Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Aug. 2025 abgeschlossen.
InsolvenzDiese Vergütung erhält der Anwalt im gerichtlichen Insolvenzantragsverfahren
| In RVG prof. 25, 125 wurde über die Anwaltsvergütung bei der Beratung und der außergerichtlichen Vertretung in Insolvenzrechtmandaten berichtet. Der folgende Beitrag schließt hieran an. Er beleuchtet die Grundlagen der Anwaltsvergütung im gerichtlichen Insolvenzantragsverfahren, zeigt praxisrelevante Fallstricke auf und gibt Handlungsempfehlungen. |
1. Allgemeines
Das Insolvenzeröffnungsverfahren (§§ 13 – 21 InsO) ist die Phase zwischen dem Eingang eines Insolvenzantrags und der Entscheidung über dessen Annahme oder Ablehnung durch das Insolvenzgericht. In dieser Zeit prüft das Gericht:
- die (Un)Zulässigkeit des Antrags,
- die Begründetheit, d. h. ob Eröffnungsgründe (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Zahlungsunfähigkeit) vorliegen,
- die Deckung der Verfahrenskosten. Ist dies der Fall, wird das Verfahren eröffnet (§ 27 InsO), andernfalls wird der Antrag mangels Masse (§ 26 InsO) zurückgewiesen.
In dieser Phase werden auch Sicherungsmaßnahmen getroffen (§§ 21 ff. InsO) oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt (§ 22 InsO).
2. Unterscheidung: Gläubiger- bzw. Schuldnervertretung
Zu unterscheiden ist zwischen der anwaltlichen Tätigkeit für den Gläubiger (Nr. 3314 VV RVG) sowie den Schuldner (Nr. 3313 VV RVG) sowohl hinsichtlich der Höhe der Gebühren als auch bezüglich des Gegenstandswerts (§ 28 RVG).
3. Pauschalgebühr
Die Gebühr entsteht bereits mit der erstmaligen Tätigkeit im Verfahren, z. B. mit der Informationsaufnahme oder einer Zahlungsaufforderung vor Antragstellung (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 26. Aufl., Rn. 30, 37 f.). Sie deckt als Pauschalgebühr den gesamten Bereich anwaltlicher Tätigkeit im Insolvenz-eröffnungsverfahren ab, einschließlich der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO.
Beachten Sie | Für mehrere Tätigkeiten in diesem Verfahrensstadium erhält der Anwalt die Gebühren aber nur einmal. Andererseits fällt die Gebühr selbst dann an, wenn der Anwalt nur eine einzige Tätigkeit innerhalb dieses Verfahrens ausübt (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 26. Aufl., Nrn. 3313–3323 VV RVG, Rn. 30, 37).
4. Beginn und Umfang des Vertretungsauftrags
Der Gebührenanspruch entsteht, sobald der Anwalt den unbedingten Auftrag erhält und tätig wird. Das erste Tätigwerden wird dabei meist in der Informationsaufnahme liegen. Die Zustellung der gerichtlichen Entscheidung über den Eröffnungsantrag gehört noch zu dem von Nrn. 3313, 3314 VV RVG abgedeckten Bereich.
Beachten Sie | Hat der Rechtsanwalt den Auftrag zur Stellung des Insolvenzantrags erhalten, fordert er aber in Ausführung des Auftrags den Schuldner erst unter Androhung der Antragstellung zur Zahlung auf, so ist auch dies gebührenrechtlich bereits eine Tätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, Rn 38).
Endet der Auftrag vorzeitig, weil z. B. der Schuldner vor der Antragstellung die Forderungen des Gläubigers ausgleicht, ermäßigen sich die Gebühren nicht (vgl. § 15 Abs. 4 RVG).
5. Vertretung des Schuldners
Für das Betreiben des gesamten Geschäfts im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens erhält der für den Schuldner tätige Rechtsanwalt gemäß Nr. 3313 VV RVG eine 1,0-Verfahrensgebühr (Pauschgebühr). Der Wert richtet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse (§ 58 GKG). Er beträgt mindestens jedoch 4.000 EUR.
