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Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Das müssen Zahnarztpraxen für ihre barrierefreie Website wissen!

Abo-Inhalt26.06.20256037 Min. LesedauerVon Dr. Sebastian Schulz, ieQ-health GmbH & Co. KG, Münster

| Am 28.06.2025 ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft getreten, das die digitale Inklusion für Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Personen mit temporären Einschränkungen fördern soll. Für Ihre Zahnarztpraxis bedeutet das die Pflicht, Ihre Websites barrierefrei zu gestalten, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen. |

Was ist das BFSG?

Das BFSG ist die deutsche Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act, EAA). Es zielt darauf ab, digitale Produkte und Dienstleistungen so zugänglich zu machen, dass niemand aufgrund von Einschränkungen/Handicaps ausgeschlossen wird. Für Zahnarzt- sowie Arztpraxen relevant ist insbesondere die Barrierefreiheit von Praxiswebsites und mobilen Anwendungen, die Dienstleistungen wie Online-Terminbuchung oder Videosprechstunden anbieten. Schon eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme (z. B. Nennung der Telefonnummer, der Mailadresse und/oder der Kontaktdaten) könnte in diesem Sinne bereits inkludiert sein, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

Gilt das BFSG überhaupt für meine Praxis?

Nicht jede Praxiswebsite fällt automatisch unter das BFSG. Entscheidend ist, ob Ihre Website „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ anbietet, z. B.

  • Online-Terminbuchungen,
  • Videosprechstunden,
  • den Verkauf von Produkten/Dienstleistungen bzw. deren Anbahnung usw.
  • Unter Umständen reicht schon das Angebot der Kontaktaufnahme in Form der Nennung einer Telefonnummer, der Mailadresse bzw. den konkreten Kontaktdaten.

Ausnahmen gelten für:

Merke | Aufgrund der Auslegbarkeit der Formulierungen im BFSG kann dieser Artikel keine individuelle Rechtsberatung ersetzen. Sprechen Sie daher im Zweifel mit einem spezialisierten Anwalt.

  • Kleinstunternehmen: Praxen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme unter 2 Mio. Euro.
  • Reine Präsentationswebsites: Websites, die nur Informationen (z. B. Öffnungszeiten, Leistungen) ohne interaktive Funktionen oder spezifische Kontaktmöglichkeiten zur Terminvereinbarung bereitstellen, sind wahrscheinlich nicht betroffen. Dennoch sollte im Sinne der Inklusion (gerade im Gesundheitsbereich, der gewissermaßen eine Vorbildfunktion einnehmen sollte) sowie der perspektivisch besseren Findbarkeit über die Suchmaschinen und KI-Anwendungen überlegt werden, die eigene Praxiswebsite barrierefrei umzusetzen – dazu unten mehr.

Welche Anforderungen stellt das BFSG?

Das BFSG orientiert sich an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, Stufe AA, die international anerkannte Standards für digitale Barrierefreiheit definieren. Wichtige Maßnahmen für Ihre Praxiswebsite – so diese unter die Vorgaben des BFSG fällt – sind:

  • Wahrnehmbarkeit: Informationen müssen über mehrere Sinne zugänglich sein, z. B. durch sog. Alt-Texte („Alternativ-Texte“) für Bilder (z. B. für Screenreader) oder Untertitel für Videos.
  • Bedienbarkeit: Die Navigation muss auch per Tastatur möglich sein, nicht nur per Maus.
  • Verständlichkeit: Klare, einfache Sprache und logische Strukturen (z. B. durch hierarchische und aussagekräftige Überschriften).
  • Robustheit: Inhalte müssen mit assistiven Technologien wie Screenreadern kompatibel sein.
  • Hohe Kontraste: Ein deutlicher Hell-Dunkel-Kontrast zwischen Text und Hintergrund ist Grundvoraussetzung für die Lesbarkeit.
  • Mobile Optimierung: Die Website muss auf Smartphones und Tablets einwandfrei funktionieren – dies sollte sie allein aufgrund der Mediengewohnheiten der User und auch im Sinne des Praxismarketings im Idealfall sowieso schon sein.
  • Zusätzlich muss eine Barrierefreiheitserklärung im Fußbereich Ihrer Website platziert werden, die die Konformität mit dem BFSG bestätigt.

