FeedbackAbschluss-Umfrage

MusterfallKino errichtet PV-Anlage: Null Prozent Umsatzsteuer bei 100 Prozent Betriebsausgaben?

Abo-Inhalt01.08.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Ein Kino rüstet auf Solarenergie um. Bestellung und Anzahlung der PV-Anlage mit 25 kWp waren im Jahr 2022 erfolgt, Fertigstellung und Inbetriebnahme im Jahr 2023. Das Interessante daran: Trotz Bestellung und Anzahlung vor Einführung des Nullsteuersatzes nach § 12 Abs. 3 UStG – die war erst zum 01.01.2023 – profitieren die Betreiber von dem steuerlichen Vorteil. Wie geht das? Was heißt das für die geleistete Anzahlung? Und was bedeutet das für die Schlussrechnung? SSP gibt die Antworten auf alle ertrag- und umsatzsteuerlichen Knackpunkte im Musterfall. |

Der Musterfall: Kino betreibt PV-Anlage

Ein Kino hat im Jahr 2022 eine PV-Anlage mit Speicher bestellt (25 kWp) und zeitgleich eine Anzahlung über 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro Umsatzsteuer geleistet. Nach Fertigstellung der PV-Anlage im Jahr 2023 stellte der Installateur eine Schlussrechnung über weitere 10.000 Euro zzgl. 1.900 Euro Umsatzsteuer.

Den noch im Jahr 2023 erzeugten Strom hat das Kino vollständig selbst genutzt. Ab dem Jahr 2024 wird ein geringer Teil des erzeugten Stroms – erheblich weniger als 50 Prozent – entgeltlich an den Netzbetreiber veräußert.

Kino und PV-Anlage bilden für ESt und USt eine Einheit

Kino und PV-Anlage bilden einen einheitlichen Gewerbebetrieb – ganz egal, in welcher Rechtsform das Kino betrieben wird:

  • Wird das Kino als Einzelunternehmen betrieben, stützen und ergänzen sich Kino und PV-Anlage durch den von der PV-Anlage erzeugten und zu mehr als 50 Prozent im Kino verbrauchten Strom (BMF, Schreiben vom 17.07.2023, Az. IV C 6 – S 2121/23/10001 :001, Abruf- Nr. 236439, Rz. 26).
  • Wird das Kino als Personen- und Kapitalgesellschaft betrieben, besteht per se nur ein einheitlicher Gewerbebetrieb; eben nicht zwei gesonderte.

Weil jeder Unternehmer nach § 2 Abs. 1 S. 2 UStG nur über ein Unternehmen verfügen kann, liegt auch für die Umsatzsteuer ein einheitliches Unternehmen vor. Das bestehende Unternehmen umfasst seit Fertigstellung der PV-Anlage im Jahr 2023 einfach Kino und PV-Anlage.

So ist der einheitliche Gewerbebetrieb „est-lich“ zu beurteilen

Dass Kino und PV-Anlage einen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden, hat zur Folge, dass die PV-Anlage Teil des bereits durch das Kino begründeten Gewerbebetriebs wird.

Einnahmen aus dem Betrieb der PV-Anlage sind steuerfrei

Die PV-Anlage unterliegt der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 Buchtst. a) EStG, weil ihre Leistung nicht mehr als 30 kWp beträgt. Deshalb sind alle Einnahmen aus dem Betrieb der PV-Anlage innerhalb der einheitlichen Gewinnermittlung steuerfrei. Die Steuerfreiheit umfasst auch die im Musterfall ab 2024 vom Netzbetreiber gezahlten EEG-Vergütungen.

Aufwendungen für Installation und Betrieb sind Betriebsausgaben

Alle im Zusammenhang mit der Installation und dem Betrieb der PV-Anlage anfallenden Aufwendungen sind in der Gewinnermittlung für den einheitlichen Gewerbebetrieb als Betriebsausgaben abzugsfähig.

Die Anschaffungskosten der PV-Anlage sind allerdings auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren abzuschreiben. Zulässig ist im Musterfall nur die lineare Abschreibung, weil die Fertigstellung im Jahr 2023 erfolgte und die degressive Abschreibung für das Jahr nicht gilt (§ 7 Abs. 2 EStG).

Praxistipp | Im Musterfall kann unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 5 EStG jedoch eine Sonderabschreibung von bis zu 20 Prozent der Anschaffungskosten vorgenommen werden. Erfolgt die Fertigstellung nach dem 31.12.2023, können sogar bis zu 40 Prozent über Sonderabschreibungen geltend gemacht werden.

