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HilfsantragHierauf müssen Sie bei der Berechnung der Beschwer bei Hilfsanträgen achten

Abo-Inhalt31.07.20257129 Min. LesedauerVon Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Ein zentrales Problem in der Praxis betrifft die Nichtberücksichtigung von Hilfsanträgen bei der Berechnung der Beschwer im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, wenn über diese Hilfsanträge von den Vorinstanzen (LG und OLG) nicht entschieden wurde. Der Beitrag zeigt, worauf Sie achten müssen. |

1. Problem: Nichtberücksichtigung von Hilfsanträgen

Bleiben die Hilfsanträge außer Betracht, weil die innerprozessualen Voraussetzungen für deren Entscheidung nicht vorliegen, reduziert dies die wirtschaftliche Bedeutung der Beschwer erheblich. In diesem Zusammenhang hat der BGH (20.2.25, I ZR 119/24, Abruf-Nr. 248510) entschieden, dass ein Hilfsantrag bei der Berechnung des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nur zu berücksichtigen ist, wenn das Berufungsgericht über ihn entschieden hat. Dies gilt nicht nur, wenn ein Hilfsantrag für den Fall gestellt wird, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag keinen Erfolg hat (echter Hilfsantrag). Es gilt auch für sogenannte unechte Hilfsanträge, die unter der Bedingung gestellt werden, dass dem Hauptantrag stattgegeben wird.

Im Streitfall verlangte die Klägerin (K) Schadenersatz wegen der Beschädigung einer eingelagerten Druckmaschine. Sie stellte einen Hauptantrag über 35.001 EUR, einen 1. Hilfsantrag über den Restbetrag von 336.812,84 EUR, einen 2. Hilfsantrag auf Feststellung weiterer Ersatzpflicht sowie hilfsweise Aufrechnung gegen eine Widerklage der Beklagten. Das Berufungsgericht gab dem Hauptantrag i. H. v. 33.946,85 EUR teilweise statt, wies die Hilfsanträge jedoch unbeschieden zurück. K begehrte Nichtzulassungsbeschwerde. Der BGH setzte den Streitwert hierfür auf 1 EUR fest.

2. Die Kernaussagen des BGH

Der Inhalt der Entscheidung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Maßgeblichkeit des Beschwerdewerts (§ 5 ZPO, §§ 39, 45 GKG)

Der Beschwerdewert bemisst sich nur nach dem Streitgegenstand, über den die Vorinstanz entschieden hat.

b) Behandlung von Hilfsanträgen

Ein Hilfsantrag (egal ob „echt“ oder „unecht“) ist beim Streitwert nur zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht darüber entschieden hat (vgl. auch BAG, RVG prof. 15, 92). Ein echter Hilfsantrag liegt vor, wenn der Kläger mit seinem Hauptantrag keinen Erfolg hat. Ein unechter Hilfsantrag ist unter der Bedingung gestellt, dass dem Hauptantrag stattgegeben wird.

c) Keine analoge Anwendung der BFH-Rechtsprechung

Die Rechtsprechung des BFH zur umfassenden Streitwertberücksichtigung findet keine Anwendung im Zivilprozess, da dort keine drohende Bestandskraft wie bei Steuerbescheiden vorliegt.

d) Folge für die Streitwertbemessung

Nur der abgewiesene Teil des Hauptantrags war streitwertrelevant. Die nicht beschiedenen Hilfsanträge blieben unberücksichtigt, da die Bedingung für ihre Entscheidung nicht eingetreten war.

Merke | Sie müssen bei der Formulierung und Verfolgung von Hilfsanträgen strategisch und kostenbewusst vorgehen. Nur beschiedene Hilfsanträge beeinflussen die Streitwert- und Beschwerdeberechnung. Fehler bei der Antragstellung oder unklare Bedingungsformulierungen führen zu einer Reduktion des Streitwerts und können als zulassungsrelevante Hürden die Revision vereiteln.

3. Handlungsempfehlungen

Daraus ergeben sich die folgenden Handlungsempfehlungen:

  • Planen Sie die Streitwertrelevanz richtig: Klären Sie frühzeitig, welche Anträge sicher beschieden werden, um deren Berücksichtigung beim Streitwert sicherzustellen. Weisen Sie dabei ggf. explizit auf die Notwendigkeit der Hilfsantragsbescheidung hin – etwa durch eine bedingte Selbstständigkeit der Anträge.
  • Minimieren Sie das Risiko der Streitwertverkürzung: Wenn ein weitergehender Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden soll, überlegen Sie, ob der Hauptantrag von Anfang an auf den vollen Betrag zu richten ist, um Teilbeschlüsse zu vermeiden.
  • Kostenbewusstsein versus Beschwerbewusstsein: Wird ein Antrag nur teilweise gestellt, um das Kostenrisiko zu senken, verringert sich bei Nichterfolg zugleich die Beschwer und damit die Möglichkeit zur Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

4. Tipps zur Vermeidung von Vergütungsverlusten

Um Verluste bei der Vergütung zu vermeiden, beachten Sie diese Tipps:

Checkliste für die Streitwertfestsetzung bei Hilfsanträgen

Erledigt?

Wurde der Hilfsantrag explizit gestellt?

