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SozialversicherungVerpflichtendes elektronisches A1-Verfahren für Auslandsreisen des Anwalts

Abo-Inhalt25.01.20221446 Min. LesedauerVon RA Martin W. Huff, Huff & Speisebecher, Singen, Geschäftsführer RAK Köln

| Für jede noch so kurzfristige Tätigkeit in den EU-Staaten und in den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz ist die sog. A1-Bescheinigung auch für deutsche Rechtsanwälte zwingend. Dies ist besonders ärgerlich und mit Aufwand verbunden, wenn der Anwalt „mal eben“ an einem Gerichts- oder Mandantentermin oder an einer Tagung teilnimmt und dafür z. B. nur von Aachen ins belgische Lüttich oder von Konstanz ins schweizerische Kreuzlingen fährt. Seit dem 1.1.22 gibt es gewisse Erleichterungen für selbstständige Rechtsanwälte im Rahmen eines digitalisierten Verfahrens. Hier ein Überblick über die aktuellen Regelungen: |

1. Dazu dient die A1-Bescheinigung

Die A1-Bescheinigung soll Sozialversicherungsbetrug vorbeugen (wie auch immer ein solcher bei einem Rechtsanwalt aussehen soll ...). Das A1-Formular bescheinigt gegenüber den ausländischen Sozialbehörden, welches Sozialsystem für einen Versicherten zuständig ist. Mit der A1-Bescheinigung wird also die Sozialversicherungspflicht in Deutschland nachgewiesen; eine Anmeldung bei der Sozialversicherung des ausländischen Staates entfällt.

Die A1-Regelung gilt für angestellte Mitarbeiter und selbstständige Rechtsanwälte, also auch für die Partner einer Rechtsanwaltskanzlei. Bisher ist es noch nicht gelungen, hier eine sinnvolle Ausnahmeregelung für anwaltliche, kurzfristige Tätigkeiten oder andere verkammerte Freiberufler zu erhalten. Es reicht nicht aus, wenn ein Rechtsanwalt bei einer Kontrolle seinen Anwaltsausweis vorzeigen würde, der durch das CCBE-Siegel in der Europäischen Union gilt, obwohl sich damit sehr schnell klären ließe, ob und wie sozialversicherungspflichtig der Anwalt in seinem Heimatland ist. (Europäische) Dienstleistungsfreiheit meint eigentlich etwas anderes. Und jeder Anwalt muss sich fragen, ob er nicht vielleicht privat im Ausland unterwegs ist, wenn er an einer Konferenz teilnimmt.

2. Für selbstständige Anwälte gibt es jetzt Erleichterungen

Zum 1.1.22 hat sich insofern eine wesentliche Erleichterung für selbstständige Rechtsanwälte ergeben. Für Rechtsanwälte, die sich nicht in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, ist das Verfahren jetzt digitalisiert. Das heißt:

Die bisherige Antragstellung mit Papiervordrucken ist durch das elektronische Verfahren vollständig abgelöst. Der Antrag kann künftig nur noch über das Portal „sv.net“ gestellt werden (https://standard.gkvnet-ag.de/svnet/). Die Verfahrensumstellung geht zurück auf das siebte SGB-IV-Änderungsgesetz vom 12.6.20, das mit § 106a SGB IV die entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen hat. Mit der Ausweitung des elektronischen Antrags- und Bescheinigungsverfahrens auf Selbstständige sollen die Prozesse vereinfacht und beschleunigt werden.

3. Für Angestellte wird über das Lohnprogramm beantragt

Für den Arbeitgeber von angestellten Rechtsanwälten sowie von Syndikusrechtsanwälten ist bereits seit dem 1.1.19 das elektronische Verfahren obligatorisch. Hier muss der Arbeitgeber die A1-Bescheinigung für den Arbeitnehmer über ein zertifiziertes Lohnprogramm elektronisch oder mittels einer maschinell erstellten Ausfüllhilfe beim zuständigen Träger beantragen. Dieser prüft, ob die Voraussetzungen für die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften vorliegen.

4. Diese Stellen bearbeiten Ihren Antrag

Die Anträge werden – je nach persönlicher Situation – bearbeitet von

  • der gesetzlichen Krankenkasse, bei der die Person versichert ist, unabhängig davon, ob bei dieser Krankenkasse eine Pflicht-, eine freiwillige oder eine Familienversicherung besteht,
  • dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV Bund, DRV Knappschaft-Bahn-See oder dem zuständigen Regionalträger der DRV), sofern die Person privat krankenversichert und nicht berufsständisch versorgt ist, oder
  • der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. (ABV), sofern die Person privat krankenversichert und Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist.

Dabei wird der elektronisch gestellte Antrag automatisch an die zuständige Stelle weitergeleitet.

5. Dann müssen Sie den Antrag stellen

Für jeden Auslandsaufenthalt muss ein neuer Antrag gestellt werden. Die A1-Bescheinigung wird für Entsendungen von bis zu 24 Monaten ausgestellt. Sammelbescheinigungen gibt es nur, wenn der Reisende absehbar über einen Zeitraum von einem Jahr regelmäßig (mindestens zweimal im Monat oder fünfmal im Quartal) in EU- bzw. EFTA-Staaten reist.

Beachten Sie | Im Ausland tätige Rechtsanwälte müssen die elektronisch übermittelte A1-Bescheinigung ausdrucken und bei der Ausreise mitführen. Sollte die Bescheinigung nicht rechtzeitig erteilt werden (die Bearbeitung dauert ein paar Tage!), sollten sie den Antrag als Nachweis in Papierform mitnehmen.

Haben betroffene Anwälte die A1-Bescheinigung auf einer Geschäftsreise im EU-/EFTA-Ausland nicht dabei, droht nicht nur Bußgeld. Die Sozialversicherungsbeiträge können nach dem Recht des Aufenthaltslandes sofort eingezogen werden. Wie dies allerdings praktisch aussehen soll, kann niemand beantworten.

AUSGABE: AK 2/2022, S. 33 · ID: 47904283

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