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KieferorthopädieKFO-Prophylaxe (1): Beseitigung schädlicher Gewohnheiten (Habits)
| Kieferorthopädische (KFO-)Behandlungen sollen nach den KFO-Richtlinien (online iww.de/s11252) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht vor Beginn der zweiten Phase des Zahnwechsels, im späten Wechselgebiss, begonnen werden. Doch bevor eine solche aufwendige Behandlung erfolgt, gibt es Möglichkeiten, mit kieferorthopädischen Einzelmaßnahmen Zahnstellungsfehler und Bissanomalien zu verhindern oder ihren Behandlungsbedarfsgrad abzuschwächen. Dieser Beitrag widmet sich der Beseitigung von Habits und deren Abrechnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ein Folgebeitrag (online unter Abruf-Nr. 50207089) dem Offenhalten von Lücken und anderen prophylaktischen Maßnahmen. |
Bei den KIG D5 und O4 liegt eine Indikation vor
Schädliche Gewohnheiten können zu Kieferfehlstellungen führen. Zu den Habits zählen alle Lutschgewohnheiten, das Fehlverhalten der Zunge oder Lippen, das „falsche Schlucken“ und Dysfunktionen sowie die gewohnheitsmäßige Mundatmung. Gemäß der KFO-Richtlinie Nr. 8a gehört das Beseitigen von Habits zur vertragszahnärztlichen Versorgung bei einem habituellen Distalbiss mit der Einstufung in die Kieferorthopädische Indikationsgruppe (KIG) D5 und einem habituell offenen Biss mit der KIG-Einstufung O4.
Definition der relevanten KIG gemäß Anlage 1 der KFO-Richtlinien |
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Konfektionierte Mundvorhofplatte und Spatelübungen
Eine kieferorthopädische Maßnahme zur Behandlung solcher Gewohnheiten ist z. B. die konfektionierte Mundvorhofplatte, die das Daumenlutschen verhindern und eine korrekte Zungenposition fördern. Zudem werden beratende und belehrende Gespräche geführt, um Patienten und Eltern über die schädlichen Auswirkungen bestimmter Gewohnheiten wie Daumenlutschen, Lippenbeißen oder Zungendrücken aufzuklären. Auch Spatelübungen sind eine wichtige Komponente der kieferorthopädischen Prophylaxe. Sie helfen bei Zungen-, Lippen- oder Wangenpressen die Muskulatur im Mund- und Kieferbereich zu stärken und Fehlstellungen vorzubeugen.
Abgerechnet wird nach BEMA-Nr. 121
Die Abrechnung dieser Maßnahmen geschieht mit der BEMA-Nr. 121 (Beseitigung von Habits bei einem habituellen Distalbiss oder bei einem habituell offenen Biss, je Sitzung), bewertet mit 17 Punkten je Sitzung.
Mit der Nr. 121 sind praktische Übungen, Gespräche mit Kind und Eltern oder die Eingliederung einer konfektionierten Mundvorhofplatte und die erforderlichen Kontrollen abgegolten.
Die entstandenen Kosten der konfektionierten Mundvorhofplatte können als Materialkosten abgerechnet werden. Die Nr. 121 ist zu 100 Prozent über die KZV abzurechnen. Es ist keine vorherige Genehmigung der Kasse notwendig.
BEMA-Nr. 121 ist maximal sechsmal berechnungsfähig
Die Leistung nach Nr. 121 kann bis zu sechsmal während eines Zeitraums von sechs Monaten abgerechnet werden. Nach sechs Monaten ist die Abrechnung einer Leistung nach Nr. 121 ausgeschlossen. Das gilt selbst dann, wenn innerhalb dieses Zeitraums die Leistung noch keine sechsmal erbracht wurde. Sollten mehr als sechs Sitzungen erforderlich sein, um die schädlichen Gewohnheiten zu beseitigen, kann dies nicht mehr zulasten der GKV abgerechnet werden. Infrage käme eine Privatvereinbarung nach § 8 Abs. 7 Bundesmantelvertrag – Zahnärzte (BMV-Z); mit der BEMA-Nr. 121 vergleichbar ist die Nr. 6190 GOZ (Beratendes und belehrendes Gespräch) und Begleitpositionen.
