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AufhebungsvertragWenn der Tod in der Vertragsabschlussphase des Aufhebungsvertrags kommt: Abfindung?

Abo-Inhalt23.03.20224112 Min. Lesedauer

| Ein Aufhebungsvertrag kommt ungeachtet des in der Vertragsabschlussphase eingetretenen Todes des ArbN auch zustande, wenn der ArbG das Angebot des ArbN vor dessen Tod bereits erhalten hat, es aber erst nach dem Tod des ArbN annimmt. Allerdings verlieren die Erben des ArbN infolge dessen Todes den Anspruch auf die Abfindung, weil der ArbN bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags die von ihm geschuldete Leistung (Aufgabe des Arbeitsplatzes) nicht mehr erbringen konnte und daher auch der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen im Wege der Erbfolge übergegangenen Abfindungsanspruch aus einem Aufhebungsvertrag. Der Ehemann der Klägerin, der ArbN, war ab dem 1.1.09 beim ArbG als Projektleiter tätig. Beide Parteien verhandelten Ende 2019 über ihre Rechtsanwälte einen Aufhebungsvertrag. Der Vertreter der ArbG übersandte dem ArbN-Vertreter mit E-Mail vom 23.12.19 eine neue Fassung eines Vertragsentwurfs, der die vom ArbN-Vertreter zuvor gewünschte Regelung aufgenommen hatte: „Des Weiteren bitte ich um Verständnis, dass in Anbetracht der Erkrankung unseres Auftraggebers mit aufgenommen werden sollte, dass der Abfindungsanspruch bereits jetzt entstanden und vererblich ist“.

Mit Schreiben vom 16.1.20 schickte der ArbN-Vertreter dem ArbG-Vertreter die vom ArbN unterzeichneten Exemplare des Aufhebungsvertrags. Am 25.1.20 verstarb der ArbN. Der Geschäftsführer des ArbG unterschrieb den Aufhebungsvertrag spätestens am 27.1.20; das Original ging dem ArbN-Vertreter am 31.1.20 zu. Der Aufhebungsvertrag enthält folgende für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Bestimmungen:

  • „1. ArbG und ArbN vereinbaren hiermit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt und auf Veranlassung des ArbG mit Ablauf des 30.6.20 enden wird.
  • 2. Der ArbG bezahlt an den ArbN für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 34.500 EUR brutto, zur Zahlung fällig am 30.6.20. Der Anspruch auf die Abfindung ist bereits mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung entstanden und damit vererblich.“

Mit ihrer Klage fordert die Ehegattin des verstorbenen ArbN die unter Ziff. 2 des Aufhebungsvertrags vereinbarte Abfindung. Der ArbG erklärte seinen Rücktritt vom streitbefangenen Aufhebungsvertrag. Die Ehegattin meint, dass der Tod auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags keine Auswirkungen habe. Der ArbG meint, der Aufhebungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, da ein diesbezüglicher mutmaßlicher Wille des Erblassers gem. § 153 BGB zweifelhaft sei. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt.

Entscheidungsgründe

In der Sache war die Berufung des ArbG vor dem LAG Baden-Württemberg (15.12.21, 2 Sa 11/21, Abruf-Nr. 227123) erfolgreich. Die Erbin habe keinen Anspruch auf Bezahlung der vereinbarten Abfindung i. H. v. 34.500 EUR brutto zuzüglich Zinsen aus dem zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und dem ArbG wirksam zustande gekommenen Aufhebungsvertrag, weil der ArbN die von ihm geschuldete Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB nicht mehr habe erbringen können.

Wie das Arbeitsgericht ist auch das LAG der Ansicht, dass der Aufhebungsvertrag zwischen dem ArbN und dem ArbG wirksam zustande gekommen ist. Der ArbG sei aber von der Verpflichtung zur Zahlung der Abfindung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB befreit worden. Grund sei, dass der ArbN die von ihm geschuldete Leistung im Zeitpunkt des Zustandekommens des Aufhebungsvertrags am 31.1.20 nicht mehr habe erbringen können.

Gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1-3 BGB nicht zu leisten braucht. In einem arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag vereinbaren ArbG und ArbN das vorzeitige Ausscheiden aus einem Dauerarbeitsverhältnis. Neben diesem einzig notwendigen Inhalt des Aufhebungsvertrags können die Parteien – wie vorliegend – vereinbaren, dass der ArbN als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung erhält. In diesem Fall schuldet der ArbN die (vorzeitige) Aufgabe des Arbeitsplatzes und der ArbG die Zahlung der vereinbarten Abfindung. Die vom Schuldner im Sinne der § 275 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung sei nach Ansicht des LAG weit zu fassen. Sie umfasse nicht nur eine Handlung, ein Unterlassen, die Nichtausübung eines Rechts oder auch die Abgabe einer Willenserklärung, sondern jedes Verhalten des Schuldners. Die vom ArbN bei Abschluss des Aufhebungsvertrags am 31.1.20 geschuldete „Leistung“, nämlich die Aufgabe des Arbeitsplatzes, sei zu diesem Zeitpunkt unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB geworden, weil er bereits zuvor am 25.1.20 verstorben sei. Das führe zum Ergebnis, dass die Erbin den Anspruch auf die als Gegenleistung vereinbarte Abfindung gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB verliere.

Relevanz für die Praxis

Die vorliegende Fallkonstellation ist von dem Sachverhalt zu unterscheiden, dass ein ArbN nach wirksamem Zustandekommen des Aufhebungsvertrags vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt verstirbt. Wird in einem Aufhebungsvertrag dem ArbN vom ArbG die Zahlung einer Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wann diese Leistung fällig sein soll. Wird der Vertrag vor dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen, ergibt die Auslegung zumeist, dass die Fälligkeit der Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten soll. Im vorliegenden Fall hatten die Parteien allerdings klar geregelt, dass die Abfindung mit Abschluss des Aufhebungsvertrags entstanden und damit vererblich sein solle. Wäre der ArbN nach Abschluss des Aufhebungsvertrags am 31.1.20 verstorben, wäre der ArbG zur Zahlung der Abfindung an die Klägerin verpflichtet gewesen. Das LAG ließ die Revision zum BAG zu.

AUSGABE: AA 4/2022, S. 58 · ID: 48108068

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