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

Eine barrierefreie Website ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern bietet Ihrer Praxis auch viele Vorteile:

  • Größere Reichweite: Sie erreichen mehr Patienten, einschließlich Menschen mit Einschränkungen, die eine große Anzahl an der Bevölkerung ausmachen. Zudem sollte insbesondere der Gesundheitsbereich hier eine Vorreiterrolle einnehmen, sind es doch genau diese Menschen, die (zahn-) ärztliche Hilfe häufig besonders benötigen!
  • Bessere Nutzerfreundlichkeit: Klare Strukturen und einfache Navigation kommen allen Nutzern zugute – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass Homepages inzwischen vor allem mobil auf dem Handy konsumiert werden, wo eine gute Übersichtlichkeit besonders wichtig ist.
  • Vertrauensaufbau: Barrierefreiheit signalisiert Professionalität und Patientenorientierung – vor allem im sensiblen Gesundheitsbereich wichtig, s. o.
  • Flexibilität: Ob mobile Nutzung, Screenreader, Tastatursteuerung – Ihre Praxiswebsite ist für jeden Anwendungsfall durch die Umsetzung der o. g. Kriterien gut aufgestellt.
  • SEO-Vorteile: Suchmaschinen wie Google bevorzugen dauerhaft gut strukturierte, barrierefreie Websites.

Was passiert bei Verstößen?

Verstöße gegen das BFSG könnten ggf. rechtliche Konsequenzen haben:

  • Bußgelder: Marktüberwachungsbehörden könnten Verstöße ahnden.
  • Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen: Mitbewerber oder Verbände könnten rechtlich gegen Sie vorgehen.

Wie setzen Sie Barrierefreiheit um?

Um die o. g. Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) konsequent und korrekt umzusetzen, sind die 65 Prüfschritte des BIK-BITV-Tests basierend auf der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) anzuwenden. Diese umfassen alle 55 Kriterien der BITV 2.0, die auf den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) basieren. So stellen Sie sicher, dass Websites barrierefrei und für alle Nutzer zugänglich sind. Folgende Schritte sind u. a. wichtig:

  • Prüfung der aktuellen Website: Lassen Sie Ihre Website auf Barrierefreiheit testen und identifizieren Sie Optimierungspotenziale.
  • Anpassung von Design, Funktion und Code: Implementieren Sie WCAG-konforme Maßnahmen, z. B. Alt-Texte, Tastaturnavigation, Vermeidung dynamischer Effekte und kontrastreiche Farben.
  • Barrierefreiheitserklärung: Erstellen und veröffentlichen Sie eine Erklärung zur Konformität.
  • Regelmäßige Wartung: Barrierefreiheit muss bei jeder Änderung der Website überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

In der Online-Version dieses Beitrags (iww.de/zp > Abruf-Nr. 50414744) erläutern wir ausführlich anhand von Beispielen die Kriterien, die auf den vier Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) basieren: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich robust.

Textalternativen für Bilder (Alt-Texte), Alt = „alternativ“

Jedes Bild auf der Website muss eine kurze Beschreibung (Alt-Text) haben, die erklärt, was darauf zu sehen ist. Diese Beschreibung wird von Screenreadern vorgelesen. Ausgenommen: rein dekorative Bilder („Zierbilder“).

Beispiel

Ein Bild von einem Hund hat den Alt-Text: „Brauner Labrador sitzt vor seinem Körbchen.“

Warum ist das wichtig? User, die blind sind oder schlecht sehen, können verstehen, was das Bild zeigt, weil der Screenreader es ihnen vorliest.

Hoher Farbkontrast

Texte und Hintergründe müssen klare Farbunterschiede haben, damit sie leicht lesbar sind. Der Kontrast muss ein bestimmtes Mindestverhältnis erfüllen (z. B. 4,5:1 für normale Schrift).

Beispiel

Schwarzer Text auf weißem Hintergrund statt hellgrauer Text auf weißem Hintergrund.

Warum ist das wichtig? User mit Sehschwäche oder Farbenblindheit können den Text besser erkennen. Auch bei Sonneneinstrahlung ist die Seite gut lesbar.

Tastaturnavigation

Alle Funktionen der Website (z. B. Links, Buttons, sog. Toggler [ausklappbare Texte], Formulare) müssen nur mit der Tastatur bedienbar sein, ohne Maus.

Beispiel

Der User kann mit der Tab-Taste durch ein Menü auf der Praxiswebsite navigieren und mit Enter einen Link auswählen.

Warum ist das wichtig? User, die keine Maus benutzen können (z. B. wegen motorischer Einschränkungen), können die Website ebenfalls vollständig nutzen.

Untertitel für Videos

Videos müssen Untertitel haben, die den gesprochenen Inhalt und wichtige Geräusche beschreiben.

