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StrafverfahrensrechtDeshalb sollten Anwälte Psychosoziale Prozessbegleitung kennen

Abo-Inhalt01.07.20224652 Min. LesedauerVon Christian Noe B. A., Göttingen

| Seit 2017 gibt es die Psychosoziale Prozessbegleitung nach § 406g StPO und dem Gesetz über die Psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG). Mit diesem Instrument sollen Opfer von Gewalttaten unterstützt werden, die vor Gericht aussagen. Wie Anwälte davon profitieren und wichtige Hinweise bekommen können, zeigt der Beitrag. |

1. So funktioniert Psychosoziale Prozessbegleitung

Der Begriff der Psychosozialen Prozessbegleitung (PP) nach § 406g StPO ist häufig mit Vorurteilen und Unkenntnis verknüpft. Selbst Anwälte, die das Instrument kennen, wissen oft nicht, wie weit und tiefgehend diese Begleitung zum Verfahren gehört. Die folgende Grafik zeigt Abläufe und Mechanismen, wie Mandanten unterstützt werden können.

AK-xx.2022_Grafik_Lotse in der Not Wichtige Fakten.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

2. Interview mit RA Steffen Hörning vom Weißen Ring

Der Weiße Ring e.V. (https://weisser-ring.de) unterstützt Opfer von Kriminalität und Gewalt, hilft in Krisensituationen und hält ein breites Angebot für Betroffene bereit. Steffen Hörning ist Rechtsanwalt und Landesvorsitzender der Organisation. Im Interview schildert er die Psychosoziale Prozessbegleitung aus Anwaltssicht.

Frage: Wie profitieren Anwälte von dem noch jungen Instrument?

Antwort: Der Opferanwalt kann sich vornehmlich auf die juristischen Aspekte eines Verfahrens konzentrieren und läuft nicht Gefahr, in Situationen, die seine Mandanten belasten, nicht sensibel genug auf deren Befindlichkeiten zu reagieren. So hat der Anwalt das beruhigende Gefühl, zu wissen, dass diese Momente von professionellen Begleitern aufgefangen werden können.

Frage: Könnten Sie das an einem typischen Beispiel zeigen?

Antwort: Wenn ein Opferanwalt die Nebenklage zielgerichtet führen soll, ist es oft nötig, sich strafprozessual vehement insbesondere gegen die Verteidigung zur Wehr zu setzen. In solchen Momenten ist es kaum möglich, sich auch noch angemessen um die menschlichen Belange und persönlichen Befindlichkeiten der Opfer zu kümmern. Psychosoziale Prozessbegleitung beugt hier dem schlechten Gewissen vor, sich nicht ausreichend um die Sorgen und Nöte der eigenen Mandanten gekümmert zu haben. Diese wiederum sind am Ende eines Verfahrens erfahrungsgemäß dankbar dafür, dass der Anwalt erfolgreich seinen Job machen konnte, während sie sich selbst dank der Begleitung in einem einigermaßen geschützten Raum aufhalten konnten.

Frage: Was empfehlen Sie Anwälten, die Mandanten gezielt auf dieses Angebot der Psychosozialen Prozessbegleitung hinweisen möchten?

Antwort: Machen Sie sich mit § 406g StPO vertraut. Es gibt auch Informationsmaterial zur Prozessbegleitung in verschiedenen Sprachen, darunter Poster und Flyer, die in Kanzleien ausgelegt werden können. Dann rate ich jedenfalls in nahezu allen Sexualstraftaten und bei Gewaltdelikten dazu, schnellstmöglich den Kontakt zu Begleitern herzustellen. So kann schon deutlich vor Prozessbeginn eine persönliche Bindung zu der Begleitung entstehen. Es nützt insbesondere traumatisierten Opfern wenig, erst am Tag des Prozesses eine fremde Person an die Seite gestellt zu bekommen. Voraussetzung ist stets, dass den Mandanten zuvor Sinn und Mehrwert der Prozessbegleitung erläutert wird. Das Opfer muss allein entscheiden, ob es dies als nützlich ansieht. Aufgezwungene Hilfe erweist sich nämlich oft als kontraproduktiv.

Frage: Sehen Sie Probleme, wo der Gesetzgeber noch nachbessern sollte?

Antwort: Ich persönlich halte die Psychosoziale Prozessbegleitung für ein sehr nützliches Instrument, um Opfer so schonend wie möglich durch einen häufig belastenden Strafprozess zu führen. Verbesserungswürdig ist in erster Linie der Bekanntheitsgrad, am Gesetz selber gibt es m. E. nichts auszusetzen.

Weiterführende Hinweise

AUSGABE: AK 7/2022, S. 117 · ID: 48163314

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