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EinkommensteuerEhepaar macht Verluste mit Alpaka-Farm: Negative Einkünfte aus LuF oder nur Liebhaberei?
| Sie sind gutmütige Wesen, intelligent, neugierig und liebevoll: Alpakas. Doch unterfällt eine Alpaka-Farm deswegen automatisch der reinen Liebhaberei? Oder sind die Verluste aus deren Betrieb doch steuerlich zu berücksichtigende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft? Das musste das FG Münster im Fall eines Ehepaares klären. So viel vorweg: Das Urteil ist ein Paradebeispiel dafür, dass es sich lohnen kann, vor das FG zu ziehen. |
Ehepaar betreibt nebenberuflich eine Alpaka-Farm
Das Ehepaar betreibt seit dem Jahr 2002/2003 (abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.07. bis 30.06.) eine Alpaka-Farm – nebenberuflich. Der Mann ist hauptberuflich als selbstständiger Arzt tätig; die Ehefrau arbeitet 25 bis 30 Stunden pro Woche in dessen Gemeinschaftspraxis mit. Zusätzlich investiert sie täglich, in der Regel an sieben Tagen pro Woche, weitere sechs bis acht Stunden in die Alpaka-Farm. Die ersten Alpakas schaffte das Ehepaar im Oktober 2002 an. Seinerzeit war das Ehepaar auf der Suche nach Tieren, die sie zu ihren bereits vorhandenen Pferden mit auf die Weide stellen konnten. Es entschied sich für die Haltung von Alpakas. Die anfallenden Kosten der Alpakas wollte das Ehepaar durch den Verkauf ihrer Wolle decken. Darüber erstellte das Ehepaar ein Betriebskonzept inkl. Totalgewinnprognose. Einen tatsächlichen Gewinn konnte das Ehepaar erstmalig im Wirtschaftsjahr 2020/2021 erzielen; bis dahin schrieb die Alpaka-Farm stets rote Zahlen.
Finanzamt erklärt Farm für Liebhaberei
Bis einschließlich 30.06.2010 erkannte das Finanzamt die Verluste noch als Anlaufverluste bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft an. Ab dem 01.07.2010 ordnete es die Tätigkeit dann aber als Liebhaberei ein und setzte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit null Euro an. Begründung: Aus der Art der Tätigkeit, der Art der Betriebsführung, den persönlichen Gründen zur Führung des Betriebs und der Totalgewinnprognose ergebe sich keine Gewinnerzielungsabsicht. Der Betrieb sei grundsätzlich geeignet, aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden Gründen ausgeübt zu werden; schließlich übe das Ehepaar die Tätigkeit auch nur nebenberuflich aus. Deshalb sei davon auszugehen, dass das Ehepaar die Alpaka-Farm aus persönlichen Motiven, unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg, führte. Nach Ansicht des Finanzamts habe das Ehepaar nämlich keine geeigneten Maßnahmen getroffen, um die Betriebsführung zu optimieren, obwohl die Ergebnisse von der eigens erstellten Prognose stark abwichen.
Und weiter: Der enorme zeitliche Einsatz – unter Inkaufnahme dauerhafter Verluste – lege den Schluss nahe, dass die Tätigkeit sowohl persönliche Neigungen befriedige als auch der Erholung diene. So sei auch die Gründung der Alpaka-Farm bereits aus persönlichen Gründen erfolgt, da die Tätigkeit eher aus Zufall entstanden sei als das Ehepaar geeignete Beistelltiere für die bereits existierende Pferdehaltung gesucht habe.
Zudem sei die Tätigkeit für das Ehepaar nicht existenznotwendig, die übrigen hohen Einkünfte ermöglichten es, die durch die Alpaka-Farm angefallenen Verluste zu tragen und ihre Einkommensteuerschuld dadurch zu mindern. Die Einschätzung des Finanzamts – und damit die Aberkennung der Verluste aus dem Betrieb der Alpaka-Farm – wollte das Ehepaar so nicht hinnehmen. Es klagte. Und bekam vor dem FG Münster Recht.
Auf diese Gründe stützt das FG seine Entscheidung
Das FG Münster war der Auffassung, dass die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre ab 2010 rechtwidrig sind, soweit das Finanzamt darin die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit null Euro statt mit den tatsächlich erzielten Verlusten angesetzt hat. Das Ehepaar habe die Alpaka-Farm nämlich sehr wohl mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben und daraus steuerlich relevante Einkünfte i. S. v. § 13 EStG, also aus Land- und Forstwirtschaft, erzielt.
In der Gesamtschau mache der Fall für das FG den Eindruck, dass sich vor allem die Ehefrau erst im Laufe der Zeit von einer eher privat motivierten Züchterin – dafür spreche die Anschaffung der Alpakas als Beistelltiere zur bereits betriebenen Pferdehaltung – zu einer echten Alpaka-Spezialistin entwickelt habe. Auch habe das Ehepaar zahlreiche Versuche unternommen, der negativen Entwicklung entgegenzuwirken. So habe es durch die Organisation eigener Shows und die Veröffentlichung eines eigenen Buchs darauf hingearbeitet, die Bekanntheit der Alpaka-Farm zu steigern. Ob es sich bei den Entscheidungen des Ehepaars – aus Sicht des Finanzamts – um wirtschaftlich sinnvolle oder um riskante Entscheidungen handelte, spiele keine Rolle.
Auch die Sache mit dem hohen Zeitaufwand beurteilt das FG anders als das Finanzamt: Der spreche doch vielmehr für ein Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht. Schließlich überschreite gerade die Tätigkeit der Ehefrau von wochentäglich sechs bis acht Stunden sogar die für eine Vollzeittätigkeit übliche Wochenstundenanzahl.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts treten auch die anderweitig hohen Einkünfte des Ehepaars für das FG in den Hintergrund. Das Vorliegen anderer Einnahmequellen und Geldmittel lasse nämlich nicht den Schluss zu, dass ein verlustbringender Betrieb nur aus persönlichen Gründen fortgeführt wird (FG Münster, Urteil vom 18.03.2022, Az. 4 K 1666/17 E, Abruf-Nr. 241389).
Fazit | Trotz Verlusten über einen Zeitraum von fast 20 Jahren erkannte das FG Münster die Gewinnerzielungsabsicht des Ehepaars anhand zahlreicher Anhaltspunkte an. Das Urteil zeigt wieder einmal: Vor das Finanzgericht zu ziehen, kann sich lohnen. |
AUSGABE: SSP 6/2024, S. 7 · ID: 50028470