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NylonprothesenSo rechnen Sie eine Valplast-Interimsprothese ab

Abo-Inhalt05.03.20252293 Min. LesedauerVon Dental-Betriebswirtin Birgit Sayn, ZMV

| Metallfreie flexible Interimsprothesen bestehen aus einem Polyamid- bzw. Nylonmaterial, wie zum Beispiel Valplast und Sunflexprothesen. Lange Zeit wurde diese Prothese grundsätzlich als gleich- oder andersartige Versorgung eingestuft. Am 28.11.2024 teilte die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Saarland per Rundschreiben mit, dass die Versorgung mit einer Valplast-Interimsprothese für die Versorgung von gesetzlich Versicherten generell festzuschussfähig ist. Die KZV stützt sich dabei auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 22.04.2021 (Az. L 6 KR 48/17). Nach einer Zusammenfassung des Urteils veranschaulicht dieser Beitrag die Abrechnung einer Valplast-Interimsprothese an einem Beispiel. |

LSG Sachsen-Anhalt: „Valplast ist keine NUB!“

In seinem Urteil vom 22.04.2021 hat das LSG Sachsen-Anhalt die Rechtsgrundlage für die markante Änderung in der Abrechnung von Valplast-Prothesen geschaffen. Kernaussage des Urteils: „Für die Versorgung mit einer Valplast-Interimsprothese ist die Befundklasse 5.1 Festzuschuss-Richtlinie einschlägig. Es handelt sich insoweit um keine neue, eigenständig zu bewertende Behandlungsmethode.“ Die Bewertung neuer Behandlungsmethoden (NUB) ist in § 135 Sozialgesetzbuch (SGB) V geregelt. Demnach dürfen NUB in der vertragszahnärztlichen Versorgung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Empfehlungen in Form von Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V abgegeben hat (siehe AAZ 07/2023, Seite 9 f.).

Sachverhalt: Krankenkasse lehnt Festzuschuss ab, Patient klagt erfolgreich

Ein gesetzlich versicherter Patient reichte bei seiner Krankenkasse einen Therapieplan für eine Interimsprothese zum Ersatz der Zähne 36 und 37 ein. Es handelte sich um eine Valplastprothese (bestehend aus thermoplastischem Nylonmaterial ohne Verwendung von Metallklammern) zum temporären Verbleib. Die Krankenkasse lehnt einen Festzuschuss mit der Begründung ab, es handle sich gegenwärtig nicht um eine gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannte Behandlungsmethode. Der Widerspruch des Patienten wurde von der Krankenkasse als unbegründet zurückgewiesen.

Daraufhin klagte der Patient vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau. Seiner Auffassung nach gehe es nicht um eine neue Behandlungsmethode. Der Unterschied zur klassischen Klammerprothese sei lediglich der Verzicht auf die Verwendung metallischer Zahnbefestigungsklammern. Im Rahmen einer etablierten Behandlung komme nur ein anderer Werkstoff zum Einsatz.

Merke | In ihrer Stellungnahme führte die behandelnde Zahnärztin aus, dass die beantragte Behandlung seit einigen Jahren anerkannt ist und nach der Befundgruppe 5 von allen ihr bekannten Krankenkassen problemlos bezuschusst wird.

Das SG Dessau-Roßlau gab dem Patienten recht. Gegen das Urteil legte die beklagte Krankenkasse Berufung zum LSG Sachsen-Anhalt ein. Das LSG bestätigte das Urteil der Vorinstanz und sprach dem Patienten die geplanten Festzuschüsse zu.

Darum sah das LSG eine Valplast-Prothese als festzuschussfähig an

Zur Definition einer neuen Behandlungsmethode äußerte sich das Gericht folgendermaßen:

Auszug aus der Urteilsbegründung

24 „Um ‚neu‘ zu sein, muss sich die Methode von bereits zugelassenen Behandlungen so deutlich unterscheiden, dass eine selbstständige Bewertung durch den G-BA nach § 135 Abs. 1 SGB V erforderlich ist. Dieses Bewertungserfordernis dient zur Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten nicht ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertrags(zahn)-ärztlichen Versorgung angewandt werden. Im Hinblick auf § 12 Abs. 1 SGB V darf die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 6/16 R - a. a. O.). ...

