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ProthetikSo vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – ein Abrechnungsbeispiel

Abo-Inhalt17.01.2024231 Min. LesedauerVon Jasmin Klecker, ZMV, ZAMA – Praxismanagement

| Viele Interimsversorgungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind unwirtschaftlich. Das liegt u. a. daran, dass die Vorgaben des Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen der Zahnersatz-Richtlinie (online unter iww.de/s10062) nicht eingehalten werden (Beitrag unter Abruf-Nr. 49853416). Oft werden nur die ansatzfähigen Gebührenpositionen aus dem BEMA berechnet. Wer die zusätzlich vereinbarungs- und berechnungsfähigen Privatleistungen in die Kalkulation einbezieht, kann einen Honorarverlust zumindest im Rahmen halten. |

Abrechnung rein nach BEMA erwirtschaftet einen deutlichen Verlust

Dieses Beispiel zeigt die Abrechnung einer Interimsversorgung regio 47–44 und 35–37. Wie allzu oft im Praxisalltag werden nur die im BEMA zur Verfügung stehenden Gebührenpositionen angesetzt. Bezogen auf den erforderlichen Honorarumsatz von 370 Euro pro Stunde laut Jahrbuch 2023 der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZBV, siehe weiterführende Hinweise), erwirtschaftet die Praxis einen deutlichen Verlust.

Beispiel: Interimsprothese im Unterkiefer regio 47–44 und 35–37 als Regelversorgung

Arbeitsablauf

Planzeit

BEMA

Honorar

Farbbestimmung

Okklusionsprotokoll

Fotos vorher

15 min

-

-

-

Abformung mit Alginat für einen individuellen Löffel

Bissnahme ggf. Kontrollbiss

30 min

-

-

Abformung mit individuellem Löffel

Bissnahme mit Wachswällen

30 min

98a

30,13 Euro

Prüfung der Modelle Arbeitsvorbereitung Wachsanprobe

15 min

Eingliederung

15 min

98b

98f

86,23 Euro

22,86 Euro

Gesamt

105 min

139,22 Euro

Erzielter Honorarumsatz pro Stunde

79,55 Euro

Verlust unter Berücksichtigung des erforderlichen Honorarumsatzes laut KZBV-Jahrbuch (370 Euro pro Stunde)

- 290,45 Euro

(- 78,5 %)

Verlust unter Berücksichtigung eines erforderlichen Honorarumsatzes i. H. v. 185 Euro pro Stunde

- 105,45 Euro

(- 57,0 %)

Wichtig | Neben dem Durchschnittswert wurde alternativ mit einem Honorarumsatz von 185 Euro pro Stunde kalkuliert. Für Einbehandler-Praxen dürfte dies der realistischere Ansatz sein. Denn im Idealfall läuft dort parallel zur zahnärztlichen Behandlung noch eine PZR.

So können Sie das Honorardefizit decken

  • 1. Prüfen Sie Ihre Dokumentation:
    • Handelt es sich wirklich nur um eine Bissnahme oder führen Sie den Patienten in Zentrik?
    • Erfolgt ein Kontrollregistrat?
    • Individualisieren Sie bereits den konfektionierten Löffel?
  • 2. Akzeptieren Sie, dass nicht jede Interimsversorgung eine Regelversorgung darstellt, auch wenn es sich um keine Nylonprothese (z. B. Valplast) handelt.
  • 3. Erklären Sie dem Patienten, dass er ein hochwertiges Provisorium erhält.
  • 4. Prüfen Sie, ob die gewählte Versorgung den Vorgaben der Zahnersatz-Richtlinie entspricht (Beitrag unter Abruf-Nr. 49853416). Einige Vorgaben rechtfertigen eine rein private Abrechnung der Interimsversorgung.

Die Abrechnung als gleichartige Versorgung reduziert den Verlust deutlich

Wird dieselbe Versorgung als gleichartig abgerechnet, ergibt sich bei einem moderaten Steigerungsfaktor weiterhin ein Honorardefizit, das aber moderater ausfällt als bei der Regelversorgung: Bei einem erforderlichen Honorarumsatz von 370 Euro pro Stunde, beträgt der Verlust etwas mehr als 50 Prozent, bei Kalkulation mit 185 Euro (s. o.) werden die Kosten nahezu gedeckt.

