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Vermittlerrecht/WettbewerbsrechtNachvertragliches Wettbewerbsverbot: Diese wichtigen Details sollten Sie kennen

Top-BeitragAbo-Inhalt08.06.20225883 Min. Lesedauer

| Wer als selbstständiger Handelsvertreter bzw. Untervermittler (HV/UV) tätig ist, sollte sich nicht erst bei Beendigung der Kooperation mit einem Unternehmer (z. B. Versicherungsvermittler, Versicherer) die Frage stellen, wie es weitergeht. Schon zu Beginn sollte Klarheit darüber bestehen, was er nach Beendigung der Kooperation in Bezug auf die Kunden wettbewerbsrechtlich darf, wenn er als HV/UV weiterarbeiten will. Lesen Sie, auf welche Details es beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ankommt. |

Wettbewerbsabrede ist handelsgesetzlich klar geregelt

Inhaltlich liegt eine Wettbewerbsabrede vor, wenn dem HV/UV nachvertragliche – an sich zulässige – Tätigkeiten mit einer konkreten Vereinbarung untersagt werden. Die Rechtsgrundlage für eine wirksame Wettbewerbsabrede, die nach Beendigung eines Handelsvertreter-Vertragsverhältnisses gilt, findet sich in § 90a Abs. 1 HGB. Danach müssen für eine wirksame Wettbewerbsabrede zwischen einem Unternehmer (Auftraggeber) und einem HV/UV (Auftragnehmer) folgende vier Punkte geregelt werden:

  • Die Wettbewerbsabrede muss schriftlich vereinbart sein (§ 126 BGB). Und es muss eine Urkunde an den HV/UV ausgehändigt werden, die vom Unternehmer unterzeichnet ist und die vereinbarten Bestimmungen enthält.
  • Sie kann nur für längstens zwei Jahre von der Beendigung des Vertragsverhältnisses an getroffen werden.
  • Sie darf sich nur auf den dem HV/UV zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und nur auf die Gegenstände erstrecken, hinsichtlich deren er sich um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen hat.
  • Der Unternehmer ist verpflichtet, dem HV/UV für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

Nichtige Vereinbarung – keine Wettbewerbsbeschränkung

Werden die vorgenannten Punkte bei einer Wettbewerbsabrede insgesamt nicht eingehalten (z. B. die Wettbewerbsabrede wird nur „mündlich per Handschlag“ vereinbart, es wird keine Entschädigung gezahlt etc.), ist sie grundsätzlich nichtig. Infolgedessen unterliegt der HV/UV keiner Wettbewerbsbeschränkung. Gleiches gilt bei gänzlichem Fehlen einer Wettbewerbsabrede. Auch in dem Fall steht es dem HV/UV nach Vertragsende frei, die Kunden des bisherigen Unternehmers werblich zu kontaktieren.

Wichtig | Auch eine Ausgleichszahlung an den HV/UV nach § 89b HGB führt ohne wirksame Wettbewerbsabrede nicht zu einem Wettbewerbsverbot.

Ist der HV/UV demnach nicht an eine Wettbewerbsbeschränkung gebunden, kann er dem Unternehmer Wettbewerb machen; und zwar auch und gerade in dem Bereich, in dem er diesen zuvor vertreten hat. Er muss die Kunden nur darauf hinweisen, dass er nicht mehr im Auftrag des Unternehmers tätig ist.

Wichtig | § 90a HGB bezieht sich auf Wettbewerbsabreden, die vor Ende des Vertreter-/Untervermittlervertrags vereinbart werden. Bei Wettbewerbsabreden, die erst nach Vertragsende vereinbart werden und für die § 90a HGB als lex specialis somit nicht einschlägig ist, verbleibt es bei der Prüfung, ob eine Wettbewerbsabrede mit den guten Sitten (§ 138 BGB) vereinbar ist bzw. dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Rechnung trägt.

Bei Überschreitung der Abrede gelten gesetzliche Grenzen

Sieht die Wettbewerbsabrede „lediglich“ eine Überschreitung der in § 90a Abs. 1 S. 2 HGB genannten zeitlichen, örtlichen und/oder gegenständlichen Grenzen vor, so ist sie nur im Umfang der Überschreitung unwirksam (so der BGH mit Urteil vom 25.10.2012, Az. VII ZR 56/11, Abruf-Nr. 229307).

