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PräventionWirksame Raucherentwöhnung durch die Zahnarztpraxis
| Die Zahnarztpraxis eignet sich hervorragend für Interventionen zur Raucherentwöhnung. Studienergebnisse zeigen auf, warum das so ist und welche Vorgehensweise erfolgreich ist. Belohnen sich ehemalige Raucher mit einer PZR oder Bleaching, profitiert die Praxis. |
Warum Tabakentwöhnung ein zahnärztliches Thema ist
Der Genuss von Tabak jedweder Art hat allgemeine und mundgesundheitliche Auswirkungen. So ist z. B. „ein Drittel der durch Mundhöhlenkrebs verursachten Sterblichkeit in der Welt auf Tabakrauchen zurückzuführen“ [1]. Zahnärzten fällt eine wichtige Rolle bei der Prävention tabakbedingter Erkrankungen zu, nicht nur weil die Abhängigkeit von Tabak oder Nikotin als chronische Erkrankung ein Eingreifen aller im Gesundheitsbereich Tätiger rechtfertigt, sondern auch, weil Raucher häufig bzw. regelmäßig einen Zahnarzt aufsuchen (in den USA sind es bspw. jährlich 47 Prozent der Raucher). Die Einbeziehung des ganzen Teams in die Tabakentwöhnung ist wichtig, da beobachtet wurde, dass Patienten der Dentalhygienikerin dafür mehr Aufmerksamkeit schenken [2]. Außerdem ermittelte eine systematische Übersichtsarbeit, dass signifikant mehr Personen mit dem Rauchen aufhörten, die von Zahnärzten und einer Nikotinersatztherapie oder E-Zigaretten unterstützt wurden als solche ohne verhaltensorientierte Unterstützung durch Zahnärzte [3]. Die Integration der Tabakentwöhnung in die Praxissoftware mit automatischen Erinnerungshilfen hat sich dabei als sehr nützlich erwiesen [2].
Drei Möglichkeiten der zahnärztlichen Intervention
Wissenschaftler empfehlen drei Kategorien der von Zahnärzten angebotenen Interventionen der Raucherentwöhnung, die einzeln oder kombiniert angewendet werden können.
Kurze pädagogische Intervention: Das 5-A-Modell
Die erste ist die sogenannte kurze pädagogische Intervention, die im 5-A-Modell ihre Umsetzung findet. Raucher sollen dabei
- 1. bezüglich Dauer, Menge und Art des Tabakkonsums befragt werden (1 Min.),
- 2. klar, eindringlich und individuell zum Rauchstopp angehalten werden (30 Sek.),
- 3. nach ihrer Bereitschaft, innerhalb der kommenden 30 Tage mit dem Rauchen aufzuhören, beurteilt werden. Ist der Raucher dafür bereit, wird die entsprechende Unterstützung eingeleitet. Ist er es nicht, wird versucht, seine Motivation mithilfe einer sogenannten Relevanzstrategie zu erhöhen (30 Sek.),
- 4. mit einem Plan zum Aufhören unterstützt und dabei ein Aufhördatum festgelegt werden (3–5 Min),
- 5. einen telefonischen oder persönlichen Termin vier Wochen nach dem festgelegten Rauchstopp-Datum erhalten [2].
Verhaltensbezogene Intervention
Mithilfe von Verhaltensänderungstechniken, die z. B. eine Motivationssteigerung, Beratung zur Unterstützung durch Medikamente oder in der Rückfallprävention etc. enthalten, sollen Raucher nicht nur animiert, sondern auch angeleitet und psychologisch unterstützt werden, das Rauchen aufzugeben [3]. Studien bestätigen den Erfolg der Verhaltensunterstützung über einen einzigen Termin hinaus: Hilfestellung in mehreren Sitzungen zeigte höhere Erfolge in der Raucherentwöhnung. Auch telefonische Beratung zur Raucherentwöhnung (Quitlines) ist ein evidenzbasiertes, hilfreiches Instrument [2].
Pharmakologische Intervention
Die dritte Intervention ist die Pharmakotherapie, die Entzugserscheinungen und das Verlangen nach Nikotin reduzieren soll und in Form einer Nikotinersatztherapie (Nikotin-Kaugummi, -Pastillen, -Pflaster, -Nasenspray, -Inhalatoren) oder Gabe von Vareniclin, Cytisin und Bupropion SR (Cave-Verschreibungsverbote für Zahnärzte in Deutschland) erfolgen kann. Forscher fanden heraus, dass bereits eine kurze Raucherentwöhnungsberatung von wenigen Minuten die langfristige Erfolgsquote für das Einstellen des Rauchens um 5 Prozent erhöht, die mithilfe einer begleitenden Pharmakotherapie, z. B. in Form einer Nikotinersatztherapie, um 50–70 Prozent gesteigert werden kann [2]. Dem zahnärztlichen Team sollten die oralen Nebenwirkungen von Nikotin-ersatzprodukten geläufig sein, wie z. B. hyperkeratotische Läsionen insbesondere nach häufiger Anwendung von Lutschtabletten auftreten können.
Zur Beurteilung der Stärke der Tabakabhängigkeit eignet sich für die zahnärztliche Praxis der sechs Fragen enthaltende Fagerström-Test [4]. Basierend auf der Gesamtpunktauswertung gibt das Testergebnis einen Anhaltspunkt, ob und in welcher Dosis eine Nikotinersatztherapie sinnvoll ist. Was wohl nicht Einzug in die Praxis findet, erwies sich in einer Studie als erfolgreich [5]: Ein kostenloses zweiwöchiges Starterkit Nikotinersatztherapie (Pflaster und Lutschtabletten) steigerte die Erfolgsaussicht des Rauchverzichtes.
