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AGG-EntschädigungAnspruch wegen Benachteiligung aufgrund Schwerbehinderung und Alter – Ausschlussfristen
| Nach § 15 Abs. 4 S. 1 AGG muss der Entschädigungsanspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes vereinbart ist. Die Frist beginnt im Fall einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung und in sonstigen Fällen zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aufgrund einer Behinderung und des Alters. Der schwerbehinderte Kläger ist Luftfahrttechniker mit einem Masterabschluss einer Fachhochschule. Das beklagte Bundesministerium hatte die Stelle eines Sachbereichsleiters im höheren Dienst ausgeschrieben. Hierauf hatte sich der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung erfolglos beworben. Die Auswahl sei auf einen anderen Bewerber gefallen, der unter Berücksichtigung aller für die Auswahl maßgebenden Gesichtspunkte am besten geeignet erscheine. Der Masterabschluss des Klägers sei mangels entsprechender Akkreditierung der Fachhochschule nicht hinreichend für den höheren Dienst. Der Kläger sei daher offensichtlich fachlich ungeeignet. Es habe folglich auch nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen. Dies teilte die Beklagte dem Kläger auf Anfrage nach den Ablehnungsgründen in einem Schreiben mit. Zudem habe der Kläger die Ausschlussfristen nicht gewahrt.
Der Kläger meint, aufgrund seiner Schwerbehinderung und des Alters benachteiligt zu sein. Durch den Ausschluss von Fachhochschulabsolventen würden mehr ältere Bewerber abgelehnt. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab (LAG Berlin-Brandenburg 27.10.22, 21 Sa 317/22).
Entscheidungsgründe
Die Revision vor dem BAG (25.7.24, 8 AZR 21/23, Abruf-Nr. 245154) war teilweise erfolgreich. Das LAG habe die Berufung zwar zu Recht zurückgewiesen, soweit der Kläger eine Entschädigung wegen seiner Schwerbehinderung verlangt. Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils könne der Senat jedoch nicht entscheiden, ob der Kläger eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen seines Alters erfahren habe. Daher sei die Sache aufgehoben und zurückverwiesen worden.
Der Kläger verlange zwar Entschädigung in einem einheitlichen Anspruch (Benachteiligung aufgrund der Behinderung als auch wegen des Alters). Gleichwohl habe die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG einen unterschiedlichen Beginn gehabt. Werde der Entschädigungsanspruch auf Benachteiligung wegen unterschiedlicher Gründe gestützt, sei der Beginn der Ausschlussfrist bezogen auf jeden Grund gesondert zu bestimmen. Entscheidend sei, zu welchem Zeitpunkt der Kläger erstmals von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die eine Benachteiligung vermuten lassen.
In Bezug auf eine mögliche Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung sei die Frist versäumt worden. Hinsichtlich der behaupteten Benachteiligung wegen des Alters habe der Kläger die Fristen für die außergerichtliche und auch die gerichtliche Geltendmachung dagegen eingehalten. Dies folge daraus, dass er von den Umständen, die insoweit einen etwaigen Kausalzusammenhang belegten, erst später Kenntnis erlangt habe. Die Frist zur außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen beginne nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem der Bewerber Kenntnis von der Benachteiligung erhalte. Der Kläger habe durch das Ablehnungsschreiben Kenntnis von der Erfolglosigkeit seiner Bewerbung erlangt. Ihm sei damit auch bekannt gewesen, dass er trotz Hinweises auf seine Schwerbehinderung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Danach sei die Ausschlussfrist insoweit mit Zugang des Ablehnungsschreibens in Gang gesetzt worden. Der Beginn der Ausschlussfrist setzte keine Kenntnis von der Motivlage des ArbG voraus. Bei der Ausschlussfrist und der Klagefrist handelt es sich um materiell-rechtliche Ausschlussfristen.
Der Kläger habe aber erstmals durch das weitere Schreiben der Beklagten hinreichende Kenntnis davon erlangt, dass er mangels Akkreditierung seines Masterstudiengangs aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wurde. Die klägerische Geltendmachung sei noch innerhalb von zwei Monaten nach Zugang erfolgt. Das LAG habe daher die Frage nach einer Benachteiligung weiter aufzuklären und neu zu entscheiden. Dabei sei die Höhe einer möglichen Entscheidung aber auf ein Bruttomonatsgehalt begrenzt, da damit eine etwaige Diskriminierung hinreichend entschädigt sei.
Relevanz für die Praxis
Der 8. Senat stellt fest, dass die Geltendmachung einer Entschädigung nach dem AGG regelmäßig einen einheitlichen Anspruch zum Gegenstand hat, auch wenn er auf unterschiedliche Merkmale nach § 1 AGG gestützt wird. Im Falle einer Diskriminierung wegen mehrerer Merkmale schlägt sich dies in der Höhe der Entschädigung nieder.
Der Fristbeginn für die Kenntnis von Benachteiligungen aufgrund verschiedener Benachteiligungsmerkmale kann aber zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen. Eine mögliche Benachteiligung wegen des Alters konnte hier erst erkennbar werden, als die Beklagte auf entsprechende Anfrage mitgeteilt hat, dass sie keine Akkreditierung der Fachhochschulabschlüsse anerkenne. Das gab dem Kläger einen Anhaltspunkt, dass aufgrund des höheren Alters von Fachhochschulabsolventen eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könne.
AUSGABE: AA 1/2025, S. 6 · ID: 50254315