Steuerfreie Einnahmen verhageln Betriebsausgabenabzug

Weil die Einnahmen aus dem Betrieb der PV-Anlage nach § 3 Nr. 72 Buchst. a) EStG steuerfrei sind, greift für die Betriebsausgaben über § 3c Abs. 1 EStG ein steuerliches Abzugsverbot. Es gilt aber nur bis zu der Höhe der steuerfreien Einnahmen und Entnahmen (BMF, Schreiben vom 17.07.2023, Rz. 24). Insoweit wie der erzeugte Strom innerhalb des einheitlichen Gewerbebetriebs verbraucht wird, soll der Abzug von Betriebsausgaben nämlich weiterhin möglich sein. Das bedeutet im Musterfall:

  • Jahr der Inbetriebnahme (2023): Es liegen keine steuerfreien Betriebseinnahmen vor, weil der von der PV-Anlage erzeugte Strom vollständig innerhalb des Kinos eigenbetrieblich verbraucht wurde. Folglich lassen sich alle durch die PV-Anlage veranlassten Aufwendungen absetzen.
  • Ab 2024: Aufgrund der steuerfreien Einspeisung eines Teils des erzeugten Stroms sind die Betriebsausgaben nur insoweit abzugsfähig, wie die Ausgaben die steuerfreien Einnahmen überschreiten (§ 3c Abs. 1 EStG). Konkret: Belaufen sich die Ausgaben auf jährlich 3.000 Euro und zahlt der Netzbetreiber 400 Euro steuerfreie Einnahmen, müssen von den Ausgaben 400 Euro dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden. Effektiv mindert die PV-Anlage den Gesamtgewinn damit um lediglich 2.600 Euro.

Das gilt „ust-lich“ für das einheitliche Unternehmen

Der in § 12 Abs. 3 UStG verankerte Nullsteuersatz kommt im Musterfall grundsätzlich nicht zur Anwendung, weil die PV-Anlage auf einem Kino installiert wurde. Weder befinden sich darin (Privat-)Wohnungen noch handelt es sich um ein öffentliches oder anderes Gebäude, das für Tätigkeiten genutzt wird, die dem Gemeinwohl dienen. Somit unterliegen Lieferung und Installation der PV-Anlage dem Regelsteuersatz von 19 Prozent (§ 12 Abs. 1 UStG).

Hintergrund | Öffentliche und andere Gebäude, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, liegen vor, wenn das jeweilige Gebäude für Umsätze nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25, 27 und 29 oder § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG oder für hoheitliche oder ideelle Tätigkeiten verwendet wird (A. 12.18 Abs. 3 S. 5 UStAE).

Wichtig | Ein Hintertürchen zur Umsatzsteuerfreiheit gibt es aber noch: Über die Fiktion in § 12 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 UStG gelten die Voraussetzungen für den Nullsteuersatz immer dann als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage lt. Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kWp beträgt oder betragen wird. Weil die PV-Anlage im Musterfall „nur“ über eine installierte Bruttoleistung von 25 kWp verfügt, gilt für Lieferung und Installation doch der Umsatzsteuersatz von null Prozent.

Bleibt nur eine Frage: Wie kann der Nullsteuersatz, der ja erst zum 01.01.2023 eingeführt wurde, für eine PV-Anlage gelten, die bereits im Jahr 2022 bestellt und anbezahlt wurde? Müsste für Lieferung und Installation nicht also doch der Regelsteuersatz von 19 Prozent gelten? Die Antwort lautet nein. Bei der Bestellung einer auf einem Gebäude zu installierenden PV-Anlage handelt es sich nämlich regelmäßig um eine Werklieferung i. S. v. § 3 Abs. 4 UStG – und diese gilt erst mit der Abnahme der Leistung als ausgeführt.

Im Musterfall kann die Abnahme also frühestens mit Fertigstellung im Jahr 2023 erfolgt sein. Zu dem Zeitpunkt hat der Nullsteuersatz schon gegolten; folglich entsteht eine Umsatzsteuer von null Prozent. Das gilt nicht nur für die Schlusszahlung, sondern auch rückwirkend für die bereits 2022 geleistete Anzahlung von insgesamt 23.800 Euro. Folglich muss die bisher mit 19 Prozent versteuerte Anzahlung nach § 27 Abs. 1 UStG im Zeitpunkt der Leistungsausführung auf einen Umsatzsteuersatz von null Prozent reduziert werden. Wird dennoch weiterhin eine Umsatzsteuer von 19 Prozent gesondert ausgewiesen, schuldet sie der ausweisende Unternehmen nach § 14c UStG. Analog dazu ist beim Betreiber der PV-Anlage der vorgenommene Vorsteuerabzug auf null Euro zu reduzieren.

Im Musterfall wäre es also zutreffend, wenn der Installateur der PV-Anlage die bereits mit der Abschlagsrechnung aus 2022 geforderten 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro Umsatzsteuer vollständig mit einer Schlussrechnung über netto 30.000 Euro zzgl. null Euro Umsatzsteuer verrechnen würde. Die Abschlusszahlung für den Betreiber der PV-Anlage würde sich somit von 10.000 Euro zzgl. 1.900 Euro Umsatzsteuer auf 6.200 Euro zzgl. null Euro Umsatzsteuer reduzieren. Parallel müsste der Installateur die bereits in 2022 an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer von 3.800 Euro auf null Euro und der Betreiber den geltend gemachten Vorsteuerabzug von 3.800 auf null Euro korrigieren. Effektiv würde der Betreiber an den Lieferanten so exakt 30.000 Euro zzgl. null Euro Umsatzsteuer bezahlen und der Installateur würde genau diese 30.000 Euro erhalten.

AUSGABE: SSP 9/2024, S. 20 · ID: 50066375

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte