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RechtsprechungArbeitsrechtsjahr 2024: Die Top-Entscheidungen

Abo-Inhalt07.01.20255 Min. Lesedauer

| Auch im Arbeitsrechtsjahr 2024 war wieder viel vor den Arbeitsgerichten los. AA Arbeitsrecht aktiv zeigt die wichtigsten Entscheidungen aus dem Arbeitsrechtsjahr ab Ende 2023 und im Jahr 2024 im gewohnten Kurzüberblick auf. |

1. Arbeitszeiterhöhung: Vollzeittätigkeit nur bei „Bewährung“

Das systematische Angebot des ArbG, unbefristet grundsätzlich nur Teilzeit-Stellen anzubieten, befristet jedoch die Arbeitszeit auf eine Vollzeit-Stelle zu erhöhen, deren Verlängerung nach qualitativen und quantitativen Leistungskriterien sowie den Abwesenheitszeiten und der Bereitschaft zur Übernahme von Zusatzdiensten „verdient“ werden kann, ist kein geeigneter Sachgrund im Rahmen der Angemessenheitskontrolle einer befristeten Arbeitszeiterhöhung im Sinne des § 307 BGB (Arbeitsgericht Köln 25.4.24, 8 Ca 423/24, Abruf-Nr. 242065 in AA 24, 117).

2. Arbeitsunfähigkeit: Den Beweiswert einer AUB erschüttern?

Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige ArbN nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (BAG 13.12.23, 5 AZR 137/23, Abruf-Nr. 238716 in AA 24, 20).

3. Arbeitszeit: Wöchentliche Arbeitszeit auf Abruf: Was gilt, wenn nichts gilt?

Vereinbaren ArbG und ArbN Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt (BAG 18.10.23, 5 AZR 22/23, Abruf-Nr. 237969 in AA 24, 3).

4. Befristung: Arbeitszeiterhöhung für wissenschaftliches Personal

Die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung bei wissenschaftlichem Personal unterliegt einer Vertragsinhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB. Die Bestimmungen des WissZeitVG sind weder direkt noch entsprechend anwendbar, fließen jedoch als Wertungsmaßstab in die Vertragsinhaltskontrolle ein (BAG 28.5.24, 9 AZR 352/22, Abruf-Nr. 244415 in AA 24, 203).

5. Betriebsrat: Mitglieder der Minderheitenliste werden ersetzt: Geht das?

Der gesetzliche Minderheitsschutz der Minderheitsliste gebietet es, einzelne Abberufungs- und Wahlvorgänge einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen und auf dieser Grundlage die Wirksamkeit zu beurteilen (LAG Köln 28.6.24, 9 TaBV 52/23, Abruf-Nr. 243218 in AA 24, 160).

6. Bonussysteme: Schadenersatz bei verspäteter Zielvorgabe

Eine pflichtwidrig und schuldhaft unterlassene Zielvorgabe macht den ArbG in gleicher Weise schadenersatzpflichtig wie der Nichtabschluss einer Zielvereinbarung (LAG Hamm 5.7.24, 12 Sa 1210/23, Abruf-Nr. 243585 in AA 24, 191).

7. Datenschutz: Keine Entschädigung für verspätete Auskunft

Für eine verspätete und unvollständige Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO gibt es keine 10.000 EUR aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Ein Kontrollverlust reicht insofern für den Schaden nicht (LAG Düsseldorf 28.11.23, 3 Sa 285/23, Abruf-Nr. 239205 in AA 24, 22).

8. Datenschutz: Verarbeitung von Gesundheitsdaten

Eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten nach Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO muss auch die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO erfüllen (EuGH 21.12.23, C-667/21, Abruf-Nr. 239885 in AA 24, 39).

9. Datenschutz: ArbG muss bei der Google-Recherche Regeln beachten

Eine Google-Recherche kann gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO zulässig sein. Aber: Führt ein ArbG diese durch, ist der Bewerber über die Datenerhebung gemäß Art. 14 DSGVO zu informieren. Diese Information muss so präzise und spezifisch sein, dass die betroffene Person die Risiken abschätzen kann, die mit der Verarbeitung der erhobenen Daten verbunden sein können. Kommt der ArbG seiner Informationspflicht nicht nach und verwertet die erlangte Information im Stellenbesetzungsverfahren, hat der Bewerber einen Entschädigungsanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO (LAG Düsseldorf 10.4.24, 12 Sa 1007/23, Abruf-Nr. 242210 in AA 24, 130).

