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ArbeitsrechtKündigen, weil es im Team knirscht? Unter bestimmten Umständen möglich!
| Die meisten ZFA arbeiten sorgfältig, zuverlässig und denken mit. Es gibt aber auch unmotivierte Kolleginnen, die regelmäßig Streit im Team verursachen. In einem sog. Kleinbetrieb mit weniger als zehn Mitarbeitern ist es dann grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Arbeitgeber bei einer Kündigung auf solche Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt. Die geringe Anzahl von Beschäftigten und die Tatsache, dass man sich in einer Zahnarztpraxis auch nicht aus dem Weg gehen kann, rechtfertigt es – anders als im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) – Kündigungen auch zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Teamstruktur auszusprechen (Landesarbeitsgericht [LAG] Köln, Urteil vom 23.01.2024, Az. 4 Sa 389/23.) |
Inhaltsverzeichnis
Der Sachverhalt
Eine Zahnarztpraxis mit weniger als zehn Arbeitnehmern kündigte einer krankgeschriebenen ZFA mit Schreiben vom 30.05.2022 ordentlich und fristgerecht mit Wirkung zum 30.06.2022. Zur Begründung dieser Kündigung trug die Praxis vor, dass es Konflikte im Team der Praxis gegeben habe. Zuletzt habe die Klägerin zur Vermeidung von Konflikten lediglich noch Zahnreinigungen durchgeführt, um nicht mehr im Team mit anderen Kolleginnen arbeiten zu müssen. Die Konflikte hätten jedoch fortgedauert. Letztlich Auslöser der Kündigung war ein Telefonat im Anschluss an eine wiederholte Krankmeldung. Über den Inhalt des Gesprächs gehen die Meinungen von ZFA und Praxisleitung auseinander. Die Praxis behauptet, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für die Kündigung gewesen, vielmehr sei die Kündigung aufgrund der bestehenden Konflikte ausgesprochen worden. Die ZFA führt an, man habe ihr wegen ihres Fernbleibens von der Arbeit gekündigt. Sie räumte aber auch ein, dass es im Team Konflikte gegeben habe.
Schlussendlich legte die ZFA gegen die Kündigung fristgerecht Kündigungsschutzklage ein. Sie vertritt die Auffassung, dass die Kündigung gegen das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot verstoße und daher unwirksam sei. Die Kündigung sei ausgesprochen worden, obwohl sie mit ihrer Krankschreibung ein ihr zustehendes Recht ausgeübt habe.
Das Arbeitsgericht Köln verneinte einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB und wies die Klage der ZFA ab (Urteil vom 08.11.2022, Az. 4 Ca 4242/22). Eine Kündigung aus Anlass einer Krankmeldung ist nur dann eine unzulässige Maßregelung, wenn gerade das zulässige Fernbleiben von der Arbeit sanktioniert werden soll. Will der Arbeitgeber dagegen für die Zukunft erwarteten Folgen weiterer Arbeitsunfähigkeit, insbesondere (neuerlichen) Betriebsablaufstörungen, vorbeugen, fehlt es an einem unlauteren Motiv für die Kündigung (so auch das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20.05.2021, Az. 2 AZR 560/20). Gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichts legte die ZFA Berufung ein.
Die Entscheidung des LAG
Auch das LAG hielt die Kündigung im Kleinbetrieb für wirksam und bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liege vor, wenn die zulässige Rechtsausübung (hier: die Krankmeldung) des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, d. h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist. Es reiche nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet.
Die klagende ZFA trage die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB und damit auch für den Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Maßnahme und zulässiger Rechtsausübung. Dem Vortrag der ZFA sei allerdings nicht zu entnehmen, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich „vornehmlich“ deswegen gekündigt worden sei, weil diese trotz Arbeitsunfähigkeit nicht zur Arbeit erschienen ist. Es fehle auch an dem Nachweis einer Kausalität zwischen Krankmeldung und Kündigung. Ebenso gut könne die Kündigung „vornehmlich“ – wie von der Zahnarztpraxis behauptet – aufgrund der sonstigen Unstimmigkeiten ausgesprochen worden sein.
Wie es das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, sei es vor dem Hintergrund von § 612a BGB nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Kleinbetrieb eine Kündigung auf Unstimmigkeiten und Probleme im zwischenmenschlichen Umgang im Betrieb stützt.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung trifft zu. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich ein Verstoß ergibt, liegt bei dem, der sich darauf beruft. Dies war im vorliegenden Fall die ZFA, die diesen Beweis nicht geführt hat. Gerade in sog. „Kleinbetrieben“, d. h. Betrieben, in denen die von § 23 KSchG geforderte Mindestzahl von Arbeitnehmern nicht erreicht wird, findet § 1 KSchG auf die Kündigung keine Anwendung. Eine ordentliche Kündigung ist daher regelmäßig wirksam, da ein Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung nicht daraufhin zu überprüfen hat, ob sie sozial gerechtfertigt i. S. d. § 1 KSchG ist. Allerdings ist den Arbeitnehmer auch im Kleinbetrieb ein Mindestmaß an Kündigungsschutz zu gewähren. Folgende Unwirksamkeitsgründe kommen auch im sog. „Kleinbetrieb“ in Betracht:
- Verstoß gegen gesetzliche Verbote; § 134 BGB Nichtigkeit;Wann eine Kündigung unwirksam sein kann
- Verbotsnormen, z. B. im MuSchG oder im SGB IX;
- Sittenwidrigkeit, § 138 BGB (Kündigung beruht auf verwerflichem Motiv wie z. B. Rache oder Vergeltung);
- Treu und Glauben, § 242 BGB (widersprüchliches Verhalten; Kündigung zur Unzeit; diskriminierende Kündigung in ehrverletzender Form) sowie
- Verstoß gegen Maßregelverbot gem. § 612a BGB (keine Bestrafung für zulässige Rechtsausübung).
AUSGABE: ZP 1/2025, S. 8 · ID: 50199962