Beispiel

Ein Video in der Praxiswebsite mit einer Rede hat Untertitel, die den Text und Geräusche wie Applaus wiedergeben.

Warum ist das wichtig? User, die taub sind oder schlecht hören, können den Inhalt des Videos verstehen.

Keine zeitlichen Begrenzungen

Nutzer dürfen so viel Zeit haben, wie sie brauchen, um Inhalte zu lesen oder Formulare auszufüllen. Automatische Timeouts sollten deaktivierbar sein.

Beispiel

Ein Online-Formular auf der Praxiswebsite speichert Eingaben, auch wenn der Nutzer länger braucht, und loggt ihn nicht automatisch aus.

Warum ist das wichtig? User mit langsamer Reaktionszeit oder kognitiven Einschränkungen können die Website stressfrei nutzen.

Beschreibende Linktexte

Links sollten klar beschreiben, wohin sie führen, statt vager Formulierungen wie „Hier klicken“.

Beispiel

Statt „Mehr Infos“ steht „Zum Produktkatalog“.

Warum ist das wichtig? User von Screenreadern und alle anderen verstehen sofort, was sie erwartet, wenn sie den Link anklicken.

Kompatibilität mit Hilfstechnologien

Die Website muss mit Screenreadern, Sprachsteuerung oder anderen Hilfsmitteln funktionieren. Der Programmiercode muss sauber und standardkonform sein.

Beispiel

Ein Formular ist so programmiert, dass ein Screenreader erkennt, welches Feld für den Namen ist.

Warum ist das wichtig? User, die auf sog. assistive Technologien angewiesen sind, können die Website problemlos nutzen.

Vermeidung von blinkenden Inhalten

Inhalte, die blinken oder schnell flackern, sollten vermieden werden, um epileptische Anfälle zu verhindern.

Beispiel

Keine Werbebanner z. B. auf der Startseite der Praxiswebsite mit schnellem Blinken (mehr als 3 Mal pro Sekunde).

Warum ist das wichtig? Menschen mit Epilepsie oder Lichtempfindlichkeit können die Website sicher nutzen.

Fehlerhinweise in Formularen

Wenn ein Nutzer ein Formular falsch ausfüllt, muss deutlich erklärt werden, was falsch ist und wie es korrigiert werden kann.

Beispiel

Bei einem falschen Geburtsdatum erscheint: „Bitte geben Sie das Datum im Format TT.MM.JJJJ ein.“

Warum ist das wichtig? User mit kognitiven Einschränkungen oder wenig Technikerfahrung können Fehler leichter verstehen und beheben.

Skalierbare Inhalte

Texte und Layouts müssen sich vergrößern lassen (bis 200 %) ohne, dass Inhalte verschwinden oder unlesbar werden.

Beispiel

Ein Nutzer zoomt die Website im Browser, und der Text bleibt klar und das Layout intakt.

Warum ist das wichtig? User mit Sehschwäche können die Inhalte vergrößern und trotzdem alles lesen.

Logische Struktur und Überschriften

Die Website muss eine klare Struktur mit Überschriften (H1, H2, etc., H=Headline) haben, die den Inhalt gliedern.

Beispiel

Eine Seite hat eine Hauptüberschrift „Unser Angebot“ und Unterüberschriften wie „Produkte“ und „Dienstleistungen“.

Warum ist das wichtig? User von Screenreadern und alle anderen können die Inhalte schneller erfassen und einfacher navigieren.

Fazit | Das BFSG ist eine Chance, Ihre Praxiswebsite moderner, inklusiver und patientenfreundlicher zu gestalten. Prüfen Sie direkt, ob Ihre Praxis betroffen ist, und starten Sie frühzeitig mit der Umsetzung. Auch wenn Sie nicht betroffen sind, macht die Umsetzung aus den aufgezeigten vielfältigen Gründen sehr viel Sinn und sollte – auch mit Blick auf das eigene Praxismarketing, Stichwort SEO – bereits jetzt sorgfältig abgewogen werden.

Zudem wird einmal mehr deutlich, warum auch Praxishomepage und Praxismarketing in die Hände von Profis gehören: Wie in der (Zahn-)Medizin selbst, sind auch der Spezialisierungsgrad und das notwendige Wissen für professionelles Praxismarketing in den vergangenen Jahren eklatant gestiegen und Praxen tappen schnell in Fallen oder werden weniger Erfolg haben, wenn an der falschen Stelle gespart wird. Dies betrifft auch die laufende Pflege einer Website.

Weiterführende Links

AUSGABE: ZP 7/2025, S. 12 · ID: 50414744

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