Ist der Hilfsantrag eindeutig bedingt (z. B. auf Stattgabe/Nichtstattgabe des Hauptantrags)?

Hat das Gericht über den Hilfsantrag entschieden?

Wurde die Entscheidungsbedingung erfüllt (z. B. Erfolg/Misserfolg des Hauptantrags)?

Ist der Streitwert nach § 45 GKG korrekt berechnet worden (nur entschiedene Ansprüche)?

Wurde der Streitwertbeschluss ggf. angefochten (§ 68 GKG)?

Besteht eine Relevanz für Beschwerde/Nichtzulassungsbeschwerde?

  • Vermeiden Sie eine Deckelung des Hauptantrags unterhalb der wirtschaftlich relevanten Summe von 20.000 EUR, wenn eine Revision geplant ist.
  • Beantragen Sie bei Hilfsanträgen ausdrücklich eine Entscheidung für den Fall, dass das Gericht eine Bindungswirkung aus § 308 ZPO bejaht.
  • Klären Sie im Berufungsverfahren frühzeitig, ob und wann das Gericht über Hilfsanträge entscheiden wird – rügen Sie ggf. das Fehlen.
  • Halten Sie schriftlich ausdrücklich fest, dass bestimmte Anträge auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Bedeutung haben sollen.

5. Vorlage zur Streitwertfestsetzung bei Hilfsanträgen

Die folgende Vorlage soll die interne Bearbeitung bei Hilfsanträgen verbessern, um so Gebührenverluste zu minimieren.

Die Zielgruppe sind Rechtsanwälte, Referendare und die Assistenz.

a) Hintergrund

Hilfsanträge – ob echt oder unecht – sind bei der Streitwertfestsetzung nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht über sie entschieden hat. Dies hat Auswirkungen auf die Berechnung der anwaltlichen Vergütung sowie auf die Zulässigkeit von Rechtsmitteln (z. B. Nichtzulassungsbeschwerde bei Beschwer unter 20.000 EUR).

b) Definitionen

Ein echter Hilfsantrag gilt für den Fall, dass der Hauptantrag erfolglos ist.

Ein unechter Hilfsantrag greift nur, wenn dem Hauptantrag stattgegeben wurde.

c) Verfahrensablauf (intern)

Praxistipp | Geltendmachung des vollen Betrags kann höhere Beschwer sichern!

Ja

Nein

Wurde der Hilfsantrag ausdrücklich gestellt?

Ist die Bedingung für den Hilfsantrag (einfach/unecht) klar formuliert?

Wurde der Hilfsantrag durch das Gericht entschieden?

Wurde der Bedingungseintritt durch Urteil oder Schriftsatz dargelegt?

Wurde der Streitwert korrekt unter Berücksichtigung des § 45 GKG festgesetzt?

Wurde eine Streitwertbeschwerde geprüft/eingelegt?

Ist die Beschwer nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht (20.000 EUR)?

  • Antragstellung in der Klage/Berufung
    • Klar kennzeichnen: Haupt- und Hilfsanträge
    • Bedingungen sauber formulieren (z. B. „nur für den Fall der Stattgabe des Hauptantrags“)
    • Anträge logisch staffeln
  • Mandatsstrategie
  • Klärung mit Mandanten: Will er einen Teilbetrag oder vollen Schadensbetrag geltend machen?
  • Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
    • Gericht auffordern, über Hilfsanträge ausdrücklich zu entscheiden, auch bei Nichterfüllung der Bedingung
    • Falls Ablehnung: Antrag auf Zwischenentscheidung über Bedingungseintritt in Erwägung ziehen
  • Nach dem Urteil
    • Urteil prüfen: Wurden Hilfsanträge beschieden?
    • Falls nicht: Prüfung, ob Bedingung eingetreten ist – wenn nein → kein Streitwertzuwachs
  • Streitwertfestsetzung prüfen
    • Streitwertbeschluss anfordern (§ 63 GKG)
    • Gegebenenfalls Streitwertbeschwerde (§ 68 GKG) einlegen
  • Standard-Formulierungsbaustein (für Schriftsätze)
  • „Für den Fall, dass das Gericht dem Hauptantrag stattgibt, wird hilfsweise beantragt, ... Wir bitten das Gericht, im Sinne des § 308 ZPO über diesen Antrag ausdrücklich zu befinden, soweit dessen Bedingung als erfüllt angesehen wird oder um dem Hinweis, dass eine Klarstellung der Bedingung prozessual geboten ist.“
  • Checkliste: Streitwertrelevanz von Hilfsanträgen
  • Tipps zur Vergütungsoptimierung
    • Strategisch hohe Hauptanträge stellen, wenn Revision/Nichtzulassungsbeschwerde absehbar ist
    • Hilfsanträge als eigenständige Streitgegenstände durch präzise Anträge herausarbeiten
    • Verzicht auf Hilfsanträge nur, wenn vollständige Anspruchsverfolgung gewünscht ist
    • Kostenbewusstsein wahren, aber Rechtsmittelzugang nicht aus taktischen Gründen verbauen
Weiterführender Hinweis
  • Niedriger Streitwert steht Beschwer der Partei entgegen: OLG Brandenburg RVGprof 24, 58

AUSGABE: RVGprof 8/2025, S. 135 · ID: 50462231

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