Beispiele

  • Wird das Wettbewerbsverbot z. B. für drei Jahre vereinbart, tritt die gesetz- liche Höchstdauer von zwei Jahren an die Stelle.
  • Werden die in § 90a Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 HGB genannten örtlichen und gegenständlichen Grenzen eines Wettbewerbsverbots überschritten, reduziert sich der Schutzumfang auf den gesetzlich zulässigen Umfang (§ 90a Abs. 4 HGB).

Allgemeine Wettbewerbsregeln sind einzuhalten

Der HV/UV muss im Rahmen seiner vereinbarten nachvertraglichen Vermittlungstätigkeit – wie sonst auch – die allgemeinen gesetzlichen Wettbewerbsregeln einhalten. So hat er z. B. Werbung gegenüber Kunden zu unterlassen, die unzulässig ist (§ 7 UWG). Ferner darf er mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher nur werben, wenn er dessen vorherige ausdrück-liche Einwilligung in die Telefonwerbung eingeholt hat (§ 7a UWG).

Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse wahren

Der HV/UV hat gegenüber seinem zuvor vertretenen Unternehmer eine nachvertragliche Treuepflicht. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot lässt sich daraus aber nicht herleiten. Wird keine (wirksame) Wettbewerbsabrede vereinbart, greift gleichwohl die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht nach § 90 HGB. Danach darf der HV/UV ihm anvertraute oder ihm durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgewordene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmanns widersprechen würde.

Wichtig | Auch außerhalb von § 90a HGB kann über geschäftliche oder betriebliche Belange ein Schweigegebot vereinbart werden. Sofern dieses jedoch weiter reicht, ist es an den Vorgaben des § 90a HGB zu messen (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., München 2018, § 90a, Rz. 6).

Beim Kundenstamm kommt es darauf an

Zu den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zählen etwa Provisionsabrechnungen oder der Buchauszug. Als Geschäftsgeheimnis gelten auch die Daten aller Kunden, die eine Geschäftsbeziehung zum Versicherer haben. Diese Daten sind deshalb nach Vertragsende weiterhin geheim zu halten. Das gilt auch für die Kunden, die der HV/UV während des Bestehens des Vertreterverhältnisses selbst geworben hat (BGH, Urteil 26.02.2009, Az. I ZR 28/06, Abruf-Nr. 091269). Einbehaltene Geschäftsunterlagen oder private Notizbücher darf der HV/UV nicht verwerten, weil sie nicht öffentlich zugänglich sind. So übertragene Kundendaten (Abschriften) darf er nach seinem Ausscheiden nicht nutzen (BGH, Urteil vom 27.04.2006, Az. I ZR 126/03, Abruf-Nr. 063051).

Gleichwohl ist der Kundenstamm als solcher nicht kraft Gesetzes zugunsten des Unternehmers geschützt. Schließlich gehört das mit wettbewerbsrechtlich zulässigen Mitteln durchgeführte Abwerben von Kunden gerade zum Wesen des Wettbewerbs.

  • Gibt daher der Kunde dem HV/UV nach Ende des Vertreter-/Untervermittlervertrags die Versicherungsunterlagen (einschließlich eventueller Abschriften der Policen), darf er diese mit Zustimmung des Kunden besitzen. Er kann diese Unterlagen und Daten für die Abwerbung – unter Beachtung des im Beitrag Gesagten – nutzen.
  • Kundennamen und -adressen, die der HV/UV im Kopf behalten hat, darf er weiterhin nutzen. Er darf diese auch aufschreiben, aber erst nach Vertragsende. Da kein Unternehmer Anspruch auf Erhaltung seines Kundenkreises hat, kann er dem HV/UV auch nicht untersagen, die Namen und Adressen zu nutzen, die ihm aus seiner bisherigen Tätigkeit im Gedächtnis geblieben sind (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1993, Az. I ZR 294/90, Abruf-Nr. 082097; BGH, Urteil vom 14.01.1999, Az. I ZR 2/97, Abruf-Nr. 99662).
  • Adressen von Kunden, zu denen kein dauerhafter geschäftlicher Kontakt des Versicherers mehr besteht, können auch nicht mehr als Geschäftsgeheimnis des Unternehmers angesehen werden. Deshalb darf der HV/UV diese Adressen nach seinem Ausscheiden nutzen (BGH, Urteil vom 28.01.1993, Az. I ZR 294/90, Abruf-Nr. 082097; BGH, Urteil vom 14.01.1999, Az. I ZR 2/97, Abruf-Nr. 99662).

