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EinkommensteuerEntschädigungen für Leitungs-, Nutzungs- und Überspannungsrechte: Wie sind sie zu versteuern?

Abo-Inhalt15.07.20247 Min. LesedauerVon Diplom-Finanzwirt (FH) Michael Heine, LL.M., Stauchitz

| Im Zuge der Energiewende und des Netzausbaus werden Grundstücke in verschiedener Intensität ganz oder teilweise für Rohre, Leitungen und Anschlüsse in Anspruch genommen. Für die Inanspruchnahme des Grundstücks erhält der Eigentümer eine Entschädigung. Über die Besteuerung dieser Entschädigungen ist in den vergangenen Jahren bereits häufiger vor den Finanzgerichten gestritten worden. SSP hat diese aufbereitet und zeigt, wie Sie mit Entschädigungen steuerlich bestmöglich umgehen. |

Besteuerung hängt von der Art der Entschädigung ab

Im Grundsatz ist zu unterscheiden, ob eine Entschädigung für eine Nutzungsüberlassung des Grundstücks oder eine Eigentumsbelastung gezahlt wird.

Entschädigung wird für Nutzungsüberlassung gezahlt

Erhält der Grundstückseigentümer eine Zahlung als Gegenleistung für die (ggf. langfristige) Überlassung seines Grundstücks(teils) zur Nutzung, liegen

  • Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13 EStG oder aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, wenn das Grundstück zu einem Betriebsvermögen gehört und
  • Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vor, wenn das Grundstück zum Privatvermögen gehört.

Entschädigung wird für Eigentumsbeschränkung gezahlt

Handelt es sich bei einer Entschädigungszahlung dagegen um einen Ausgleich für eine Eigentumsbeschränkung und die damit (hypothetisch) verbundene Wertminderung des Grundstücks, gehört die Zahlung nicht zu den steuerbaren Einnahmen. So hat es der BFH für eine einmalige Entschädigung für das dinglich gesicherte und unbefristete Recht auf Überspannung eines Privatgrundstücks mit einer Hochspannungsleitung entschieden (BFH, Urteil vom 02.07.2018, Az. IX R 31/16, Abruf-Nr. 204859). Die Einordnung als nicht steuerbares Entgelt stützt der BFH darauf, dass

  • Eigentümerrechte dauerhaft übertragen worden waren,
  • kein Rücktrittsrecht für den Eigentümer eingetragen worden war und
  • die Entschädigung nach den zivilrechtlichen Grundsätzen für Enteignungsentschädigungen berechnet worden war.

Wichtig | Eine einmalige Nutzungsentschädigung, die für die Überspannung eines Privatgrundstücks mit einer Hochspannungsleitung für einen befristeten Zeitraum von 30 Jahren gezahlt wurde, hat der BFH demgegenüber als steuerbare Einnahme aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG angesehen (BFH, Urteil vom 19.04.1994, Az. IX R 19/90). Enthält die Vereinbarung über die Inanspruchnahme des (Privat-)Grundstücks keine Befristung, ist die Entschädigung somit regelmäßig nicht zu versteuern.

Entschädigung für Grundstück des Betriebsvermögens

Zahlungen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens sind immer und ausnahmslos als steuerbare Betriebseinnahmen zu erfassen (bestätigt durch BFH, Urteil vom 19.04.2021, Az. VI R 49/18, Abruf-Nr. 224154). Diese sind auch gewerbesteuerpflichtig. Selbst wenn die Entschädigung nicht für eine Nutzungsüberlassung, sondern für den dauerhaften Verzicht auf Eigentümerrechte gezahlt wird, kann die Besteuerung der Einnahme nicht durch die Bildung einer Rücklage gemäß § 6b EStG aufgeschoben werden. Denn die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG erfordert eine Veräußerung, d. h. die Übertragung des Wirtschaftsguts von einer Person auf eine andere Person. Trotz der Nutzungseinschränkung bleibt das beanspruchte Grundstück dem Eigentümer aber erhalten.

Wichtig | Die Abgrenzung zwischen einer Nutzungsüberlassung und dem dauerhaften Verzicht auf Eigentümerrechte ist aber auch für Grundstücke des Betriebsvermögens wichtig. Denn hiernach entscheidet sich, ob die Entschädigung sofort besteuert werden muss oder ob diese über die Laufzeit der Nutzungsüberlassung verteilt werden kann (bei Bilanzierern im Wege der Rechnungsabgrenzung, bei Überschussrechnern via § 11 Abs. 1 S. 3 EStG). Dies bietet in der Regel einen Progressions- und Stundungsvorteil.

