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Außerdienstliches VerhaltenBei repräsentativen Funktionen muss man sich in privaten Internetauftritten zurückhalten

Abo-Inhalt01.07.20226509 Min. Lesedauer

| Eine Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für etwa 1.000 Mitarbeiter muss bei Auftritten in Dating-Portalen Rücksicht auf ihre dienstliche Stellung nehmen. |

Sachverhalt

Die sehr bekannte Kommandeurin der Bundeswehr stellte in einem Dating-Portal ein Profilbild von sich in sitzender Pose mit erkennbaren Gesichtszügen und unter Verwendung ihres tatsächlichen Vornamens ein. Sie warb mit dem Text: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“

Nachdem dieses Profilbild dem Disziplinarvorgesetzten zugespielt worden war, sprach er ihr gegenüber einen einfachen Verweis aus. Das ist die niedrigste Disziplinarmaßnahme der Wehrdisziplinarordnung. Das Truppendienstgericht sah diese Disziplinarmaßnahme als rechtmäßig an. Hiergegen ging die Soldatin vor. Die Disziplinarmaßnahme greife in ihr Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht schütze auch alle legalen Handlungen, die der Kontaktaufnahme zu möglichen Sexualpartnern dienten. Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht sei nicht darauf ausgelegt, in dieses Grundrecht einzugreifen.

Auch wenn das Truppendienstgericht vorgebe, dass die „promiskuitive Lebensweise“ der Kommandeurin nicht Gegenstand des Verfahrens sei, werde ihr genau dies letztlich vorgehalten. Ihr Inserat reduziere weder sie selbst noch mögliche Partner zu reinen Sexobjekten. Auch die Ausführungen des Truppendienstgerichts zur Gefahr des Bekanntwerdens ihres Inserats sei nicht nachvollziehbar, weil es sich bei dem Dating-Portal um ein nichtöffentliches „geschlossenes System“ handele. Schließlich sei auch nicht erkennbar, dass durch den Text des Inserats die Gefahr einer „ernsthaften“ Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr bestehe.

Entscheidungsgründe

Das BVerwG (25.5.22, 2 WRB 2.21, Abruf-Nr. 229716) billigte die Disziplinarmaßnahme. Nach § 17 Abs. 2 S. 3 Soldatengesetz (SG) dürfe eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen. Die Kommandeurin dürfe zwar grundrechtlich geschützt privat ein promiskuitives Sexualleben führen. Durch die Formulierung in ihrem Profil habe sie aber Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden würde der Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziere. Dies wirke sich in der Öffentlichkeit negativ auf die Bewertung ihrer moralischen Integrität und den guten Ruf der Bundeswehr aus.

§ 17 SG: Verhalten im und außer Dienst

  • (1) Der Soldat hat Disziplin zu wahren und die dienstliche Stellung des Vorgesetzten in seiner Person auch außerhalb des Dienstes zu achten.
  • (2) Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Der Soldat darf innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen auch während der Freizeit sein Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.
  • (3) Ein Offizier oder Unteroffizier muss auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind.

Das BVerwG stellte zwar fest, dass die Begründung des Truppendienstgerichts rechtlichen Bedenken unterliege. Dieses sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die privaten Äußerungen der Soldatin in einem Partnerschaftsportal von der Öffentlichkeit der Bundeswehr als Ganzes zugerechnet werden. Auch habe es die Bedeutung der Grundrechte im Bereich der privaten Lebensführung nicht ausreichend gewürdigt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG enthalte ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Dazu gehöre, dass der Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen und sich für ein promiskuitives Sexualverhalten entscheiden könne. Der Schutz des Grundrechts erstrecke sich nicht nur auf die Intim- und Privatsphäre. Er schließe auch das Recht ein, in der Sozialsphäre, das heißt im Internet, Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen.

Die Entscheidung des Truppendienstgerichts erweise sich jedoch im Ergebnis als richtig. Denn die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlange, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehobenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für etwa 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nehme. Sie müsse daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken würden. Die Worte „offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome“ erweckten aus der Sicht eines verständigen Betrachters Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität. Die Formulierung durfte daher durch einen Verweis als mildeste Disziplinarmaßahme beanstandet werden.

Relevanz für die Praxis

Generell gilt auch für Soldaten der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, der sich auf das Sexualverhalten und die mit diesem verbundenen Betätigungen erstreckt. Wie im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis ist ein solcher Schutz aber nicht schrankenlos garantiert. Er schützt nicht stets vor Sanktionen, wie einem Verweis oder einer Abmahnung im zivilen Arbeitsrecht. Im Einzelnen kommt es stark auf die konkrete dienstliche oder arbeitsvertragliche Stellung des oder der Betroffenen und die damit verbundene Beeinträchtigung berechtigter Interessen des Dienstherrn oder ArbG an.

AUSGABE: AA 7/2022, S. 110 · ID: 48413887

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