10. Einstweiliger Rechtsschutz: Einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer Betriebsänderung?

Dem Betriebsrat steht kein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Durchführung einer Betriebsänderung, zum Beispiel durch Kündigungen, zu. Dies folgt aus der sich aus § 113 BetrVG ergebenden Werteentscheidung des Gesetzgebers (LAG Nürnberg 11.4.24, 4 TaBVGa 1/24, Abruf-Nr. 243389 in AA 24, 209).

11. Hinweisgeberschutz: ArbN fordert 44.500 EUR Schadenersatz

Die Vorschriften der §§ 35-37 HinSchG sind nur auf Personen anwendbar, die intern gemäß § 17 HinSchG oder extern nach § 28 HinSchG Meldung erstattet haben (Arbeitsgericht Hamm 16.2.24, 2 Ca 1229/23, Abruf-Nr. 241011 in AA 24, 75).

12. Kündigung: Schwarzarbeit führt nicht immer zur Kündigung

Eine in einem Einzelfall vom ArbN gegenüber einem Kunden des ArbG angebotene, dem Umfang nach geringfügige und unentgeltliche Gefälligkeitsleistung in dessen Marktbereich, ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bereits an sich nicht geeignet, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden sollte und dadurch geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des ArbG nicht berührt werden. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG kommt es dabei nicht an (LAG Hamm 15.2.24, 8 Sa 845/23, Abruf-Nr. 241602 in AA 24, 113).

13. Kündigung: Weisungsrecht des ArbG bei der Schutzkleidung

Die Weisung des ArbG, rote Arbeitshosen als Schutz- und Arbeitskleidung zu tragen, ist aus sachlichen Gründen berechtigt. Sie schränkt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ArbN nicht unverhältnismäßig ein (LAG Düsseldorf 21.5.24, 3 SLa 224/24, Abruf-Nr. 242720 in AA 24, 140).

14. Kündigung: Weiterleiten von beruflichen E-Mails auf privaten Account

Nicht jeder Regelverstoß und damit auch nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO ist schon „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Dies ist jedoch der Fall, wenn die erfolgte Weiterleitung von E-Mails an den privaten E-Mail-Account des Mitarbeiters sensible Daten des Unternehmens und anderer Dritter betrifft (OLG München 31.7.24, 7 U 351/23e, Abruf-Nr. 243837 in AA 24, 165).

15. Kündigung: Beharrliche Arbeitsverweigerung führt zur Kündigung

Verweigert der ArbN unberechtigt einen Teil der Arbeitsleistung, steht ihm kein Anspruch auf Annahmeverzug zu. Es fehlt am erforderlichen Leistungswillen bezogen auf die durch das Direktionsrecht näher bestimmte Tätigkeit (LAG Düsseldorf 17.4.24, 12 Sa 747/23, Abruf-Nr. 242209 in AA 24, 169).

16. Mitbestimmung: Betriebsrat versus ChatGPT

Vorgaben des ArbG zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools in Form von Richtlinien oder Handbüchern fallen unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten und begründen kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG (Arbeitsgericht Hamburg 16.1.24, 24 BVGa 1/24, Abruf-Nr. 239886 in AA 24, 46).

17. Mitbestimmung: Kein Anspruch auf Papierform, wenn digital reicht

Ein ArbG, der den Bewerbungsprozess mithilfe eines Softwareprogramms digital durchführt, genügt seiner Pflicht zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen an den Betriebsrat, wenn er ein auf die im Programm hinterlegten Bewerbungsunterlagen bezogenes – mithilfe von zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit nutzbares – Einsichtsrecht gewährt und die Möglichkeit besteht, Notizen anzufertigen (BAG 13.12.23, 1 ABR 28/22, Abruf-Nr. 240997 in AA 24, 81).

18. Urlaub: Keine Ansprüche während des Sabbaticals

Urlaubsrechtlich besteht für die Zeit der völligen Freistellung im Sabbatical kein gesetzlicher oder tarifvertraglicher Anspruch auf Erholungsurlaub. Da der gesetzliche Urlaubsanspruch jahresbezogen zu ermitteln ist, ist bei einer geringeren völligen Freistellung als 12 Monate der Urlaubsanspruch für das betreffende Jahr zeitanteilig zu berechnen (LAG Berlin-Brandenburg 16.2.24, 1 Sa 1108/23, Abruf-Nr. 241599 in AA 24, 148).

19. Wiedereinstellung: Was gilt nach Erreichen der Altersgrenze?

Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen (BAG 25.4.24, 8 AZR 140/23, Abruf-Nr. 242220 in AA 24, 135).

AUSGABE: AA 1/2025, S. 12 · ID: 50267807

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