Da der durch Leitungs- oder Überspannungsrechte belastete Grund und Boden in der Regel weiter uneingeschränkt zur landwirtschaftlichen oder gewerblichen Nutzung zur Verfügung steht, bestehen gleichsam keine Gründe für eine steuermindernde Teilwertabschreibung. Die Nutzung der tieferen Schichten eines Grundstücks für Rohre oder Kanäle hat der BFH in der Vergangenheit vielmehr als wertbildenden Faktor angesehen (BFH, Urteil vom 19.04.2021, Az. VI R 49/18 – zur Errichtung eines Regenwasserkanals in drei Metern Tiefe).

Prägend bleibt die land- und forstwirtschaftliche Hauptnutzung. Nur im Ausnahmefall hat der BFH das Wirtschaftsgut verselbstständigt und die verschiedenen Nutzungen separat erfasst (Oberfläche – landwirtschaftliches Betriebsvermögen, Errichtung Erdöltiefspeicher in 100 Meter – Privatvermögen, BFH, Urteil vom 14.10.1982, Az. IV R 19/79).

Verteilungswahlrecht über den Überlassungszeitraum

Einnahmen aus einer Nutzungsüberlassung über mehr als fünf Jahre dürfen linear auf die Laufzeit der Nutzungsüberlassung verteilt werden (§ 11 Abs. 1 S. 3 EStG). Es handelt sich um ein steuerliches Wahlrecht. Schwierigkeiten bereiten Vereinbarungen, in denen der befristeten Nutzungsüberlassung kein konkreter Zeitraum zugeordnet wird.

Nach der BFH-Rechtsprechung kommt es darauf an, ob der Verteilungszeitraum anhand objektiver Umstände kalendermäßig bestimmbar ist (ggf. im Wege sachgerechter Schätzung). Ein ungewisses (den Vertrag auflösendes) Ereignis ist nicht ausreichend.

Beispiele

Im folgenden Falll wurde die Verteilung zugelassen: Überlassung eines Grundstücks als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme für einen Kraftwerksbau (BFH, Urteil vom 04.06.2019, Az. VI R 34/17, Abruf-Nr. 210915).
In den folgenden Einzelfällen wurde die Verteilung abgelehnt:
  • Überlassung eines Grundstücks als ökologische Ausgleichsfläche („Ökopunkte“, BFH, Urteil vom 20.07.2018, Az. IX R 3/18, Abruf-Nr. 205984)
  • Eintragung eines Flutungsrechts als Grundstücksbelastung beim Hochwasserschutz (BFH, Urteil vom 21.11.2018, Az. VI R 54/16, Abruf-Nr. 208242)
  • Leitungsrecht zur Verlegung einer Erdgasleitung als Grundstücksbelastung (FG Niedersachsen, Urteil vom 31.08.2023, Az. 4 K 36/22, Abruf-Nr. 240130).

Wichtig | In den letzten drei Sachverhalten wurde jeweils eine unbefristete Belastung des Grundstücks gegen eine einmalige Entschädigungszahlung eingeräumt, die nach einer pauschalen Ermittlungsmethode bestimmt wurde. Die Gerichte haben die Zahlungen daher als wirtschaftlichen Ausgleich für die Wertminderung infolge eines veräußerungsähnlichen Vorgangs gewertet. Wird die Vereinbarung – soweit möglich – konkret befristet, die Höhe der Entschädigung zeitraumbezogen bestimmt und/oder in mehreren Raten ausgezahlt, bestehen hingegen gute Argumente für die verzögerte, ratierliche Besteuerung der Zahlungen über den gesamten Überlassungszeitraum.