Beispiel: Interimsprothese im Unterkiefer regio 47–44 und 35–37 als gleichartige Versorgung

Arbeitsablauf

Planzeit

BEMA

Chairside

GOZ (2,3-fach)

Honorar

Farbbestimmung

Okklusionsprotokoll

Fotos zur Dokumentation der Behandlungssituation vorher

15 min

-

-

-

0723 Zahnfarbe

0706

Foto oder Video Dokumentation

8000

64,68 Euro

Abformung mit Alginat für einen individuellen Löffel, konfektionierter Löffel angepasst mit Kunststoff

Bissnahme geführt in Zentrik mit Kontrollbiss

30 min

-

-

-

BEB Individualisierung Konfektionierter Löffel

Ggf. denkbar 0732

Desinfektion regionale Unterschiede beachten

§ 6 Abs.1

(z. B. 5170)

2 x 8010

32,34 Euro

46,56 Euro

Abformung mit individuellem Löffel

Bissnahme mit Wachswällen

30 min

98a

30,13 Euro

Wachsanprobe

Diagnostische Maßnahmen an Modellen im Artikulator einschließlich subtraktiver oder additiver Korrekturen Regio XX

15 min

8080

32,34 Euro

Eingliederung

15 min

98b

98f

86,23 Euro

22,86 Euro

Gesamt

105 min

315,14 Euro

Erzielter Honorarumsatz pro Stunde

180,08 Euro

Verlust unter Berücksichtigung des erforderlichen Honorarumsatzes laut KZBV-Jahrbuch (370 Euro pro Stunde)

- 189,92 Euro

(-51,3 %)

Verlust unter Berücksichtigung eines erforderlichen Honorarumsatzes i. H. v. 185 Euro pro Stunde

- 4,92 Euro (-2,7 %)

Wichtig | Wie Sie der Tabelle entnehmen können, wurden die BEB-Chairside-Leistungen preislich nicht beziffert, da diese individuell nach Praxissituation kalkuliert werden (AAZ 03/2023, Seite 15 ff.).

Sie haben drei Lösungsmöglichkeiten, um unwirtschaftliche Interimsversorgungen zu vermeiden

Aus den vorigen Ausführungen folgt, dass Interimsversorgungen, die vollständig zulasten der GKV – d. h. ohne zusätzliche Berechnung von Privatleistungen – erbracht werden, für die Zahnarztpraxis ein massives wirtschaftliches Defizit schaffen. Abschließend gibt es drei Möglichkeiten zur Lösung:

  • Berechnen Sie die Leistungen, die Sie zusätzlich erbringen, nach tatsächlichem Aufwand privat und gehen Sie damit in die Gleichartigkeit.
  • Vereinbaren Sie Wunschbehandlungen rein privat und rechnen Sie sie nicht über die GKV ab.
  • Reduzieren Sie die Behandlung auf das ausreichend zweckmäßige Maß. D. h.: Führen Sie keine mehrfachen Anproben durch und kommunizieren Sie deutlich, dass eine Interimsversorgung eine rein provisorische Versorgung ist und maximal drei bis zwölf Monate getragen werden soll.

Halten Sie bitte Abstand von dem Gedanken, dass Sie das Honorardefizit bei der Durchführung der definitiven Versorgung als „Mischkalkulation“ auffangen können. Dies ist ein Irrtum, Sie müssen immer damit rechnen, dass der Patient plötzlich nicht mehr an der vereinbarten Therapie mitwirkt (Non-compliance) oder er sich das vorgeschlagene Therapiekonzept finanziell nicht (mehr) leisten kann.

Fazit und Praxistipp | Überlegen Sie sich bei der Planung einer Interimsversorgung, ob der Zeitaufwand zur Idee einer rein temporären Versorgung passt oder kommunizieren Sie den Mehrwert einer Versorgung mit qualitätsverbessernden Zusätzen, um den Zeitaufwand zu rechtfertigen und den Verlust gering zu halten. Werden die privaten Leistungen mit Begründung gesteigert oder wird eine abweichende Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOZ geschlossen (vgl. AAZ- Sonderausgabe „Mehrkostenvereinbarung und Privatvereinbarung“, online unter iww.de/aaz, Abruf-Nr. 49756855), kann der Verlust gemildert oder vermieden werden.

Weiterführende Hinweise
  • So vermeiden Sie eine unwirtschaftliche Interimsversorgung – dies sind die Vorgaben des G-BA (Abruf-Nr. 49853416).
  • Aufwendige provisorische Kronen und Brücken – so verschenken Sie kein Honorar (AAZ 03/2023, Seite 15 ff.)
  • AAZ-Sonderausgabe: Mehrkostenvereinbarung und Privatvereinbarung. So schöpfen Sie Ihr Honorarpotenzial aus (online 19.10.2023, Abruf-Nr. 49756855).
  • Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (Hg.): Jahrbuch 2023. Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Köln, Dezember 2023, Seite 106; als PDF (194 Seiten) online unter iww.de/s10090

AUSGABE: AAZ 3/2024, S. 9 · ID: 49853515

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