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Vertragsarztrecht(Z)MVZ: (Zahn-)Ärztlicher Leiter muss nicht am Hauptstandort und in einer Filiale tätig sein
| Jedes Zahnmedizinische Versorgungszentrum (ZMVZ) muss über einen zahnärztlichen Leiter verfügen. Doch gilt das auch für kleinere Praxisstandorte, die als Filialen an ein ZMVZ mit einem größeren Hauptstandort angebunden sind und also nicht als rechtlich eigenständiges ZMVZ geführt werden? Mit dieser Frage hat sich das Sozialgericht (SG) München in seinem Urteil vom 11.07.2024 auseinandergesetzt – mit positivem Ausgang für ZMVZ-Betreiber (Az. S 28 KA 95/22. Das Urteil ist aufgrund der Parallelität der Vorschriften für Human- und Zahnmediziner auf ZMVZ übertragbar. |
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Das klagende MVZ beantragte im streitgegenständlichen Fall bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) die Genehmigung zum Betrieb einer vom Hauptstandort 85 Kilometer entfernten Filiale, an der die Inhaberin der früheren dortigen Einzelpraxis nun angestellt tätig werden sollte. Die KVB sah in der beantragten Filiale sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Verbesserung der Patientenversorgung und erteilte die beantragte Genehmigung. Diese wurde allerdings mit der Auflage versehen, dass der ärztliche Leiter des MVZ an mindestens zwei Werktagen ebenfalls vor Ort in der Filiale tätig werden müsse, und zwar zeitlich in einem solchen Umfang, dass eine Beurteilung über das Verhalten der Mitarbeiter aus eigener Anschauung möglich sei. Gegen diese Auflage der KVB legte das MVZ zunächst erfolglos Widerspruch ein und erhob dann Klage beim SG München.
Die Argumente der KBV
Die KVB argumentierte im Verfahren, dass die Auflage auf § 95 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch V und der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14.12.2011 beruhe (Az. B 6 KA 33/10). Hiernach müsse die ärztliche Leitung des MVZ die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KV übernehmen.
Nach Ansicht der KVB erfordere die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen und die dazu notwendige tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit ärztliche Präsenz. Die Einwirkungsmöglichkeiten seien wiederum nur dann hinreichend, wenn der Arzt selbst in die Arbeitsabläufe eingebunden sei und aus eigener Anschauung das Verhalten der Mitarbeiter beurteilen könne. Da der ärztliche Leiter vorliegend fachidentisch mit der angestellten Ärztin in der Filiale sei, bestünde die Möglichkeit, ihn in die Abläufe am Standort zu migrieren, um sich vor Ort ein Bild von der eingesetzten Ärztin zu machen.
Der ärztliche Leiter müsse in der Lage sein, bei Problemen im Betriebsablauf der Filiale unmittelbar korrigierend eingreifen zu können. Es sei daher erforderlich, dass er auch sehr kurzfristig die entsprechende Filiale aufsuchen könne. Die hier vorliegende Entfernung von 85 km sei mit der BSG-Rechtsprechung zur tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit nicht in Einklang zu bringen. Es habe einer Abwägung der räumlichen Distanz und der besonderen Verantwortung des ärztlichen Leiters in einem MVZ bedurft, die die Erteilung einer Anwesenheitsauflage notwendig gemacht habe.
Die vorliegende Auflage sei geeignet, erforderlich und angemessen, um die Einbindung des ärztlichen Leiters in die Betriebsabläufe zu gewährleisten. Es handele sich bei der „Auflage“ um eine Definition des Inhalts der Genehmigung und nicht um eine von der Genehmigung abkoppelbare zusätzliche Regelung, sodass diese auch nicht isoliert Gegenstand einer Klage sein könne.
Die Entscheidung
Das SG München ließ die Argumente der KVB nicht gelten und gab dem klagenden MVZ Recht. Das MVZ habe gem. § 24 Abs. 3 Satz 6 Ärzte-Zulassungsverordnung (ZV) einen Anspruch auf auflagenfreie Genehmigung der beantragten Filialgenehmigung. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung lägen sowohl aufgrund der qualitativen als auch der quantitativen Versorgungsverbesserung am geplanten Filialstandort vor.
Die Genehmigung könne gem. § 24 Abs. 4 Satz 1 Ärzte-ZV zwar grundsätzlich mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn dies zur Sicherung der Erfüllung der Versorgungsverpflichtung des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz und an den anderen Standorten unter Berücksichtigung angestellter Ärzte erforderlich sei. Nähere Regelungen hierzu seien wegen § 24 Abs. 4 Satz 2 (Zahn)Ärzte-ZV aber einheitlich in den Bundesmantelverträgen (BMV) zu treffen. Bis zum heutigen Tag läge aber im Bundesmantelvertrag-Ärzte (und auch im BMV-Zahnärzte) keine Vorschrift zur Frage der Präsenz der (zahn-)ärztlichen Leitung in einer Filiale vor. Es sei nicht Aufgabe der Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigungen, im Rahmen von Auflagen Regelungen zu treffen, die dem Zuständigkeitsbereich der Partner der Bundesmantelverträge vorbehalten seien.
Es handele sich bei der Auflage auch nur um eine Neben- und keine Inhaltsbestimmung, sodass das MVZ hiergegen auch isoliert klagen könne, ohne die Genehmigung als solche zur Disposition zu stellen. Entsprechend hat das Gericht der Klage stattgegeben, weshalb das MVZ die Filiale betreiben kann, ohne dass der ärztliche Leiter in bestimmtem Umfang vor Ort eingesetzt werden muss. Die Auflage wurde ersatzlos gestrichen.
AUSGABE: ZP 12/2024, S. 6 · ID: 50245867