Beispiel

Grundstückseigentümer G überlässt mehrere bisher an Landwirte verpachtete Wiesengrundstücke (Privatvermögen) unbefristet für den Zeitraum von 30 Jahren als ökologische Ausgleichsfläche an eine Projektgesellschaft, die dort ein Gewerbegebiet erschließt und betreibt. Im Überlassungszeitraum darf das Grundstück nicht für die konventionelle Landwirtschaft bewirtschaftet werden. Zum Ausgleich erhält G eine Entschädigung in Höhe von jährlich 5.000 Euro, ausgezahlt als Einmalzahlung (150.000 Euro) bei Vertragsbeginn im Juli 2024.
Lösung: Es handelt sich um die entgeltliche Überlassung eines Grundstücks des Privatvermögens zur (Nicht-)Nutzung. G erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Nach dem Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 S. 1 EStG hat G im Veranlagungsjahr 2024 grundsätzlich 150.000 Euro Einnahmen zu versteuern. Er hat aber gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 EStG die Möglichkeit, Einmalzahlung auf den Vorauszahlungszeitraum von 30 Jahren linear zu verteilen. Im Veranlagungszeitraum 2024 wären bei gleichmäßiger Verteilung lediglich Einnahmen in Höhe von 2.500 Euro (150.000 Euro x 1/30 x 6/12) zu versteuern.

Veräußerung erfolgt während des Verteilungszeitraums

Wird das Grundstück während des Verteilungszeitraums veräußert, ist der verbleibende, bisher nicht berücksichtigte Teil der Entschädigung im Jahr der Veräußerung zu besteuern – analog der vergleichbaren Regelung in § 82b Abs. 2 S. 1 EStDV zur Verteilung größeren Erhaltungsaufwands.

Ist die Entschädigung nur tarifermäßigt zu besteuern?

Für steuerbare Entschädigungen für Betriebs- oder Privatgrundstücke steht zudem die Frage im Raum, ob eine tarifermäßigte Besteuerung („Fünftel-Regelung“ – § 34 Abs. 1 EStG) erreicht werden kann, sofern es sich um

  • einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gemäß § 24 Abs. 1 Buchst. a) EStG bzw.
  • Nutzungsvergütungen oder Entschädigungen für die Inanspruchnahme des Grundstücks für öffentliche Zwecke gemäß § 24 Nr. 3 EStG handelt.

Nutzungsvergütungen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG können aber nur dann als außerordentliche Einkünfte gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG besteuert werden, wenn die Nachzahlungen nachträglich für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren geleistet werden. In Betracht kommt dies nur bei späterer Aufdeckung von (unbefugter) Inanspruchnahme von Grundstücken.

Die Entschädigung kann entgangene oder entgehende Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG ersetzen, wenn wegen der unbefristeten Inanspruchnahme des Grundstücks die Einschränkung der Eigentümerrechte abgefunden wird. Der „Schaden“ in Form wegfallender Einnahmen muss zumindest hypothetisch darstellbar sein (z. B. durch eine eingeschränkte Nutzbarkeit zur landwirtschaftlichen Eigenbewirtschaftung oder Verpachtung).

Beispiel

Auf Ackerflächen des Landwirtes L werden Versorgungsleitunen verlegt. Die Leitungsrechte werden unbefristet eingeräumt und dinglich im Grundbuch gesichert. Die Grundstücksteile, in denen die Versorgungsleitung entsteht, darf L nur noch eingeschränkt landwirtschaftlich nutzen. Für die Einschränkung seiner Eigentumsrechte und die zu erwartenden geringeren Erträge wird L eine pauschale Entschädigung in Höhe von 200.000 Euro gezahlt.
Lösung: Es handelt sich um Betriebseinnahmen, aber nicht für eine zeitlich bestimmbare Nutzungsüberlassung. Eine Verteilung der Einnahmen scheidet daher aus. Aber da L ein wirtschaftlicher „Schaden“ entstanden ist, ist die Zahlung eine Kompensation für entgehende Einnahmen. Es liegt eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG vor, die gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu den außerordentlichen Einkünften gehört. Die Einmalzahlung von 200.000 Euro wird zwar sofort, aber mit dem günstigeren Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG besteuert.

Wichtig | Außerordentliche Einkünfte liegen nur dann vor, wenn Einnahmen zusammengeballt zufließen. Bei Inanspruchnahme des Wahlrechts auf Verteilung der Einnahmen gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 EStG oder der Zahlung der Entschädigung in mehreren Raten ist eine Tarifermäßigung ausgeschlossen, da bei Erfassung der Zahlungen in mehreren Veranlagungszeiträumen bereits eine gewisse Progressionsentlastung eintritt.

AUSGABE: SSP 8/2024, S. 7 · ID: 50061100

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