Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juni 2025 abgeschlossen.
PraxismarketingWerberecht für Zahnärzte (Teil 2): Aktuelle Rechtsprechung und deren Auswirkungen
| Eine professionelle Außendarstellung und effiziente Werbung erfordert im (zahn-)ärztlichen Bereich zwingend die Beachtung gesetzlicher Vorgaben. Denn Werbung im Gesundheitswesen ist zwar in den letzten Jahren um einiges erleichtert worden, aber immer noch streng reglementiert. In Teil 1 dieses Beitrags in ZP 05/2025, Seite 12 haben wir Ihnen die rechtlichen Grundkenntnisse zum Thema „Werberecht für Zahnärzte“ vermittelt. In diesem zweiten und letzten Teil stellen wir Ihnen aktuelle Urteile vor, die den Rahmen und die Grenzen zulässiger Werbung aufzeigen. |
Inhaltsverzeichnis
Aktuelle Rechtsprechung zum Werberecht für Zahnärzte
Die folgenden Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung können erste Orientierung geben und die rechtlich oft anspruchsvolle Einordnung im Einzelfall erleichtern.
OLG Oldenburg: Irreführende Werbung mit fachärztlicher Qualifikation
Ein niedergelassener Zahnarzt verfügte über einen in Österreich erworbenen Master of Science „Kieferorthopädie“, allerdings nicht über den von der Landeszahnärztekammer (LZÄK) anerkannten Fachzahnarzttitel „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ nach der entsprechenden Weiterbildungsordnung (WBO). Er bewarb seine Praxis über verschiedene Medien und wurde in Einträgen auf Google als „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ und „Kieferorthopäde“ bezeichnet. Darüber hinaus war das Foto eines Praxisschilds mit der Aufschrift „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ zu finden. Ein Wettbewerbsverein klagte auf Unterlassung wegen Irreführung der Verbraucher.
Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg bestätigte mit Urteil vom 30.04.2021 (Az. 6 U 263/20) die Entscheidung der Vorinstanz (Details unter iww.de/zp > Abruf-Nr. 47431118). Die zitierten Begriffe seien irreführend, wenn der Zahnarzt keinen anerkannten Fachzahnarzttitel besitze. Das Gericht betonte, dass eine erhebliche Anzahl durchschnittlich informierter Patienten einen Fachzahnarzt für Kieferorthopädie auswähle, weil die Patienten bei diesem besondere Fachkunde auf dem Gebiet der Kieferorthopädie und damit einhergehend die grundsätzlich von jedem Patienten gewünschte bestmögliche Behandlung erwarteten, und dass sie in Kenntnis der wahren Umstände einen Zahnarzt mit einer tatsächlich absolvierten Weiterbildung ausgewählt hätten.
Das OLG bejahte einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die WBO. Der Zahnarzt müsse sich auch Interneteinträge zurechnen lassen, selbst wenn diese von Dritten stammten, weil er sie veranlasst oder nicht ausreichend gelöscht habe. Berufsrechtlich dürfe ein Zahnarzt eine berufswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden und habe dem entgegenzuwirken.
BGH: Irreführende Werbung im Bereich der Kieferorthopädie
Während das OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Sachverhalt als Berufungsgericht eine Irreführungsgefahr verneint hatte, gab der BGH der klagenden zuständigen LZÄK im Wesentlichen Recht (Urteil vom 29.07.2021, Az. I ZR 114/20). Dabei navigierte der BGH zwischen Qualifikation, Tätigkeitsschwerpunkt und Fachzahnarzttitel. Wirbt somit ein Zahnarzt, der über ausgewiesene Kenntnisse verfügt (hier: Masterabschluss mit dem Titel „Master of Science Kieferorthopädie [MSc]) und einen Tätigkeitsschwerpunkt im Bereich „Kieferorthopädie“ angezeigt hat, aber nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, mit den Angaben „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“, muss er der dadurch ausgelösten Fehlvorstellung eines erheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegenwirken. Wenn der Zahnarzt sonach genaue, zutreffende Angaben macht und mit seinem Masterabschluss sowie seinem Tätigkeitsschwerpunkt wirbt, ist das zulässig. Der Eindruck, der Zahnarzt sei (auch) Fachzahnarzt, ist allerdings durch sorgfältige Formulierung zu vermeiden.
BGH: Irreführende Angabe mit ärztlicher Fachqualifikation
Erneut befasste sich der BGH mit der Kieferorthopädie (Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 5/21). Hintergrund war ein Imagefilm auf YouTube. Die dortige Zahnärztin (Gesellschafterin eines Z-MVZ) präsentierte sich als „E.D., Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“. Zudem wurde im Internetauftritt die Angabe „Unsere Kinderzahnärzte in H.“ verwendet und im Impressum die Praxis als „Praxis für Kinderzahnmedizin & Kieferorthopädie“ bezeichnet. Dagegen klagte die zuständige LZÄK. Ob die Angabe „Kinderzahnarzt“ irreführend ist, blieb offen. Der BGH stimmte jedoch dem Berufungsgericht zu, wonach die Kombination mit der Bezeichnung „Kieferorthopädin“ im wettbewerbsrechtlichen Sinne irreführend sei.
Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung des Verkehrsverständnisses sei laut BGH auf Eltern abzustellen, die für ihre Kinder einen Zahnarzt suchten, und auf ältere Kinder, die bereits selbstständig zahnärztliche Leistungen nachfragten oder über den Behandler mitentschieden. Stünden die Bezeichnung als Kinderzahnärztin in unmittelbarem Zusammenhang mit einer bekannten Fachzahnarztbezeichnung (Kieferorthopädin), sehe der Verkehr die Bezeichnungen als gleichwertig nebeneinanderstehend an.
Die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend sei, richte sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr diese Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks verstehe. Die Angabe „Kinderzahnärztin“ beziehe sich nicht auf die Praxis, sondern auf die fachliche Qualifikation der Zahnärztin, sodass ein Verständnis, wonach allein eine kindgerechte Praxisausstattung beworben werde, fernliege. Den angesprochenen Verkehrskreisen sei auch klar, dass staatlicherseits an die (zahn-)ärztliche Qualifikation aus Gründen des Gesundheitsschutzes strenge Anforderungen gestellt würden. In der Form „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ werde die Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ zudem mit der bekannten Fachzahnarztbezeichnung gleichgesetzt. Bei diesem Verkehrsverständnis werde erwartet, dass die sich so bezeichnende Zahnärztin über eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde verfüge – was hier nicht der Fall war. Zur Vermeidung einer solchen Fehlvorstellung sei der Zahnärztin zuzumuten, auf andere Begriffe auszuweichen, die ihre besondere fachliche Qualifikation konkret benennen würden.
BGH: Keine irreführende Angabe mit zahnärztlicher Praxisbezeichnung
Hingegen hat der BGH in einer Parallelentscheidung die – alleinige – Praxisbezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ nicht beanstandet (Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 217/20). Gegenstand der Entscheidung war die Beanstandung der Werbung einer niedergelassenen Zahnärztin wegen der Verwendung der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ durch die zuständige LZÄK. Das Berufungsgericht hatte eine von der Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ ausgehende Irreführungsgefahr verneint. Dem schloss sich der BGH an. Weil es in diesem Gebiet keine Fachzahnarztbezeichnung gebe und nur ein Tätigkeitsschwerpunkt ausgewiesen werden könne, bleibe offen, weshalb – nach Ansicht der LZÄK – die Werbung eines einfachen approbierten Zahnarztes mit der Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ die Erwartung des Verkehrs nach der für die Behandlung von Kindern erforderlichen Qualifikation enttäuschen müsse. Der Begriff „Kinderzahnarztpraxis“ löse bei den angesprochenen Verkehrskreisen (Eltern und ältere Kinder, s. o.) nicht die Vorstellung einer besonderen fachlichen Qualifikation aus; vielmehr erwarteten sie eine kindgerechte Praxisausstattung und für die Belange von Kindern aufgeschlossene Zahnärzte, während sie deren fachliche Eignung als selbstverständlich voraussetzten. Weitere Details zum Urteil in ZP 07/2022, Seite 2.
BerufsG Heilberufe Münster: Berufsrechtswidrige Werbung für Aligner
Im Sachverhalt ging es um die Kooperation eines Zahnarztes mit einem Aligner-Hersteller. Auf der Internetseite der Praxis des betroffenen Zahnarztes B1. und auf seinem Internetauftritt bei Facebook waren Werbebilder und Werbeanzeigen mit dem Aligner-Hersteller J. geschaltet. Die Werbeaussagen: „J.: Die durchsichtige Zahnspange für Dein schönstes Lächeln“, „Zeig Dein schönstes Lächeln mit J. und B1.“, „Was ist J.?“, „Was ist besonders an J.?“, „Warum J. bei B1.?“ waren mit Aussagen: „Viele Aligner-Lösungen lassen Dich bei der Zahnkorrektur alleine. So kann der Behandlungsablauf nicht überprüft werden …“ und „Bei B1. in N. wird der Behandlungserfolg fortlaufend vom Zahnarzt kontrolliert. Nur so kannst Du das bestmögliche Ergebnis erhalten …“ kombiniert. Die LZÄK erteilte B1. eine Rüge.
Das Gericht hielt die Rüge aufrecht, der Rahmen berufsrechtlich zulässiger Werbung sei durch die gerügten Werbeaussagen überschritten (Beschluss vom 19.06.2023, Az. 18 K 3561/21.T). Die Werbung, die mit reißerischen bzw. marktschreierischen Mitteln ausschließlich auf einen Anbieter hinweise und allein die Vorzüge dessen Produkts hervorhebe, sei übermäßige anpreisende Fremdwerbung. Damit werde der Eindruck erweckt, dass sich der Zahnarzt bei seiner Therapieentscheidung durch sachfremde Erwägungen in Form finanzieller Vorteile leiten lasse. Weitere Details zum Urteil lesen Sie in ZP 05/2024, Seite 3. In ZP 04/2022, Seite 2 und ZP 06/2022, Seite 9 finden Sie Entscheidungen zur Werbung mit Alignern.
LG Aurich: Werbung für Zahnreinigungs-Flatrate
Ein Unternehmen ohne zahnheilkundliche/vertragszahnärztliche Zulassung warb für zahnärztliche Leistungen ihres approbierten Geschäftsführers und für eine „Zahnreinigungs-Flatrate“ einer Versicherung mit dem Slogan „Professionelle Zahnreinigung für nur 9 Euro im Monat mit 100 Prozent Erstattung“. Ein Wettbewerbsverein klagte gegen Unternehmen und Zahnarzt auf Unterlassung. Das Landgericht (LG) Aurich gab der Klage statt und stufte die Werbung als irreführend ein (Urteil vom 10.11.2023, Az. 6 O 393/23). Der gesamte Auftritt des Unternehmens täusche Patienten über die angebotenen Leistungen, womit der Eindruck entstünde, das Unternehmen selbst erbringe zahnärztliche Leistungen – ohne hierzu befugt zu sein. Der betroffene Zahnarzt verstoße als verantwortlicher Geschäftsführer gegen Berufsrecht, weil ein Zahnarzt keine gewerbliche Fremdwerbung zulassen dürfe. Das gelte auch für die Werbung für eine „Zahnreinigungs-Flatrate“ einer Versicherung.
Ebenfalls das LG Aurich entschied über die Werbung eines Zahnarztes zur Intraoralscanner-Technik, die positive Erwartungen erzeugen würde, welche nach Ansicht des Gerichts durch die objektiven Behandlungsaussichten nicht gerechtfertigt sind (Urteil vom 26.01.2022, Az. 2 O 895/19; ZP 01/2023, Seite 2).
LG Offenburg: Zentrum – keine irreführende Bezeichnung
Vor dem LG stritten Zahnarztpraxen über die Bezeichnung der beklagten Praxis mit zwei Zahnärzten als „Zahnzentrum“. Die klagenden Zahnärzte sahen hierin eine Irreführung, da der Begriff „Zentrum“ eine überragende Stellung suggeriere. Das Gericht wies die Klage ab, die Bezeichnung „Zahnzentrum“ sei nicht irreführend und nicht wettbewerbswidrig (Urteil vom 12.06.2024, Az. 5 O 25/23 KfH). Für den Begriff „Zentrum“ sei kein ähnlicher Bedeutungswandel wie für den Begriff „Center“ festzustellen. Der Begriff „Zentrum“ werde grundsätzlich vom Verkehr noch weitgehend im Wortsinn verstanden, es müsse sich um ein Unternehmen von besonderer Bedeutung oder Größe handeln. Gerade für den medizinischen Bereich hebe die neuere Rechtsprechung jedoch darauf ab, dass es nicht mehr auf eine besondere Größe ankommen könne. Aufgrund aktueller Entwicklungen im Gesundheitsrecht sei auch kleineren Praxen mit besonderer Ausstattung und Spezialisierung die Bezeichnung „Zentrum“ erlaubt. Im Vergleich mit einem MVZ, das ebenfalls nur zwei med. Mitarbeiter benötige, aber den Begriff „Zentrum“ schon im Namen führe, sei es gleichheitswidrig, die Verwendung dieses Begriffs einer zahnärztlichen Praxis mit mindestens zwei med. Mitarbeitern zu versagen. Zudem würden in der beklagten Praxis bestimmte zahnmedizinische Schwerpunkte wie Oralchirurgie und Kieferorthopädie angeboten. Diese würden offenbar derart qualifiziert ausgeführt, dass selbst Patienten anderer Praxen für diese Behandlungsformen an die Praxis des Beklagten überwiesen würden. Hierfür sei die Praxis auch entsprechend überdurchschnittlich ausgestattet. Nicht zuletzt die Überweisung von Patienten durch andere Zahnarztpraxen erlaube gerichtlich Rückschlüsse auf eine bestimmte Zentrumsfunktion.
Das LG bezog sich in seinen Entscheidungsgründen insbesondere auf ein Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 11.05.2023, wonach eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Ärzten als „Zentrum“ bezeichnet werden darf (Az. 6 U 4/23; Details in ZP 07/2023, Seite 4).
AUSGABE: ZP 6/2025, S. 9 · ID: 50406350