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Außergewöhnliche Belastungen Sind Aufwendungen für die Adoption von (ausländischen) Kindern nach § 33 EStG abziehbar?
| Sind Aufwendungen für die Adoption von (ausländischen) Kindern als außergewöhnliche Belastung abziehbar, weil sie ebenso zwangsläufig entstanden sind wie Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, die nach § 33 EStG abziehbar sind? Mit dieser Frage muss sich demnächst vielleicht der BFH befassen. Das FG Münster hat den Abzug zwar abgelehnt, aber die Revision zugelassen. |
So verargumentieren die Eltern den Abzug
Die Adoptiveltern hatten für den Abzug folgende Argumente vorgetragen:
Gleichbehandlung mit künstlicher Befruchtung gefordert
Sie hätten sich entschieden, Kinder zu haben und eine Familie zu werden. Dieser existenzielle Wunsch werde grundrechtlich geschützt (Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG). Die Entscheidung für einen Kinderwunsch sei zwar freiwillig. Seit dem BFH-Urteil vom 05.10.2017 (Az. VI R 2/17, Abruf-Nr. 198654) sei aber anerkannt, dass der subjektive Kinderwunsch die medizinische Kinderwunschbehandlung einer künstlichen Befruchtung indiziere. Gleiches müsse gelten, wenn – wie bei ihnen – die medizinische Kinderwunschbehandlung erfolglos geblieben sei und sich der Kinderwunsch nur noch im Wege der Adoption verwirklichen lasse (Kriterium Zangsläufigkeit der Adoption).
Die Adoption sei mit der Kinderwunschbehandlung auch vergleichbar, da in beiden Fällen keine Heilbehandlung, sondern die Beendigung der ungewollten Kinderlosigkeit angestrebt werde, denn auch die medizinische Kinderwunschbehandlung sei nicht auf eine Heilung einer Erkrankung, sondern (nur) auf die Herbeiführung einer Schwangerschaft gerichtet. Die Erkrankung selbst werde häufig von den Betroffenen nicht als störend empfunden oder bleibe sogar unentdeckt.
Das Adoptionsverfahren habe den Zweck, dass durch staatliche Stellen beurteilt werde, ob Adoptiveltern und Adoptivkind zueinander passten. Das Adoptionsverfahren schütze somit nicht nur die Adoptivkinder, sondern auch die Adoptiveltern. Somit beträfen die Adoptionskosten gerade nicht das Kind selbst und degradierten es nicht zum „Objekt“ einer Heilung der Adoptiveltern. Die Adoptionskosten entstünden allein für das Adoptionsverfahren.
Adoptionshilfe-Gesetz mit neuen Anforderungen
Ferner sei zum 01.04.2021 das neue „Adoptionshilfe-Gesetz“ in Kraft getreten. Sämtliche Adoptionen – insbesondere Auslandsadoptionen – seien an dieser Rechtslage auszurichten. Auslandsadoptionen seien nunmehr von einer Fachstelle im Ausland zu begleiten. Diese Fachstelle achte darauf, dass die Adoption dem Kindeswohl diene und lege fest, welche Voraussetzungen die Adoptiveltern mitbringen müssten, damit das Kind in seiner neuen Familie wohlbehütet aufwachsen könne.
Die Ablehnargumente des FG Münster
Das FG Münster hat die Aufwendungen aber nicht anerkannt und das wie folgt begründet (FG Münster, Urteil vom 25.06.2024, Az. 14 K 1085/23 E, Abruf-Nr. 242682):
Adoption ist mit Behandlung bei Sterilität nicht vergleichbar
Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Deshalb werden regelmäßig auch Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl der körperliche Mangel durch die betreffende Maßnahme nicht behoben, sondern nur „umgangen“ wird. Die Empfängnisunfähigkeit einer Frau ist eine Krankheit. Dementsprechend erkennt der BFH Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird.
Aufwendungen stellen keine Krankheitskosten dar
Aufwendungen, die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, stellen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH dagegen keine Krankheitskosten dar:
- Die Adoptionen sind keine (medizinischen) Heilbehandlungen. Sie sind nicht medizinisch indiziert und werden nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnung der Ärzte vorgenommen.
- Die Adoptionen können auch im Streitfall nicht mit Heilbehandlungen gleichgestellt werden. Sie sind in erster Linie (rechtliche) Maßnahmen zur Begründung (und Beendigung) rechtlicher Verwandtschaftsverhältnisse, die auf dem freiwilligen Entschluss beruhen, Kinder anzunehmen.
- Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Steuerzahler den Entschluss zur Adoption erst nach erfolgloser Kinderwunschbehandlung gefasst haben. Das FG ist trotz dieser zeitlichen Abfolge nicht davon überzeugt, dass der Entschluss zur Adoption unausweichlich geboten war. Er beruhte vielmehr auf einer freien Entscheidung, die ungewollte Kinderlosigkeit durch Adoption zu beenden. Diese Entscheidung war trotz des grundrechtlich geschützten Bereichs nicht der individuellen Gestaltung entzogen. Sie hätten sich auch gegen eine Adoption entscheiden können.
Darum hat das FG die Revision zugelassen
Das FG hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und N. 2 FGO zugelassen, weil der VI. Senat des BFH im Vorlagebeschluss vom 18.04.2013 (Az. VI R 60/11) an den Großen Senat angekündigt hatte, Aufwendungen für eine Adoption als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkennen zu wollen. Deshalb sei es geboten, dass sich der BFH dieser Frage noch einmal annimmt. Bis Redaktionsschluss ist die Revision beim BFH aber noch nicht eingelegt worden.
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