte Auflösung einer Gesellschaft ohne Liquidation bei gleichzeitiger Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände auf den Gesellschafter macht die Feststellung einer Einlagenrückgewähr erforderlich. Das deutsche Recht sieht in einer Verschmelzung eine Gesamtrechtsnachfolge (BFH 14.3.12, I R 13/11, BFH/NV 12, 1271). Die Voraussetzungen für eine Verschmelzung liegen im Streitfall aus den genannten Gründen nicht vor. Fest steht jedoch auch, dass die ursprünglich der Klägerin zuzurechnenden Wirtschaftsgüter nunmehr dem Anteilseigner zuzurechnen sind und dass hierzu auch die in das Nennkapital geleisteten Einlagen zählen. Der Übergang dieses Nennkapitals führt – entgegen der Auffassung des FA – zu einem Zufluss beim Anteilseigner, der aufgrund der ausdrücklichen Fiktion in § 27 Abs. 8 S. 9 KStG zu einer Dividendenbesteuerung des Nennkapitals führt. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, ist die Feststellung einer Einlagenrückgewähr. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung. Letztlich müssen sämtliche Aktiva und Passiva bei dem Anteilseigner bilanziert werden. Inwieweit es im Ergebnis infolge der Gesamtrechtsnachfolge und der damit einhergehenden fehlenden Aufdeckung etwaig bestehender stiller Reserven beim Gesellschafter nur zu einem gewinnneutralen Tausch gekommen sein könnte, indem die Beteiligung aus- und die übernommenen Wirtschaftsgüter eingebucht wurden, kann nicht beurteilt werden, weil die Besteuerung des Anteilseigners nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Nach den insoweit unwidersprochenen Ausführungen der Klägerin ist es aber jedenfalls auf der Ebene des Anteilseigners (bzw. der verwaltenden Gesellschaft) zu einer Besteuerung im Umfang des erbrachten Nennkapitals gekommen.

3. Relevanz für die Praxis

Bereits durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG, BGBl I 06, 2782) vom 7.12.06 wurde für Körperschaften oder Personenvereinigungen, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, die Möglichkeit eröffnet, nachzuweisen, dass eine Zahlung an den Anteilseigner als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Nennkapitalrückzahlungen, die von Körperschaften oder Personenvereinigungen erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, werden somit von § 27 Abs. 8 KStG erfasst. Wurde hierbei kein Antrag auf gesonderte Feststellung für die Nennkapitalrückzahlung gestellt, ist § 27 Abs. 8 S. 9 KStG zu beachten (BMF 4.4.16, IV C 2 - S 2836/08/10002, BStBl I 16, 468).

Die Regelung des § 28 Abs. 8 S. 9 KStG ordnet insoweit im Wege einer Fiktion an, dass Leistungen oder Nennkapitalrückzahlungen, für die keine gesonderte Feststellung der Einlagenrückgewähr erfolgt, als Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG gelten. Hierdurch schneidet der Gesetzgeber den Anteilseignern den individuellen Nachweis für das Vorliegen einer Einlagenrückgewähr ab. Die Anteilseigner einer ausländischen Körperschaft oder Personenvereinigung mögen somit schlechter als diejenigen einer inländischen Beteiligung gestellt sein, weil eine gesonderte Feststellung nur auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung erfolgt. Die Anteilseigner können die Feststellung nicht selbst beantragen. Demgegenüber erfolgt bei inländischen Beteiligungen stets eine gesonderte Feststellung (BFH 4.5.21, VIII R 14/20, Abruf-Nr. 225182; Brandis/Heuermann, KStG, § 27 Rn. 90, m. w. N.).

Die Voraussetzungen für eine Verschmelzung lagen im Streitfall jedoch nicht vor. Die einzige Möglichkeit, eine Dividendenbesteuerung im Streitfall zu verhindern, ist somit die Feststellung einer Einlagenrückgewähr. Vor diesem Hintergrund hatte die Klägerin einen Anspruch auf eine entsprechende Feststellung. Der BFH wird hierzu abschließend entscheiden müssen (Rev. BFH VIII R 16/24).

AUSGABE: BBP 1/2025, S. 15 · ID: 50131975

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