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ProthetikSo vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – ein Abrechnungsbeispiel
| Viele Interimsversorgungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind unwirtschaftlich. Das liegt u. a. daran, dass die Vorgaben des Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Zahnersatz-Richtlinie (online unter iww.de/s10062) nicht eingehalten werden (Beitrag unter Abruf-Nr. 49853416). Oft werden nur die ansatzfähigen Gebührenpositionen aus dem BEMA berechnet. Wer die zusätzlich vereinbarungs- und berechnungsfähigen Privatleistungen in die Kalkulation einbezieht, kann einen Honorarverlust zumindest im Rahmen halten. |
Abrechnung rein nach BEMA erwirtschaftet einen deutlichen Verlust
Dieses Beispiel zeigt die Abrechnung einer Interimsversorgung regio 47–44 und 35–37. Wie allzu oft im Praxisalltag werden nur die im BEMA zur Verfügung stehenden Gebührenpositionen angesetzt. Bezogen auf den erforderlichen Honorarumsatz von 370 Euro pro Stunde laut Jahrbuch 2023 der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZBV, siehe weiterführende Hinweise), erwirtschaftet die Praxis einen deutlichen Verlust.
Beispiel: Interimsprothese im Unterkiefer regio 47–44 und 35–37 als Regelversorgung | |||
Arbeitsablauf | Planzeit | BEMA | Honorar |
Farbbestimmung Okklusionsprotokoll Fotos vorher | 15 min | - - - | |
Abformung mit Alginat für einen individuellen Löffel Bissnahme ggf. Kontrollbiss | 30 min | - - | |
Abformung mit individuellem Löffel Bissnahme mit Wachswällen | 30 min | 98a | 30,13 Euro |
Prüfung der Modelle Arbeitsvorbereitung Wachsanprobe | 15 min | ||
Eingliederung | 15 min | 98b 98f | 86,23 Euro 22,86 Euro |
Gesamt | 105 min | 139,22 Euro | |
Erzielter Honorarumsatz pro Stunde | 79,55 Euro | ||
Verlust unter Berücksichtigung des erforderlichen Honorarumsatzes laut KZBV-Jahrbuch (370 Euro pro Stunde) | - 290,45 Euro (- 78,5 %) | ||
Verlust unter Berücksichtigung eines erforderlichen Honorarumsatzes i. H. v. 185 Euro pro Stunde | - 105,45 Euro (- 57,0 %) |
Wichtig | Neben dem Durchschnittswert wurde alternativ mit einem Honorarumsatz von 185 Euro pro Stunde kalkuliert. Für Einbehandler-Praxen dürfte dies der realistischere Ansatz sein. Denn im Idealfall läuft dort parallel zur zahnärztlichen Behandlung noch eine PZR.
So können Sie das Honorardefizit decken
- 1. Prüfen Sie Ihre Dokumentation:Hinterfragen Sie bestehende Routinen
- Handelt es sich wirklich nur um eine Bissnahme oder führen Sie den Patienten in Zentrik?
- Erfolgt ein Kontrollregistrat?
- Individualisieren Sie bereits den konfektionierten Löffel?
- 2. Akzeptieren Sie, dass nicht jede Interimsversorgung eine Regelversorgung darstellt, auch wenn es sich um keine Nylonprothese (z. B. Valplast) handelt.
- 3. Erklären Sie dem Patienten, dass er ein hochwertiges Provisorium erhält.
- 4. Prüfen Sie, ob die gewählte Versorgung den Vorgaben der Zahnersatz-Richtlinie entspricht (Beitrag unter Abruf-Nr. 49853416). Einige Vorgaben rechtfertigen eine rein private Abrechnung der Interimsversorgung.
Die Abrechnung als gleichartige Versorgung reduziert den Verlust deutlich
Wird dieselbe Versorgung als gleichartig abgerechnet, ergibt sich bei einem moderaten Steigerungsfaktor weiterhin ein Honorardefizit, das aber moderater ausfällt als bei der Regelversorgung: Bei einem erforderlichen Honorarumsatz von 370 Euro pro Stunde, beträgt der Verlust etwas mehr als 50 Prozent, bei Kalkulation mit 185 Euro (s. o.) werden die Kosten nahezu gedeckt.
