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LohnpfändungVollstreckung von Bruttolohn abzüglich bereits erhaltener Nettozahlung
| Ein arbeitsgerichtliches Urteil, das den Beklagten dazu verpflichtet, einen bestimmten Betrag brutto abzüglich des bereits gezahlten Nettobetrags zu leisten, besitzt einen vollstreckungsfähigen Inhalt. So entschied es nun das AG Bremen. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Im Streitfall verweigerte der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung eines Urteils des ArbG mit folgender Formulierung:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Juli 2022 953,34 EUR brutto abzüglich erhaltener 286,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2022 zu zahlen.“
Er begründete dies damit, dass die Formulierung des Titels unbestimmt sei, da diese eine Vermischung von Brutto- und Nettobeträgen darstelle, wodurch eine korrekte Berechnung von Steuer- und Sozialabgaben unmöglich sei. Im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO gab der Richter dem Gläubiger recht.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung (AG Bremen 22.5.24, 243 M 430375/24, Abruf-Nr. 245756) stärkt die Position von Gläubigern, indem es die Vollstreckbarkeit arbeitsgerichtlicher Titel sicherstellt, selbst, wenn diese Nettoabzüge vom Bruttobetrag enthalten.
Ein Titel, der die Zahlung eines Bruttobetrags abzüglich eines Nettobetrags vorsieht, ist vollstreckbar (BAG NJW 64, 1338).
Beachten Sie | Der anrechenbare Nettobetrag muss im Tenor genau bezeichnet sein (Bestimmtheitsgrundsatz: OLG Frankfurt JurBüro 90, 920; LG Lüneburg DGVZ 78, 115; AG Berlin-Neukölln DGVZ 78, 29). Hierzu hat das BAG (NJW 79, 2634) entschieden, dass der Antrag, „… den Arbeitgeber zur Zahlung einer bestimmten Bruttolohnsumme abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes zu verurteilen …“, zu unbestimmt – und damit nicht vollstreckbar – ist.
Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Arbeitnehmer als Gläubiger einen Anspruch auf Zahlung des Bruttolohns. Denn der Bruttolohn ist die vom Arbeitgeber als Schuldner geschuldete Leistung (BAG NJW 64, 1338). Nur aus technischen Erwägungen werden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge gleich vom Lohn abgezogen. Die Berechnung des einziehbaren Betrags kann somit durch bloße Subtraktion erfolgen, sofern die Summen exakt beziffert sind (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Einer Zwangsvollstreckung stehen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegen. Versucht nämlich der Gerichtsvollzieher, die Bruttolohnforderung beim Arbeitgeber zu vollstrecken, gibt es zwei Möglichkeiten:
- Entweder weist der Arbeitgeber dem Gerichtsvollzieher die Zahlung von Lohnsteuer an das Finanzamt und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen an die Sozialversicherungsträger durch entsprechende Quittungen nach. Dann muss der Gerichtsvollzieher nach § 775 Nr. 4 ZPO insoweit die Zwangsvollstreckung einstellen.
- Kann der Arbeitgeber diesen Nachweis nicht erbringen, vollstreckt der Gerichtsvollzieher den Bruttolohnbetrag: In diesem Fall haftet der Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt für die Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbehörden für die Sozialversicherungsbeiträge. Der Gerichtsvollzieher muss dann jedoch das zuständige Finanzamt benachrichtigen (§ 62 Abs. 1 GVO). Außerdem muss er den zuständigen Sozialversicherungsträger erfragen und erst, wenn er diesen kennt, darf er – bei gleichzeitiger Benachrichtigung des Sozialversicherungsträgers – den beigetriebenen Betrag auskehren (§ 62 Abs. 2 GVO; vgl. BAG 21.12.16, 5 AZR 273/16). Ob und wie viel der Gläubiger letztlich versteuern muss, ist unerheblich und braucht vom Vollstreckungsorgan nicht errechnet zu werden.
Gerichtsvollzieher müssen Titel, die eine Zahlung von Bruttobeträgen abzüglich Nettobeträge vorsehen, vollstrecken, da solche Titel rechtlich bestimmt genug sind. Arbeitgeber tragen die Nachweispflicht für die korrekte Abführung von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen. Fehlt der Nachweis, wird der Bruttobetrag vollstreckt.
Der Titelinhalt muss exakt beziffert sein (Brutto- und – gezahlte – Nettobeträge). Nur so wird die Vollstreckbarkeit gewährleistet.
AUSGABE: VE 2/2025, S. 31 · ID: 50267542