Barrieren gegen eine Raucherentwöhnungsberatung
In einer amerikanischen Studie wurden Widerstände seitens der Patienten (66 Prozent), nicht vorhandene Kostenübernahme durch die Krankenversicherung (56 Prozent), fehlende Überweisungsmöglichkeiten (49 Prozent) und Zeitmangel (32 Prozent) als Barriere der Beratung zur Raucherentwöhnung ausgemacht [2]. Auch wenn in Deutschland eine Verhaltenstherapie zur Raucherentwöhnung nicht von den Krankenkassen gezahlt werden muss, sollte die Zahnarztpraxis behandlungsbegleitend oder in der Prophylaxesitzung einen Rauchstopp ansprechen. Denn krankenkassenindividuell werden häufig Kurskosten zumindest anteilig übernommen und auch bei der Verordnung von Medikamenten gibt es aktuelle Änderungen (s. Kasten).
Praxis profitiert von der Belohnung PZR oder Bleaching
Es konnte gezeigt werden, dass Produkte aus der Nikotinersatztherapie, die zahnaufhellend wirken, Praxen bei ihren Bemühungen zur Raucherentwöhnung unterstützen und die Compliance des Patienten erhöhen können. Wirksam erwies sich z. B. das Kaugummi Nicorette® Freshmint Gum zum Reduzieren von Verfärbungen [2, 6]. Und wer sich belohnt, hält manchmal (länger) durch. Da Raucher häufig unter ihren Zahnverfärbungen leiden, können sie sich während oder auch nach dem erfolgreichen Rauchstopp z. B. mit einer PZR oder einem Bleaching belohnen. Die Praxis kann so von der Raucherentwöhnung doppelt profitieren – neben der zweifelsohne erfolgten Patientenbindung nach einem erfolgreichen Einstellen des Rauchens.
Neuer Leistungsanspruch auf Arzneimittel zur Tabakentwöhnung |
Laut dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) von Mitte Mai 2025 [7] haben gesetzlich Versicherte mit einer schweren Tabakabhängigkeit, die an einem evidenzbasierten Entwöhnungsprogramm teilnehmen, künftig einen Anspruch auf die Verordnung von Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Nicotin oder Vareniclin zur Tabakentwöhnung als Kassenleistung (vorbehaltlich der Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit). Nicotinhaltige Arzneimittel dürfen miteinander kombiniert werden, sofern es sich um die Kombination eines Arzneimittels in der Darreichungsform „Transdermales Pflaster“ mit einer weiteren Darreichungsform handelt. Eine Kombination von nicotinhaltigen mit vareniclinhaltigen Arzneimitteln ist nicht erlaubt. Darüber hinaus sind die ebenfalls zur Tabakentwöhnung zugelassenen Wirkstoffe Cytisin und Bupropion weiterhin keine Kassenleistung. Per Definition besteht eine schwere Tabakabhängigkeit bei der Diagnose „Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Abhängigkeitssyndrom“ (F17.2). Neben der Diagnose muss der Fagerström-Test einen Mindestwert von 6 haben. Der Test ist nicht notwendig, wenn bei vorhandenen Risikokonstellationen wie COPD, Asthma, kardiale/kardiovaskuläre Erkrankungen oder Schwangerschaft ein Rauchstopp nicht gelingt. Ein evidenzbasiertes Programm zur Raucherentwöhnung ist laut Beschluss auch eine dauerhaft im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommene digitale Gesundheitsanwendung (DiGA), derzeit die Apps „Nichtraucherhelden“ [8] und „Smoke Free“ [9]. |
- [1] Nocini R, Lippi G, Mattiuzzi C. The worldwide burden of smoking-related oral cancer deaths. Clin Exp Dent Res. 2020; 6 (2): 161–164. doi.org/10.1002/cre2.265
- [2] Gajendra S, McIntosh S, Ghosh S. Effects of tobacco product use on oral health and the role of oral healthcare providers in cessation: A narrative review. Tob Induc Dis. 2023 Jan 25; 21: 12. doi.org/10.18332/tid/157203
- [3] Michi S, Hyder N, Walia A, West R. Development of a taxonomy of behaviour change techniques used in individual behavioural support for smoking cessation. Addict Behav. 2011; 36 (4): 315–319. doi.org/10.1016/j.addbeh.2010.11.016
- [4] Batra A. Fagerström Test für Nikotinabhängigkeit. Abruf unter iww.de/s13100
- [5] Carpenter MJ, Wahlquist AE, Dahne J et al. Nicotine replacement therapy sampling for smoking cessation within primary care: results from a pragmatic cluster randomized clinical trail. Addiction. 2020; 115 (7): 1358–1367. doi.org/10111/addd.14953
- [6] Whelton H, Kingston R, O‘Mullane D, Nilsson F. Randomized controlled trial to evaluate tooth stain reduction with nicotine replacement gum during a smoking cessation program. BMC Oral Health. 2012 Jun 13; 12: 13. doi.org/10.1186/1472-6831-12-13
- [7] g-ba.de/beschluesse/7210/
- [8] diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01085
- [9] diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01909
Praxistipp | Weiterlesen im ZR Zahnmedizinreport! In Ausgabe 05/2025 haben wir uns ausführlich dem Thema „Rauchen und Mundgesundheit“ gewidmet. Sie finden den Beitrag unter iww.de/zr > Heft-Archiv (iww.de/zr/archiv/2025/5).
AUSGABE: ZP 6/2025, S. 16 · ID: 50399734