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HaftungsrechtEin „grober Behandlungsfehler“ führt nicht zwingend zur Haftung!
| Trotz eines in einem Haftungsprozess festgestellten „groben Behandlungsfehlers“ hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln die Klage der Patientin gegen den Zahnarzt abgewiesen (Urteil vom 26.06.2024, Az. 5 U 151/22). |
Der Fall
Ein Zahnarzt inserierte bei einer Patientin mehrere Implantate zur prothetischen Versorgung des Oberkiefers. Das Implantat regio 24 musste schlussendlich wieder explantiert werden. Es hatte sich eine Entzündung mit Fistelgang gebildet, die eine Entfernung erforderlich machte. Wie bereits das Landgericht in erster Instanz hat auch das OLG eine Haftung des Zahnarztes verneint.
Die Entscheidung
Der Senat folgte den Ausführungen des zahnärztlichen Gutachters. Zwar sei es grob behandlungsfehlerhaft gewesen, das Implantat regio 24 nach dem Entfernen eines Abutments mehrere Monate ohne Abdeckschraube offen in der Mundhöhle zu belassen. Die Implantate seien innen hohl. Wenn eine Abdeckschraube nicht aufgesetzt werde, könne es dazu kommen, dass Gewebe einwachse, welches schwer wieder zu entfernen sei. Die Entfernung des Implantats 24 war jedoch nicht aufgrund des Fehlens der Abdeckschraube nötig. Der Gutachter hat die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen der Nichtverwendung der Abdeckschraube und der Entstehung der Fistel kein Kausalzusammenhang besteht, mit nahezu 100 Prozent angegeben. Er hat dies überzeugend damit begründet, dass die Abdeckschraube nicht dazu diene, das Eindringen von Keimen in den Implantatkörper und das Entstehen von Infektionen zu verhindern. Denn der Implantatkörper sei nach unten hin geschlossen. Selbst wenn Bakterien in den geschlossenen Körper des Implantats gelängen, wäre das Gewebe um das Implantat hiervon nicht betroffen. Das Fehlen der Abdeckschraube habe mit der entstandenen Fistel nichts zu tun.
Auch ist der eingetretene Gesundheitsschaden nicht vom Schutzzweck der verletzten Sorgfaltspflicht umfasst. Ziel und Zweck der Anbringung einer Abdeckschraube ist es, den Hohlkörper nach oben hin abzudecken, um spätere Aufbauten aufbringen zu können. Sie soll verhindern, dass Gewebe in den Hohlkörper eindringt, welches dann vor dem Aufbringen des Aufbaus aus dem Implantat wieder entfernt werden muss. Ziel und Zweck ist hingegen nicht, das Eindringen von Keimen in den Implantatkörper zu verhindern.
Fazit | Die Feststellung eines „groben Behandlungsfehlers“ führt nicht automatisch zu einer Haftung des behandelnden Zahnarztes. Prozessual führt die Feststellung eines solchen Fehlers zu einer sog. Umkehr der Beweislast. Steht ein „grober Behandlungsfehler“ fest, so muss der Patient nicht mehr beweisen, dass dieser Fehler ursächlich für den eingetretenen Schaden ist. Dem behandelnden Zahnarzt ist es aber möglich, den Gegenbeweis zu führen, dass dieser grobe Fehler den Schaden nicht verursacht hat – so wie im vorliegenden Fall. |
AUSGABE: ZP 12/2024, S. 5 · ID: 50223279