25 Gemessen hieran weist der Einsatz der partiellen Valplast-Interimsprothese beim Kläger im Vergleich zur Verwendung einer Kunststoffdrahtklammerprothese keine derartigen Unterschiede auf, die eine selbstständige Bewertung durch den G-BA erforderlich machen. Es handelt sich insoweit um keine eigenständige Behandlungsmethode, die neu i. S. v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist. Das Anwendungsgebiet einer Valplast-Interimsprothese ist mit demjenigen einer anderen ebenfalls aus Prothesenkunststoff gefertigten Teilprothese identisch. Bei unveränderter Methode (Verwendung einer Teilprothese zur Interimsversorgung) wird nur bei den Klammerarmen statt Draht ebenso wie für die Basis Nylon verwendet. ... Der Behandlung liegt das gleiche theoretische Konzept zugrunde wie beim Einsatz von Kunststoffdrahtklammerprothesen.

27 …Die Versorgung mit einer partiellen Valplast-Interimsprothese birgt für den Kläger auch keine erkennbaren gesundheitlichen Gefahren. Zwar mag mit ihr das technische „Risiko“ einhergehen, nur bedingt unterfütterungsfähig und schwierig erweiterbar zu sein. Andererseits besitzt sie gegenüber klassischen Kunststoffdrahtklammerprothesen aber nicht nur ästhetische Vorteile, sondern ist im Unterschied zu diesen auch nahezu unzerbrechlich. Darüber hinaus weist sie kein kontaktallergisches Potential auf … Gerade auch letzteres kann nach Abschn. C. Ziff. 14 Zahnersatz-Richtlinie ein gewichtiger Aspekt bei der individuellen Prothesenauswahl sein. … Die Verwendung einer Valplast-Interimsprothese lässt sich auch ohne weiteres den etablierten Befundklassen und Leistungsziffern zuordnen. Insbesondere ist die Verwendung einer Teilprothese als Interimsersatz Bestandteil des BEMA.

30 … Die zahnärztliche Regelversorgung beinhaltet hierfür eine partielle Prothese nach Nr. 96a BEMA nebst Halte- und Stützvorrichtungen nach Nr. 98f BEMA, die gemäß Abschn. D III. Ziff. 27 Zahnersatz-Richtlinie ebenfalls zum Zahnersatz gehören. Die Allgemeinen Bestimmungen Teil 5, Nrn. 96 a) und 98f BEMA sehen insoweit die Verwendung doppelarmiger Halte- oder einfacher Stützvorrichtungen oder mehrarmiger gebogener Halte- und Stützvorrichtungen vor. … Als zahntechnische Regelversorgung wird für die Befundklasse 5.1 auf Nr. 203 1 („zweiarmige gegossene Haltevorrichtung“) bzw. 381 0 („sonstige gebogene Halte- und/oder Stützvorrichtung“) BEL II-2014 verwiesen.

Folgerungen aus dem Urteil für die Abrechnung von Valplast-Interimsprothesen

Aus dem o. g. Urteil ergeben sich für die Abrechnung von Valplast-Interimsprothesen mehrere Schlussfolgerungen, die Weich- und Sonderkunstoff als Werkstoff sowie die Prothesenklammern betreffen.

Weich- und Sonderkunststoff

Die Bewertung von einem Zuschlag für die Verarbeitung von Weichkunststoff nach der BEL-Nr. 382 1 oder für die Verarbeitung von Sonderkunststoff nach der BEL-Nr. 382 2 ist jedoch nicht ansatzfähig, da diese Leistungsziffern bei der Befundklasse 5 nicht hinterlegt sind. Die Festzuschussrichtlinien sind an dieser Stelle durch Hinterlegung der L-Nrn. 382 1 und 382 2 bei den Befunden 5 - Lückengebiss nach Zahnverlust in Fällen, in denen eine endgültige Versorgung nicht sofort möglich ist – zu überarbeiten, was bis heute jedoch nicht erfolgte. Das Festzuschusskompendium „Schwere Kost für leichteres Arbeiten“ (online unter iww.de/s6871) zeigt in einer Übersicht ab Kapitel 11-25 die Befunde 5.1–5.4 auf. Dort sind alle BEMA- und BEL-Leistungen für eine Interimsprothese als Regelversorgung gelistet. Die BEL-Nrn. 382 1 und 382 2 sind jedoch in der Auflistung nicht enthalten.