Beispiel: Interimsprothese im Unterkiefer regio 47–44 und 35–37 als gleichartige Versorgung | |||||
Arbeitsablauf | Planzeit | BEMA | Chairside | GOZ (2,3-fach) | Honorar |
Farbbestimmung Okklusionsprotokoll Fotos zur Dokumentation der Behandlungssituation vorher | 15 min | - - - | 0723 Zahnfarbe 0706 Foto oder Video Dokumentation | 8000 | 64,68 Euro |
Abformung mit Alginat für einen individuellen Löffel, konfektionierter Löffel angepasst mit Kunststoff Bissnahme geführt in Zentrik mit Kontrollbiss | 30 min | - - - | BEB Individualisierung Konfektionierter Löffel Ggf. denkbar 0732 Desinfektion regionale Unterschiede beachten | § 6 Abs.1 (z. B. 5170) 2 x 8010 | 32,34 Euro 46,56 Euro |
Abformung mit individuellem Löffel Bissnahme mit Wachswällen | 30 min | 98a | 30,13 Euro | ||
Wachsanprobe Diagnostische Maßnahmen an Modellen im Artikulator einschließlich subtraktiver oder additiver Korrekturen Regio XX | 15 min | 8080 | 32,34 Euro | ||
Eingliederung | 15 min | 98b 98f | 86,23 Euro 22,86 Euro | ||
Gesamt | 105 min | 315,14 Euro | |||
Erzielter Honorarumsatz pro Stunde | 180,08 Euro | ||||
Verlust unter Berücksichtigung des erforderlichen Honorarumsatzes laut KZBV-Jahrbuch (370 Euro pro Stunde) | - 189,92 Euro (-51,3 %) | ||||
Verlust unter Berücksichtigung eines erforderlichen Honorarumsatzes i. H. v. 185 Euro pro Stunde | - 4,92 Euro (-2,7 %) |
Wichtig | Wie Sie der Tabelle entnehmen können, wurden die BEB-Chairside-Leistungen preislich nicht beziffert, da diese individuell nach Praxissituation kalkuliert werden (AAZ 03/2023, Seite 15 ff.).
Sie haben drei Lösungsmöglichkeiten, um unwirtschaftliche Interimsversorgungen zu vermeiden
Aus den vorigen Ausführungen folgt, dass Interimsversorgungen, die vollständig zulasten der GKV – d. h. ohne zusätzliche Berechnung von Privatleistungen – erbracht werden, für die Zahnarztpraxis ein massives wirtschaftliches Defizit schaffen. Abschließend gibt es drei Möglichkeiten zur Lösung:
- Berechnen Sie die Leistungen, die Sie zusätzlich erbringen, nach tatsächlichem Aufwand privat und gehen Sie damit in die Gleichartigkeit.Dies sollten Sie tun bzw. unterlassen
- Vereinbaren Sie Wunschbehandlungen rein privat und rechnen Sie sie nicht über die GKV ab.
- Reduzieren Sie die Behandlung auf das ausreichend zweckmäßige Maß. D. h.: Führen Sie keine mehrfachen Anproben durch und kommunizieren Sie deutlich, dass eine Interimsversorgung eine rein provisorische Versorgung ist und maximal drei bis zwölf Monate getragen werden soll.
Halten Sie bitte Abstand von dem Gedanken, dass Sie das Honorardefizit bei der Durchführung der definitiven Versorgung als „Mischkalkulation“ auffangen können. Dies ist ein Irrtum, Sie müssen immer damit rechnen, dass der Patient plötzlich nicht mehr an der vereinbarten Therapie mitwirkt (Non-compliance) oder er sich das vorgeschlagene Therapiekonzept finanziell nicht (mehr) leisten kann.
Ist der Zeitaufwand für eine rein tempo- räre Versorgung angemessen? Fazit und Praxistipp | Überlegen Sie sich bei der Planung einer Interimsversorgung, ob der Zeitaufwand zur Idee einer rein temporären Versorgung passt oder kommunizieren Sie den Mehrwert einer Versorgung mit qualitätsverbessernden Zusätzen, um den Zeitaufwand zu rechtfertigen und den Verlust gering zu halten. Werden die privaten Leistungen mit Begründung gesteigert oder wird eine abweichende Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOZ geschlossen (vgl. AAZ- Sonderausgabe „Mehrkostenvereinbarung und Privatvereinbarung“, online unter iww.de/aaz, Abruf-Nr. 49756855), kann der Verlust gemildert oder vermieden werden. |
- So vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – dies sind die Vorgaben des G-BA (Abruf-Nr. 49853416).Themenverwandte AAZ-Publikationen
- Aufwendige provisorische Kronen und Brücken – so verschenken Sie kein Honorar (AAZ 03/2023, Seite 15 ff.)
- AAZ-Sonderausgabe: Mehrkostenvereinbarung und Privatvereinbarung. So schöpfen Sie Ihr Honorarpotenzial aus (online 19.10.2023, Abruf-Nr. 49756855).
- Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hg.): Jahrbuch 2023. Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Köln, Dezember 2023, Seite 106; als PDF (194 Seiten) online unter iww.de/s10090
AUSGABE: AAZ 3/2024, S. 9 · ID: 49853515