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VertragsarztrechtStempeln nicht erlaubt: Verordnungen müssen persönlich unterzeichnet werden
| Im Jahr 2024 haben zwei Sozialgerichte (SG) über die Folgen der Verwendung von Faksimilestempeln (synonym: Schriftbild- oder Unterschriftstempel) anstelle von persönlichen Unterschriften entschieden. Die Fälle unterschieden sich im Detail, dennoch kamen die Gerichte bezüglich der wesentlichen Frage, ob und in welchem Umfang ein Regress festzusetzen war, letztlich zu demselben Ergebnis (Urteil des SG Marburg vom 03.07.2024, Az. S 17 KA 88/23 und Urteil des SG Dortmund vom 18.09.2024, Az. S 16 KA 3/24). |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalte
Im Fall des SG Dortmund hatte eine Fachärztin für Psychiatrie die meisten Arznei- und Hilfsmittelverordnungen über mehrere Jahre nicht mehr eigenhändig unterschrieben, sondern – teils durch das Praxispersonal – mit einem Faksimilestempel versehen. Die Ärztin machte unter anderem geltend, dass die von der Prüfstelle festgesetzte Schadenersatzforderung verjährt sei.
Ähnlich verhielt es sich im Fall des SG Marburg. Ein Kardiologe hatte seine Sprechstundenbedarfsverordnungen etwa drei Jahre lang nicht mehr selbst unterschrieben, sondern mit einem Faksimilestempel signiert. Im Wesentlichen machte er geltend, dass es sich bei der fehlenden handschriftlichen Signatur um eine bloße Formalie handele und ihm auch kein wirtschaftlicher Vorteil entstanden sei, weil die Krankenkassen auch bei formal ordnungsgemäßer Verordnung in identischer Höhe belastet worden seien.
Merke | In beiden Verfahren war unstreitig, dass die vertragsärztlichen Rechtsvorschriften eine persönliche Unterschrift des Arztes auf den Verordnungen ausdrücklich vorsahen. Die Pflicht zur persönlichen Unterschrift ergibt sich für alle Vordrucke und Bescheinigungen aus § 35 Abs. 2 S. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und für Arzneimittelverordnungen zudem aus § 11 Arzneimittel-Richtlinie des GB-A, § 2 Abs. 1 Nr. 10 Arzneimittelverschreibungsverordnung. |
Sonstiger Schaden gemäß § 48 BMV-Ä |
In Abgrenzung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V), die sich auf den Inhalt von Verordnungen beziehen (bspw. Off-Labe-Use), geht es bei Verfahren des sonstigen Schadens um die korrekte Art und Weise der Ausstellung. Diese Abgrenzung spielt vor allem bezüglich des Verschuldens und der Verjährung eine Rolle. |
Entscheidungsgründe
Die Klagen, mit denen sich die Psychiaterin und der Kardiologie jeweils gegen die Schadenersatzforderungen wendeten, hatten keinen Erfolg. Die Gerichte stellten in beiden Fällen fest, dass die ärztlichen Verordnungen unzulässig und die festgesetzten Schäden damit rechtmäßig waren.
Merke | Anders ist es bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen: Hier kommt es auf ein Verschulden des Arztes, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, nicht an. |
Merke | Im Gegensatz hierzu gilt für Wirtschaftlichkeitsprüfungen eine vierjährige Ausschlussfrist, die unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. |
Fazit | Sind Verordnungen im Sinne des § 48 BMV-Ä unzulässig, weil sie – wie hier – nicht persönlich unterschrieben sind, stehen die Nettoverordnungskosten von ggf. mehreren Jahren auf dem Spiel, denen kein wirtschaftlicher Wert in der Praxis gegenübersteht. Zwar lassen die Entscheidungen des SG Marburg und SG Dortmund grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf die Zweckerfüllung und Verhältnismäßigkeit solcher Schadenersatzforderungen aufkommen. Letztlich machen die Entscheidungen aber klar, dass Unterschriftenstempel in Arztpraxen schlicht und ergreifend keine Verwendung haben, da diese nicht nur eklatante wirtschaftliche Risiken bergen, sondern zugleich keine schlüssigen Vorteile anstelle einer Unterschrift bieten. Immerhin hat sich der Anwendungsspielraum für handschriftlich zu signierende Papierrezepte mit der Einführung des eRezepts mit elektronischer Signatur schon ganz erheblich verringert. Für alle anderen Verordnungen, die noch optional (bspw. blaues Papierrezept) oder verpflichtend (bspw. Hilfsmittel, Sprechstundenbedarf) als Papierrezept ausgestellt und persönlich unterschrieben werden müssen, bleibt es aber dabei: Stempeln nicht erlaubt!. |
- Ein Faksimilestempel ersetzt nie die persönliche bzw. eigenhändige Unterschrift des Arztes.Faksimilestempel ersetzt nie die Unterschrift der Ärztin / des Arztes
- Eine Verordnung, die lediglich einen Faksimilestempel und keine persönliche Unterschrift hat, ist unzulässig im Sinne des § 48 BMV-Ä.
- Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Arzt die vorgelagerte medizinische Entscheidung für die Verordnung selbst getroffen hat.
- Ein Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Unterschrift ist regelmäßig mindestens fahrlässig, weil vorausgesetzt wird, dass alle Vertragsärzte diese Pflicht kennen.
- Die Schadenersatzforderungen der Kostenträger unterliegen einer vierjährigen Verjährung, die mit dem Schluss des Jahres beginnt in dem Anspruch entstanden ist und die Kostenträger hiervon Kenntnis erhalten. Sobald die zuständige Prüfstelle einen Prüfantrag stellt, ist diese Verjährungsfrist gehemmt.Vierjährige Verjährungsfrist, ab dem 01.01. des Folgejahrs der Kenntnisnahme
- Das SG Dortmund hat in diesem Zusammenhang zudem festgestellt, dass den Kostenträgern kein Mitverschulden zur Last fällt. Diese könnten die Verordnungen zwar theoretisch während der laufenden Abrechnung kontrollieren, aber wegen der Vielzahl der zu verarbeitenden Daten darf nicht erwartet werden, dass die Richtigkeit der Unterschriften geprüft wird.Kostenträger müssen da nichts prüfen, kein Mitverschulden
- Obwohl sich hier kein wirtschaftlicher Nachteil der Kostenträger ergibt, so als wenn die Verordnungen ordnungsgemäß persönlich signiert worden wären, urteilten die Gerichte, dass die Schäden in Höhe der Netto-Verordnungen zu beziffern sind. Eine Schadensbegrenzung wie bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 106b Abs. 2a S. 1 SGB V) nach der sog. Differenzkostenmethode kommt im Fall des sonstigen Schadens nicht infrage.
AUSGABE: AAA 5/2025, S. 15 · ID: 50376318