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Arzneimittel-RichtlinieLifestyle-Arzneimittel: Wo verläuft die Grenze zu verordnungsfähigen Arzneimitteln?

Abo-Inhalt30.09.20229094 Min. Lesedauer

| Arzneimittel, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, dürfen nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden. Typische Arzneimittel, die hierunter fallen, wären z. B. Potenz- oder Haarwuchsmittel. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Verordnungsausschluss (§ 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V), der in § 14 und Anlage II der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) konkretisiert wird. Doch die Abgrenzung ist teilweise schwierig und Grenzfälle sollen durch Anlage II AM-RL („Lifestyle Arzneimittel“) geregelt werden. Es gelten dabei auch Ausnahmen, die für eine Hausarzt-Praxis und deren Patienten von Bedeutung sein können. |

Regelungen zu Lifestyle-Arzneimitteln in der AM-RL

Die AM-RL beschreibt die Lifestyle-Arzneimittel als solche, deren Einsatz im Wesentlichen durch die private Lebensführung bedingt ist oder die aufgrund ihrer Zweckbestimmung insbesondere

  • 1. nicht oder nicht ausschließlich zur Behandlung von Krankheiten dienen,
  • 2. zur individuellen Bedürfnisbefriedigung oder zur Aufwertung des Selbstwertgefühls dienen,
  • 3. zur Behandlung von Befunden angewandt werden, die lediglich Folge natürlicher Alterungsprozesse sind und deren Behandlung medizinisch nicht notwendig ist oder
  • 4. zur Anwendung bei kosmetischen Befunden angewandt werden, deren Behandlung i. d. R. medizinisch nicht notwendig ist.

Explizit ausgeschlossen sind demnach insbesondere Arzneimittel, die überwiegend

  • zur Behandlung der sexuellen Dysfunktionen (z. B. der erektilen Dysfunktion),
  • der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz,
  • zur Raucherentwöhnung,
  • zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits,
  • zur Regulierung des Körpergewichts oder
  • zur Verbesserung des Haarwuchses dienen.

Anlage II AM-RL: Übersicht ausgeschlossener Arzneimittel

Um möglichst wenig Raum für Unklarheiten zu lassen, sind die ausgeschlossenen Fertigarzneimittel und die Anwendungsgebiete, bei denen eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, in Anlage II der AM-RL in einer Übersicht zusammengestellt.

Unter den jeweiligen Überschriften (z. B. Abmagerungsmittel, zentral wirkend, Verbesserung des Aussehens oder Verbesserung des Haarwuchses) werden in der jeweiligen Tabelle in der ersten Spalte der sogenannte Anatomisch-Therapeutisch-Chemische(ATC)-Code und die Wirkstoffbezeichnung aufgeführt. In der zweiten Spalte sind die entsprechenden Fertigarzneimittel zu finden.

In der ersten Spalte finden sich auch ggf. existierende Ausnahmen. Zu diesen Ausnahmen zählen beispielsweise folgende Mittel und Konstellationen:

Merke | Derzeit fallen Arzneimittel zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit unter die Lifestyle-Arzneimittel und sind damit nicht zulasten der GKV verordnungsfähig. Der Gesetzgeber hat jedoch mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung eine Sonderregelung in § 34 Abs. 2 SGB V aufgenommen, wonach Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung haben. Eine erneute Versorgung ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der ersten Behandlung möglich.

Der G-BA hat den Auftrag, in der AM-RL festzulegen, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können. Die Beratungen hierzu wurden im März 2022 aufgenommen.

Zur Verbesserung des Haarwuchses sind auch die beiden Kortikoide

  • Betamethason acetat und
  • Triamcinolon aufgeführt,

sofern diese im Anwendungsgebiet Alopecia areata eingesetzt werden. Sie gelten in diesem Anwendungsgebiet als Lifestyle-Arzneimittel und können damit nicht zulasten der GKV verordnet werden.

  • Setmelanotide (Abmagerungsmittel, zentral wirkend):
  • Setmelanotide ist ausnahmsweise verordnungsfähig im Zusammenhang mit genetisch bestätigtem, durch Funktionsverlustmutationen bedingtem biallelischem Proopiomelanocortin (POMC)-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem Leptinrezeptor (LEPR)-Mangel bei Erwachsenen und Kindern ab sechs Jahren.
  • Liraglutid:
  • Hinweis für den ATC-Code „A 10 BJ 02“, dass der Verordnungsausschluss nur bei der Anwendung der Präparate zur Gewichtsreduktion gilt (nicht aber beim Einsatz als Antidiabetikum)
  • Alprostadil (sexuelle Dysfunktion):
  • Alprostadil ist beim Einsatz als Diagnostikum vom Verordnungsausschluss ausgenommen.
Weiterführende Hinweise
  • Die AM-RL mit den zwölf Anlagen finden Sie auf der Website des G-BA online unter iww.de/s6544.
  • OTC, Lifestyle, Off-Label-Use etc. – Aufbau der AM-RL und Bedeutung für die Verordnung (AAA 07/2022, Seite 11)
  • OTC-Arzneimittel: Welche Ausnahmen gibt es für die Verordnung und wann drohen Prüfungen? (AAA 08/2022, Seite 10)

AUSGABE: AAA 10/2022, S. 9 · ID: 48587772

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