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GesetzgebungBarrierefreiheit in der Apotheke – neue rechtliche Vorgaben

Top-BeitragAbo-Inhalt20.01.20252044 Min. LesedauerVon Dr. jur. Bettina Mecking und Dr. jur. Daniel Skiebe, Düsseldorf

| Am 28.06.2025 tritt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das BFSG wird perspektivisch auch Auswirkungen auf Apotheken haben – sowohl vor Ort bei der Kartenzahlung als auch bei digitalen Services. Grundsätzlich treffen Apotheker besondere Pflichten dahin gehend, Arzneimittel und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Grund genug, die Barrierefreiheit in der Apotheke aus rechtlicher Sicht zu beleuchten. |

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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in der Apotheke

Das BFSG ist die Umsetzung des European Disability Acts (Richtlinie [EU] 2019/882) in deutsches Recht. Das Gesetz soll im Interesse der Verbraucher und Nutzer die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen gewährleisten, um das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu stärken und der Harmonisierung des Binnenmarkts Rechnung zu tragen. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 BFSG sind daher Produkte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen ohne eine Anpassung oder die Unterstützung durch Dritte zugänglich und nutzbar sind. Das BFSG betrifft Apotheken, soweit sie Kartenzahlungen abwickeln oder Produkte und Dienstleistungen online anbieten:

  • Apotheken sind „Händler“ und „Dienstleister“ i. S. d. BFSG und als solche grundsätzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet.
  • Selbstbedienungsterminals, zu denen auch Kartenlesegeräte gehören, müssen mit Sprachausgabe ausgestattet sein (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz [BFSGV]), die auch den Anschluss eines Kopfhörers erlaubt. Weiterhin müssen Kartenleseterminals Informationen über die Aktivierung der Barrierefreiheitsfunktionen über mehr als einen sensorischen Kanal bereitstellen, um dem Verbraucher die Nutzung der Barrierefreiheitsfunktionen zu ermöglichen (§ 7 Abs. 2 BFSGV).
  • Beachten Sie | Derzeit sind, soweit ersichtlich, noch keine BFSG-konformen Zahlungsterminals auf dem Markt. Für Selbstbedienungsterminals, die bereits vor dem 28.06.2025 eingesetzt wurden, gilt eine Übergangsfrist bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, längstens jedoch für 15 Jahre nach der Inbetriebnahme (§ 38 Abs. 2 BFSG).
  • Webseiten, die die Möglichkeit zum Vertragsabschluss bieten, also Onlineshops und Marktplätze, müssen für Bilder und Grafiken eine alternative Darstellung (Alternativtext) anbieten.

Für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme von höchstens 2 Mio. Euro gelten die Pflichten des BFSG jedoch nicht. Das bedeutet, dass das BFSG in der Praxis nur einen bestimmten Kreis von Apotheken spürbar einschränken wird.

Barrierefreiheit als Auftrag

Der pharmazeutische Versorgungsauftrag der Apotheken aus § 1 Apothekengesetz (ApoG) ist ganzheitlich und schließt insbesondere Patienten mit Sinnesbeeinträchtigungen ein. Daher ist es nicht verwunderlich, dass für Apotheken spezialgesetzliche Regelungen gelten, die den barrierefreien Zugang zu Arzneimitteln und pharmazeutischen Dienstleistungen sicherstellen. Die Apotheken sind damit zur Barrierefreiheit verpflichtet – und das nicht nur digital. Die Anforderungen an die Barrierefreiheit beziehen sich ganz praktisch auf die Kommunikation, den Zugang zur Offizin und die Anwendungshinweise von Arzneimitteln.

Der barrierefreie Zugang zur Apotheke

Gemäß § 4 Abs. 2a Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) soll die Offizin barrierefrei erreichbar sein. Dies erfordert grundsätzlich einen von Stufen, Schwellen und anderen Hindernissen vollständig freien Zugang, damit auch Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, selbstständig und ohne fremde Hilfe in die Offizin gelangen können. Die Anforderungen an die barrierefreie Erreichbarkeit der Offizin können aus dem Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG, § 4) abgeleitet werden, wie das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf in einem Urteil vom 20.05.2020 (Az. 16 K 7633/18, AH 10/2020, Seite 18) festgestellt hat. Diesem Urteil zufolge kann bei einer Stufe von 5 cm Höhe nicht mehr von einer Barrierefreiheit ausgegangen werden.