Abrechnungsausschlüsse
Wird bereits eine aktive KFO-Behandlung durchgeführt und nach den BEMA-Nrn. 119/120 abgerechnet, ist eine Leistung nach der Nr. 121 nicht abrechnungsfähig. Zudem schreiben die Bestimmungen zur BEMA-Nr. 121 vor, dass zur Befundung und/oder Behandlung nach Nr. 121 Röntgenaufnahmen nicht abrechnungsfähig sind. Ebenso ist geregelt, dass für eine Leistung nach Nr. 121 kein Behandlungsplan nach Nr. 5 abrechnungsfähig ist.
Vor Erbringung ist der KIG zu bestimmen!
Vor Beginn dieser Maßnahmen wird die kieferorthopädische Untersuchung nach BEMA-Nr. 01k (28 Punkte; (AAZ 08/2024, Seite 7 f.) einschließlich der Feststellung des kieferorthopädischen Indikationsgrades (KIG) durchgeführt.
Abrechnungsbeispiel: „Konfektionierte Mundvorhofplatte“ | |||
Datum | Zahn / Region | Leistung | BEMA-Nr. |
25.03.2024 | OK/UK | Eingehende kieferorthopädische Untersuchung: habitueller Distalbiss mit dem Behandlungsbedarfsgrad D5 | 01k |
Aufklärung und Beratung der Eltern über die Behandlungsbedürftigkeit und die Notwendigkeit einer Beseitigung der Habits mit einer konfektionierten Mundvorhofplatte (MVP) | – | ||
02.04.2024 | Einsetzen einer konfektionierten Mundvorhofplatte (MVP) und Anweisungen zu deren Gebrauch | 121 + Mat. | |
30.04.2024 | Kontrolle der MVP und Gespräch mit den Eltern, dass zusätzlich Spatelübungen notwendig sind | 121 | |
13.05.2024 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs und Spatelübungen | 121 | |
13.06.2024 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs und Spatelübungen | 121 | |
15.07.2024 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs und Spatelübungen | 121 | |
15.08.2024 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs, Gespräch mit den Eltern, dass evtl. eine kieferorthopädische Frühbehandlung (D5) notwendig wird | 121 |
Individuell gefertigte Mundvorhofplatte
Eine individualisierte oder individuelle Mundvorhofplatte wird meist verwendet, wenn spezifische Anpassungen an die Mundstruktur des Patienten erforderlich sind. Sie ist ein kieferorthopädisches Gerät, das speziell auf die anatomischen Gegebenheiten des Patienten angepasst wird. Dies ist jedoch ebenso nur bei einem habituellen Distalbiss mit Behandlungsbedarfsgrad D5 oder habituell offenem Biss bei Behandlungsbedarfsgrad O4 möglich. Im Gegensatz zu vorgefertigten (konfektionierten) Mundvorhofplatten wird eine individuell gefertigte Platte auf der Grundlage eines Gebissabdrucks hergestellt.
Abgerechnet wird nach den BEMA-Nr. 122 a–c
Die KFO-prophylaktische Behandlung mit einer individuellen Mundvorhofplatte wird nach den BEMA-Nrn. 122 a–c zuzüglich den Material- und Laborkosten abgerechnet.
BEMA-Nr. 122 Kieferorthopädische Verrichtungen als alleinige Leistung |
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Abrechenbar sind zudem ein Pauschalbetrag von 2,80 Euro für die Abformung, je Abformung, sowie die für die individuelle Mundvorhofplatte anfallenden Material- und Laborkosten nach BEL II. Die BEMA-Nrn. 122 a–c sind grundsätzlich zu 100 Prozent als Sachleistung abzurechnen. Die Erstellung eines kieferorthopädischen Behandlungsplans ist nicht notwendig. Es ist keine vorherige Genehmigung der Kasse erforderlich.
Vor Beginn dieser prophylaktischen Maßnahmen wird die KFO-Untersuchung nach BEMA-Nr. 01k (28 Punkte) einschließlich der Feststellung des kieferorthopädischen Indikationsgrades (KIG) durchgeführt und abgerechnet.
Details zu den BEMA-Nrn. 122 a–c und 125
Die folgend beschriebenen BEMA-Nrn. 122 a–c dürfen nicht für Früh- oder Kurzbehandlungen abgerechnet werden, wenn die KIG-Voraussetzungen nicht erfüllt sind und kein Kassen-Behandlungsplan aufgestellt werden darf. Sie sind somit nicht als „Ausweichmöglichkeit“ gedacht, wenn die Behandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich ist.