Entschädigungspflicht

Der Unternehmer muss dem HV/UV für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine Entschädigung zahlen. Diese sog. Karenzentschädigung ist nicht etwa Schadenersatz, sondern Entgelt für die Abrede der Wettbewerbsenthaltung. Die Entschädigungspflicht bleibt auch bestehen, wenn der Unternehmer das Unternehmen aufgibt. Das gilt auch, wenn der HV/UV gar keinen Wettbewerb machen wollte oder könnte (Baumbach/Hopt, aaO., § 90a, Rz. 18).

Wichtig | Der Unternehmer schuldet die Entschädigung kraft Gesetzes, d. h. auch ohne ausdrückliche Vereinbarung. Sie hat auch nichts mit dem Ausgleichsanspruch zu tun, der bei Vertragsende entsteht. Denn die Entschädigung wird zusätzlich zum Ausgleich geschuldet. Letztlich soll sie den Nachteil ausgleichen, den der HV/UV erleidet, weil er nicht nahtlos in dem von ihm zuvor bearbeiteten Kundenkreis bzw. Bezirk für sich selbst oder einen konkurrierenden Wettbewerber tätig wird und Kundenkontakte nutzen kann.

Angemessenheit der Entschädigung

§ 90a Abs. 1 HGB gibt keine konkrete Höhe für die Entschädigung vor. Er regelt lediglich, dass sie angemessen sein muss. Für die Ermittlung der Entschädigungshöhe können als Kriterien herangezogen werden

  • die Sicherung des Lebensbedarfs,
  • die bisherige vertragliche Vergütung,
  • der Grad der Spezialisierung,
  • die anderweitige nicht konkurrierende Erwerbstätigkeit oder
  • die wirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbsverbots für den Unternehmer.

Wichtig | Ohne nähere Regelung ist die Entschädigung – ebenso wie Provision und Ausgleich – Bruttoentgelt ohne zusätzliche Umsatzsteuer. Sie muss im Übrigen nicht in Geld bestehen; auch Sachwerte, Gebrauchsvorteile oder ein dem HV/UV günstiges nachvertragliches Vergütungssystem können vereinbart werden (Baumbach/Hopt, aaO., § 90a, Rz. 19, 28).

Verzicht auf Wettbewerbsbeschränkung

Der Unternehmer kann nach § 90a Abs. 2 HGB bis zum Ende des Vertragsverhältnisses auf die Wettbewerbsbeschränkung verzichten. Er muss den Verzicht schriftlich erklären. Der Verzicht darf nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Die Rechtsfolge des Verzichts ist

  • für den HV/UV das Freiwerden von der Wettbewerbsbeschränkung,
  • für den Unternehmer die Verkürzung der Entschädigungspflicht auf sechs Monate seit der Erklärung (auch über das Vertragsende hinaus).

Kündigung aus wichtigem Grund

Beide Parteien können das Vertragsverhältnis nach § 90a Abs. 3 HGB aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des anderen Teils kündigen. Innerhalb eines Monats nach der Kündigung kann sich dann der Kündigende durch schriftliche Erklärung von der Wettbewerbsabrede lossagen mit der Folge, dass beim Unternehmer die Entschädigungspflicht und beim HV/UV die Wettbewerbsbeschränkung samt Entschädigungsanspruch entfällt.

Wichtig | Die Entschädigungspflicht und Wettbewerbsbeschränkung bestehen aber bei einer Kündigung aus wichtigem Grund anderer Art fort. Das sind die Fälle, in denen dem Kündigenden das Festhalten am Vertrag nach den Umständen des Einzelfalls unzumutbar ist, ohne dass ein „schuldhaftes“ Verhalten des anderen Teils vorliegt, selbst wenn der wichtige Grund in dessen Sphäre liegt. Beispiele: Unverschuldete dauerhafte Erkrankung oder Insolvenz des HV/UV.

AUSGABE: VVP 7/2022, S. 9 · ID: 48357843

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