Allerdings steht den für die Betriebserlaubnis zuständigen Gesundheitsbehörden bei der Umsetzung des § 4 Abs. 2a ApoBetrO ein Ermessensspielraum zu. Die ApoBetrO räumt den Belangen von Menschen mit Behinderungen einen hohen Stellenwert ein. Diese sind im Rahmen der Ermessensentscheidung mit den widerstreitenden Interessen des Apothekeninhabers abzuwägen. Dabei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob ein barrierefreier Zugang bautechnisch und rechtlich – vor allem in bau- und denkmalschutzrechtlicher Hinsicht – möglich ist und ob die Barrierefreiheit in wirtschaftlich zumutbarer Weise hergestellt werden kann. Darüber hinaus kann im Einzelfall relevant sein, ob sich eine barrierefrei zugängliche Apotheke in unmittelbarer Nähe befindet oder ein Zugang zumindest unter Mitwirkung des Apothekenpersonals möglich ist. Angemessen sind die Aufwendungen für die Herstellung der Barrierefreiheit jedenfalls dann, wenn sie dem Drei- bis Vierfachen der monatlichen Pacht entsprechen (VG Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2020, Rn. 58).

Innerhalb der Offizin muss der Weg zum Arzneimittelabgabe- und Beratungsbereich im Regelfall ebenfalls barrierefrei, d. h. auch von Rollstuhlfahrern ohne fremde Hilfe zu bewältigen sein (VG Würzburg, Urteil vom 10.12.2014, Az. W 6 K 13.405, AH 04/2015, Seite 18). Dies setzt insbesondere ausreichend breite Gänge voraus.

Praxistipp | In der Praxis wird der Barrierefreiheit bei der Übergabe von Apotheken von den zuständigen Erlaubnisbehörden regelmäßig eine hohe Bedeutung beigemessen. Sofern die Apotheke nicht barrierefrei zugänglich ist, empfiehlt es sich, bei der Übergabe substanziiert darzulegen, warum die Barrierefreiheit nicht mit vertretbarem Aufwand hergestellt werden kann. Dies kann sowohl aus finanziellen als auch aus zwingenden rechtlichen Gründen (z. B. Baurecht, Denkmalschutzrecht) der Fall sein.

Gebrauchsinformation 4.0 – der digitale Beipackzettel

Die wohl bedeutendste „Barriere“ in der Arzneimittelversorgung stellt mancherorts jedoch die Gebrauchsinformation für Arzneimittel nach § 11 Arzneimittelgesetz (AMG) dar und betrifft Apotheker daher nur indirekt. Demnach müssen Beipackzettel in gut lesbarer Schrift gedruckt sein. Ebenso hat der Inhaber der arzneimittelrechtlichen Zulassung gemäß § 11 Abs. 3a AMG dafür zu sorgen, dass die Packungsbeilage in Formaten verfügbar ist, die für blinde und sehbehinderte Personen geeignet sind, sofern Patientenorganisationen dies verlangen. Diese Pflicht erfüllen viele Arzneimittelhersteller, indem sie den Beipackzettel auf Seiten wie patienteninfo-service.de in digitaler Form und in Großdruck bereitstellen, wobei längst nicht alle Präparate auf diese Art abrufbar sind.

Beachten Sie | Aus Sicht der Barrierefreiheit ist die derzeitige Regelung des § 11 Abs. 3a AMG, die auf die Aktivierung durch Verbände setzt, unbefriedigend. Da es nicht für alle Arzneimittel barrierefreie Gebrauchsinformationen gibt, wird die Barrierefreiheit von Zahlungsterminals durch die Umsetzung des BFSG wahrscheinlich eher erreicht als die Barrierefreiheit von Arzneimitteln. Möglicherweise ist die Verpflichtung zu barrierefreien Gebrauchsinformationen aber auch deshalb noch nicht gesetzlich geregelt, weil der digitale Beipackzettel als überspannendes Projekt noch in der EU diskutiert wird.

Das BFSG wird auf Arzneimittel keine Anwendung finden. Es würde auch eine erhebliche Umstellung für Arzneimittelhersteller bedeuten, die Packungsbeilagen an die Anforderungen des BFSG anzupassen. Denn diese müssten „in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden“, um auch von sehbehinderten Patienten gelesen werden zu können. Darüber hinaus fordert das BFSG verpflichtend die Bereitstellung von Gebrauchsinformationen über einen weiteren sensorischen Kanal, also vermutlich akustisch.

Merke | Ein für Arzneimittelhersteller verpflichtender digitaler Beipackzettel könnte einen großen Schritt in Richtung einer barrierefreien Arzneimittelversorgung darstellen – nicht nur, weil durch die Vertonung des Beipackzettels ein sowohl für Sehbehinderte als auch für Analphabeten zugänglicher Kanal eröffnet wird, sondern auch, weil der Beipackzettel dann in verschiedenen Sprachen verfügbar gemacht werden könnte. Der physische Beipackzettel muss jedoch beibehalten werden, da sonst für Personen ohne digitale Kompetenz oder in Situationen ohne Internetzugang eine große Barriere geschaffen würde.

AUSGABE: AH 2/2025, S. 12 · ID: 50276750

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