Prothesenklammern

Orientiert man sich an dem Urteil, so ist die Interimsprothese aus Valplast je nach Befundsituation nach den BEMA-Nrn. 96a, 96b oder 96c (Ersatz von einem bis mehr als acht Zähnen) abzurechnen. Die Verwendung doppelarmiger Halte- oder einfacher Stützvorrichtungen oder mehrarmiger gebogener Halte- und Stützvorrichtungen zu den Bewertungszahlen nach Nr. 96 zusätzlich je Prothese ist nur bei Interimsversorgung nach der BEMA-Nr. 98f ansatzfähig.

Herkömmlich gebogene Klammern sind zwar aus einem speziellen Draht hergestellt, allerdings lasse sich laut Gericht allein deshalb auf keine neue Behandlungsmethode schließen. Das Gericht zählt zahnfleischfarbene Klammerarme metallfreier Interimsprothesen als Doppelarmklammern nach der BEL-Nr. 381 0.

Abrechnungsbeispiel

Eine 52-jährige Patientin wird mit einer Interimsprothese aus Nylon mit Doppelarmklammern an den Zähnen 23 und 25 für den Ersatz von Zahn 24 versorgt. Eine Allergie auf Prothesenkunststoff besteht nicht. Ansatzfähig sind der Festzuschuss 5.1 sowie die BEMA-Nrn. 96a und 98f (jeweils 1 x).

Zahntechnische Leistungen in der Regelversorgung

Im Rahmen einer Regelversorgung wären z. B. folgende zahntechnische Leistungen abrechenbar:

Nr.

Menge

Bezeichnung

001 0

2

Modell

012 0

1

Einstellen in Mittelwertartikulator

301 0

1

Aufstellung Grundeinheit, je Kiefer

302 0

1

Aufstellung auf Wachsbasis, je Zahn

381 0

2

Doppelarmklammer

361 0

1

Fertigstellung einer Prothese, Grundeinheit, je Kiefer

362 0

1

Fertigstellung einer Prothese, je Zahn

1

Konfektionszahn Seite

Wie es um die zahntechnische Berechnung des Nylonmaterials aussieht, ist noch nicht abschließend geklärt. In allen Bundesländern, die diesbezüglich noch keine Mitteilung über eine geänderte Abrechnungsweise durch die KZV oder eine leistungsrechtliche Entscheidung von einer Krankenkasse erfahren haben, wird die Valplast-Prothese weiterhin als gleich- oder andersartige Versorgung betrachtet.

Zahntechnische Leistungen in der gleichartigen Versorgung

Im Rahmen einer gleichartigen Versorgung sind derzeit z. B. folgende zahntechnischen Leistungen nach BEL und BEB abrechenbar:

Nr.

Menge

Bezeichnung

001 0

2

Modell

012 0

1

Einstellen in Mittelwertartikulator

6001

1

Aufstellung Grundeinheit, je Kiefer

6002

1

Aufstellung auf Wachsbasis, je Zahn

4110

2

Doppelarmklammer

6301

1

Fertigstellung einer Prothese, Grundeinheit, je Kiefer

6302

1

Fertigstellung einer Prothese, je Zahn

6412

1

Sonderkunststoff verarbeiten

933 0

2

Versandkosten

1

Konfektionszahn Seite

1

Sonderkunststoff

Abrechnung von Valplast-Prothesen bleibt unklar

Valplast-Prothesen werden – nach wie vor – als gleich- oder andersartige Versorgungsform gesehen und in der Regel von der Krankenkasse nach den Befunden 5.1 bis 5.3 bewilligt. Beachten Sie die Rundschreiben Ihrer KZV oder binden Sie bei diesbezüglichen Unstimmigkeiten mit einer gesetzlichen Krankenkasse Ihre KZV mit ein.

Weiterführende Hinweise
  • So vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – ein Abrechnungsbeispiel (AAZ 03/2024, Seite 9 ff.)
  • So vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – dies sind die Vorgaben des G-BA (AAZ 02/2024, Seite 10 ff.)
  • Wie ist metallfreier Zahnersatz (z. B. Valplast, Flexistrong oder PEEK) nach GOZ abzurechnen? (AAZ 09/2023, Seite 9f.)
  • NUB: Bewertung, Prüfung und Kostenübernahme (AAZ 07/2023, Seite 9 f.)
  • Vorsicht Abrechnungsfalle: Prothesenbasis aus PEEK für GKV-Patienten (AAZ 06/2023, Seite 7)
  • Interimsversorgungen: Nylon- / Polyamidprothese im OK und Kunststoffprothese im UK, AAZ (06/2019, Seite 15 ff.)

AUSGABE: AAZ 7/2025, S. 10 · ID: 50285091

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