Beachten Sie | Die Höhe rechtfertigt sich durch eine intensivere Einarbeitung in die gesamten Vermögensverhältnisse des Schuldners (BT-Drucks 15/1971, S. 216 zu VV 3313, 3314), als es bei der schlichten Antragstellung für den Gläubiger der Fall ist. Letztere ist eher mit der Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung gleichzusetzen. Dabei wird der Umstand, dass im Insolvenzantrag nicht nur die Forderung des Antragstellers, sondern auch der Insolvenzgrund glaubhaft zu machen sind, als Rechtfertigung für den im Vergleich zum Vollstreckungsverfahren (0,3) maßvoll höheren Gebührensatz von 0,5 angesehen.
Ohne Bedeutung für die Höhe des Gebührensatzes ist es, ob der Insolvenzantrag vom Schuldner, von einem Gläubiger oder einem gemäß §§ 15, 15a InsO Antragsberechtigten, einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit gestellt worden ist.
Beispiel 1 | |
Schuldner S wendet sich an Rechtsanwalt R, damit dieser für ihn einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. S verfügt nur noch über 3.000 EUR Barvermögen. R erhält für seine Tätigkeit im Eröffnungsverfahren folgende Gebühren aus dem Mindestwert von 4.000 EUR. | |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3313 VV RVG | 295,00 EUR |
Pauschale für Post u. Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 59,85 EUR |
374,85 EUR |
Beispiel 2: Schuldnervertretung – vorzeitige Beendigung |
Wie Beispiel 1. Bevor R den Antrag bei Gericht einreicht, teilt S mit, dass er die Forderungen der Gläubiger beglichen hat. Lösung: R kann wie im Beispiel 1 abrechnen. |
6. Vertretung des Gläubigers
Auch der Rechtsanwalt des Gläubigers erhält für seine gesamte Tätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren gemäß Nr. 3314 VV RVG eine pauschale Verfahrensgebühr, allerdings nur mit einem Gebührensatz von 0,5, da die Tätigkeit weniger zeitintensiv als bei der Schuldnervertretung ist. Berechnungsgrundlage ist hier der Nennwert der Forderung einschließlich der Nebenforderungen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 23 Abs. 1 S. 3, § 28 Abs. 2 RVG), also Kosten und Zinsen (§ 28 Abs. 2 S. 2 RVG). Der Mindestwert beträgt ebenfalls 4.000 EUR (§ 28 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 RVG).
Beispiel 3 | |
Rechtsanwalt R vertritt den Mandanten M. Dieser ist im Besitz einer titulierten Forderung von 40.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7.3.24 gegen S. M beauftragt R, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des S zu beantragen. R reicht beim Gericht einen Insolvenzantrag ein. Das Insolvenzverfahren wird am 11.12.24 eröffnet. Lösung Der Gegenstandswert berechnet sich aus der Hauptforderung von 40.000 EUR zzgl. Zinsen ab dem 7.3.24 bis 10.12.24 in Höhe von 2.583,85 EUR (der Tag der Verfahrenseröffnung ist nicht mitzuzählen; Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz/Rech, RVG, 11. Aufl., § 28, Rn. 21 m. w. N.), somit insgesamt 42.583,85 EUR. R kann daher wie folgt abrechnen: | |
0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3314 Abs. 1 VV RVG aus 42.583,85 EUR, § 28 Abs. 2 RVG | 635,50 EUR |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 124,54 EUR |
780,04 EUR |
Beispiel 4: Gläubigervertretung – vorzeitige Beendigung |
Wie Beispiel 3. Bevor R den Antrag einreicht, zahlt S. Lösung: R kann wie im Beispiel 3 abrechnen. |
Übersicht: Gebühren im Insolvenzantragsverfahren | ||||
Vertretung | VV RVG | Gebührensatz | Gegenstandswert (§ 28 RVG) | Erläuterung |
Schuldnervertretung | Nr. 3313 VV RVG | 1,0- Verfahrens-gebühr | Insolvenzmasse; Mindestwert: 4.000 EUR | Umfangreiche Prüfung der Vermögensverhältnisse erforderlich |
Gläubigervertretung | Nr. 3314 VV RVG | 0,5- Verfahrens-gebühr | Nennwert der Forderung zzgl. Nebenforderungen: Mindestwert: 4.000 EUR | Weniger umfangreiche Tätigkeit, Antragstellung vergleichbar mit Zwangsvollstreckung |
AUSGABE: RVGprof 8/2025, S. 144 · ID: 50462070