Kontrolle des Behandlungsverlaufs – BEMA-Nr. 122a
Die BEMA-Nr. 122a ist je Sitzung abrechenbar für eine Kontrolle des Behandlungsverlaufs einschließlich kleiner Änderungen am Behandlungsbehelf. Die Abrechnung der BEMA-Nr. 122a ist auch möglich für die Kontrolle der Behandlungsmittel nach BEMA-Nr. 122c, z. B. für die Kontrolle der individuellen Mundvorhofplatte oder für die Kontrolle der Zungenstimulationsplatte.
Vorbereitende Maßnahmen – Nr. 122b
Für vorbereitende Maßnahmen zur Herstellung von kieferorthopädischen Behandlungsmitteln (z. B. individuelle Mundvorhofplatte, Zungenstimulationsplatte) wird je Kiefer die BEMA-Nr. 122b angesetzt. Sie ist nur in Verbindung mit der Eingliederung von Geräten nach BEMA-Nr. 122c abrechnungsfähig. Leistungen, die neben der BEMA-Nr. 122b abgerechnet werden können, sind z. B. die Kieferorthopädische Untersuchung nach BEMA-Nr. 01k einschließlich der Feststellung des kieferorthopädischen Indikationsgrades (KIG), Röntgenaufnahmen nach BEMA-Nrn. Ä925–Ä935, sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung von Behandlungsmitteln nach BEMA-Nr. 125. Wenn es im Einzelfall notwendig wird, können zusätzlich Modelle des Ober- und Unterkiefers zur diagnostischen Auswertung und Planung nach BEMA-Nr. 7a (Abformung, Bissnahme in habitueller Okklusion für das Erstellen von dreidimensional orientierten Modellen des Ober- und Unterkiefers zur diagnostischen Auswertung und Planung sowie schriftliche Niederlegung – 19 Punkte) abgerechnet werden.
Einfügen von kieferorthopädischen Behandlungsmitteln – Nr. 122c
Die Leistung nach der BEMA-Nr. 122c ist für die Eingliederung von kieferorthopädischen Behandlungsmitteln einmal je Kiefer abrechnungsfähig. Bei bimaxillären Geräten kann die BEMA-Nr. 122c einmal abgerechnet werden (in manchen KZV-Bereichen wird die zweimalige Abrechnung zugestanden).
Maßnahmen zur Wiederherstellung von Behandlungsmitteln einschließlich Wiedereinfügen, je Kiefer – Nr. 125
Die Leistung nach BEMA-Nr. 125 beschreibt nur Wiederherstellungen, die auf trage- und gebrauchsbedingte Nutzung oder Verschleiß zurückzuführen sind.
Abrechnungsbeispiel: „Individuelle Mundvorhofplatte“ | |||
Sitzung | Zahn / Region | Leistung | BEMA-Nr. |
1 | OK/UK | Eingehende kieferorthopädische Untersuchung: habituell offener Biss mit dem Behandlungsbedarfsgrad O5 | 01k |
Aufklärung und Beratung der Eltern über die Behandlungsbedürftigkeit und die Notwendigkeit einer Beseitigung der Habits mit einer individuellen Mundvorhofplatte (MVP) | – | ||
2 | OK/UK | Modelle, dreidimensional orientiert, Diagnostik und Planung | 7a |
Abdruck- und Bissnahme zur Herstellung der individuellen MVP | 2 x 122b | ||
3 | Eingliederung der individuell gefertigten MVP. Hinweise zur Anwendung werden dem Kind und dem Elternteil erläutert. | 2 x 122c | |
4 | Kontrolle des Übungserfolgs der praktischen Unterweisung und des Behandlungsfortschritts | 122a | |
5 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs und Schleifmaßnahmen an der individuellen MVP | 122a | |
6 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs | 122a | |
7 | Kontrolle des Behandlungsverlaufs | 122a | |
Abschließende Kontrolle des Behandlungsergebnisses; Gespräch mit den Eltern, dass in etwa 6 Monaten eine erneute kieferorthopädische Untersuchung terminiert werden soll | 122a | ||
Die Material- und Laborkosten dürfen gesondert berechnet werden, auch das Abformungsmaterial (2,80 Euro je Abdruck). |
AUSGABE: AAZ 11/2024, S. 9 · ID: 50203548