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BeschwerdeWert entspricht dem Interesse des zur Herausgabe Verpflichteten, die Zwangsvollstreckung zu verhindern
| In familienrechtlichen Angelegenheiten streiten die getrennt lebenden Ehegatten häufig über die Verpflichtung des Antragsgegners zur Herausgabe verschiedener Originalurkunden wie notarielle Kaufverträge, Mietverträge, Grundbuchauszüge, Darlehensverträge etc. Zudem wird oft Auskunft über Konten, Mieteinnahmen und Untermietverträge verlangt. Wenn der Besitz der Urkunden nicht unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wird die Beschwer des zur Herausgabe von Urkunden verpflichteten Rechtsmittelführers an seinem Interesse bemessen, eine Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO zu verhindern. Der Wert entspricht daher betragsmäßig den mit einer solchen Vollstreckung verbundenen Kosten. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Im Streitfall hatte das AG den Antragsgegner zur Herausgabe und Auskunftserteilung verpflichtet. Das OLG verwarf die Beschwerde, da der Beschwerdewert nicht erreicht wurde. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde wurde vom BGH als unzulässig erachtet, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind (30.10.24, XII ZB 173/24, Abruf-Nr. 245646).
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat in Anlehnung an seine bisherige Rechtsprechung die Beschwer eines zur Herausgabe von Urkunden verpflichteten Rechtsmittelführers an dessen Interesse bemessen, eine Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO zu verhindern. Die Beschwer bemisst sich dabei grundsätzlich an den Kosten der drohenden Zwangsvollstreckung gemäß § 883 ZPO. Die Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson ist nur kostenrelevant, wenn dies für eine sachgerechte Erfüllung der Verpflichtung zwingend erforderlich ist. Der Wert der Beschwer ist nach billigem Ermessen gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 3 ZPO zu bestimmen und beträgt im vorliegenden Fall nicht mehr als 500 EUR.
Soweit geltend gemacht wird, dass nicht existente Unterlagen nicht vorgelegt werden müssen, richtet sich der Wert der Beschwerde nach den Anwaltsgebühren der Zwangsvollstreckung (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 13 RVG). Das ist eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG zzgl. 0,3-Terminsgebühr nach Nr. 3310 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Für die Wertbemessung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren ist dabei das Angriffsinteresse des Vollstreckungsgläubigers an der Vorlage der Belege maßgeblich. Bei mangelnden greifbaren Anhaltspunkten für die Bewertung dieses Interesses kann auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG in Höhe von 5.000 EUR zurückgegriffen werden (BGH NJW 19, 1752).
Wird vorgetragen, dass die Unterlagen zwar herausgegeben werden können, diese aber nicht geschuldet werden, ist auf den Aufwand abzustellen, den die Belegvorlage mit sich bringt. Die Zeit ist mit 4 EUR/Stunde abzurechnen (§ 20 JVEG). Kopierkosten sind hinzuzurechnen (vgl. § 7 JVEG).
Müssen Belege von einem nicht zur Herausgabe bereiten Dritten beschafft werden, so ist als Beschwerdewert anzusetzen, was eine damit verbundene Rechtsverfolgung kostet. Ob diese Kosten letztlich vom Dritten zu erstatten sind, ist dabei ohne Bedeutung (BGH NJW 19, 1752).
Checkliste / Kostenrechtliche Aspekte bei Urkundsherausgabe | |
Ist die Beschwerde zulässig? 1. Prüfung der Beschwerdeberechtigung | |
☐ | Liegt eine Verpflichtung zur Herausgabe von Urkunden vor? |
☐ | Liegt eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung vor? |
☐ | Liegt eine Beschwer vor, die die Anfechtung der Entscheidung rechtfertigt? |
☐ | Bemisst sich die Beschwer nach den Vollstreckungskosten oder einem anderen Wert? |
Wie wird die Beschwerde bewertet? 2. Bewertung des Beschwerdewerts | |
☐ | Ist der Besitz der Urkunde mit einem eigenständigen wirtschaftlichen Wert verbunden? |
☐ | Falls nein: Berechnet sich die Beschwer nach den zu erwartenden Vollstreckungskosten? |
☐ | Beträgt der zu erwartende Kostenaufwand für die Zwangsvollstreckung mehr als 500 EUR? |
☐ | Falls Ersatzbeschaffung erforderlich: Sind die Kosten hierfür substanziiert nachgewiesen? |
3. Prüfung der Erfolgsaussichten einer Beschwerde | |
☐ | Liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) vor? |
☐ | Ist das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) betroffen? |
☐ | Gibt es eine entscheidungserhebliche Divergenz zur bisherigen Rechtsprechung? |
☐ | Hat das Gericht den Ermessensspielraum bei der Kostenbemessung korrekt genutzt? |
Wie wird die Beschwerde begründet? 4. Begründung der Beschwerde | |
☐ | Ist die Beschwer des Mandanten durch die Kosten einer drohenden Zwangsvollstreckung begründet? |
☐ | Detailliert Zeit- und Kostenaufwand für die Urkundenbeschaffung darstellen. |
☐ | Ist die Hinzuziehung eines Anwalts für die Erfüllung der Verpflichtung notwendig? |
☐ | Auf höchstrichterliche Rechtsprechung zur Bestimmung der Beschwer verweisen. |
5. Verfahrensstrategien zur Kostenminimierung | |
☐ | Alternative Rechtsmittel prüfen (z. B. Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung). |
☐ | Kosten-Nutzen-Abwägung: Ist eine Beschwerde wirtschaftlich sinnvoll oder führt sie zu unnötigen Kosten? |
☐ | Mit der Gegenseite zur einvernehmlichen Klärung der Herausgabe kommunizieren. |
AUSGABE: RVGprof 8/2025, S. 147 · ID: 50339453