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VerfahrenspflegschaftUnter diesen Voraussetzungen greift eine Vergütung nach RVG bei Verfahrenspflegern
| In der Praxis sorgt die Frage der vergütungsrechtlichen Ansprüche eines anwaltlichen Verfahrenspflegers im betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren immer wieder für Streit. Der BGH konkretisiert nochmals, unter welchen Voraussetzungen eine Vergütung für solche Tätigkeiten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) beansprucht werden kann. |
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
In dem Fall wurde 2020 eine Betreuung für die Betroffene eingerichtet. Die beruflich tätige Betreuerin beantragte eine betreuungsgerichtliche Genehmigung für den Verzicht auf einen Nießbrauch der Betroffenen an einem Grundstück. Das AG bestellte einen Anwalt zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger, um die Interessen der Betroffenen zu wahren. Dieser bewertete das geplante Rechtsgeschäft als nachteilig für die Betroffene und erhob Einwände. AG und LG lehnten seinen Vergütungsantrag (1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG) ab. Der BGH entschied, dass der Verfahrenspfleger Anspruch auf eine Vergütung nach dem RVG hat (8.1.25, XII ZB 477/22, Abruf-Nr. 246767).
Entscheidungsgründe
Nach § 277 Abs. 1 S. 1 FamFG a. F. erhält ein Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen. Eine Vergütung kann gemäß § 277 Abs. 2 S. 2 FamFG a. F. in entsprechender Anwendung des VBVG gewährt werden. Zudem besteht gemäß § 1835 Abs. 3 BGB a. F. ein Anspruch auf eine Vergütung nach dem RVG, sofern die Tätigkeit anwaltsspezifische Dienste umfasst, die ein juristischer Laie nicht ohne Weiteres erbringen könnte.
Dazu wies der BGH darauf hin, dass der Tatrichter im Einzelfall bewerten müsse, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger die Voraussetzungen erfülle, unter denen ihm eine Vergütung nach dem RVG zu bewilligen sei. Im konkreten Fall sollte beim Betreuungsgericht eine Genehmigung eingeholt werden, damit die Betreute kompensationslos auf einen Nießbrauch an einem Grundstück verzichtet. Das sei vergleichbar mit einer Tätigkeit betreffend die Genehmigung eines Grundstückskaufvertrags. Hierfür würde ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen.
Relevanz für die Praxis
Beachten Sie | Der BGH stellt klar, dass die Tätigkeit des Verfahrenspflegers im vorliegenden Fall anwaltsspezifisch war und eine Vergütung nach RVG rechtfertigt. Insbesondere in betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren, die komplexe rechtliche Fragestellungen betreffen (z. B. Grundstücksgeschäfte), kann ein Verfahrenspfleger als Rechtsanwalt tätig werden und hierfür eine 1,3-Geschäftsgebühr beanspruchen.
Die Entscheidung bestätigt die Vergütungsansprüche anwaltlicher Verfahrenspfleger nach dem RVG, sofern ihre Tätigkeit spezifische Rechtskenntnisse erfordert. Wenn Sie als Rechtsanwalt eine Verfahrenspflegschaft übernehmen, sollten Sie dies beachten, um Ihre Vergütungsansprüche erfolgreich durchzusetzen.
Checkliste / Vergütung als anwaltlicher Verfahrenspfleger | |
1. Prüfen Sie die Bestellung | |
☐ | Stellen Sie sicher, dass die Bestellung eine anwaltsspezifische Tätigkeit umfasst. Die Feststellung des Betreuungsgerichts ist für Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend. |
☐ | Klären Sie, ob die Tätigkeit über die reine Wahrnehmung verfahrensrechtlicher Rechte hinausgeht. Fehlt der Ausspruch zur Ausübung anwaltsspezifischer Tätigkeit? Legen Sie dar, dass es die Tätigkeit als Verfahrenspfleger rechtfertigt, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. |
2. Stellen Sie die Dokumentation sicher | |
☐ | Prüfen Sie, ob alle wesentlichen Schritte in der Verfahrensakte festgehalten sind. Führen Sie die Akte sorgfältig, um die erbrachten anwaltlichen Leistungen nachweisen zu können. |
☐ | Dokumentieren Sie den Schriftverkehr mit dem Gericht und der Betreuungsstelle. |
☐ | Stellen Sie die Notwendigkeit dar, warum das Rechtsgeschäft anwaltlich geprüft werden musste. |
3. Machen Sie die Vergütung geltend | |
☐ | Verweisen Sie im Vergütungsantrag auf die RVG-Gebühren. |
☐ | Berechnung: 0,5- bis 2,5-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG; § 14 Abs. 1 RVG beachten, Auslagenpauschale, Umsatzsteuer). |
☐ | Nehmen Sie Bezug auf aktuelle Rechtsprechung (BGH 14.8.24, XII ZB 478/22; BGH 8.1.25, XII ZB 477/22). |
☐ | Begründen Sie den Vergütungsantrag. Legen Sie dar, warum die anwaltliche Tätigkeit notwendig war (z. B. besondere Rechtskenntnisse). |
☐ | Weisen Sie auf vergleichbare Fälle hin (z. B. Grundstücksverkäufe, Nießbrauchverzicht). Begründen Sie, warum die Tätigkeiten einen juristischen Laien überfordern würden, sodass auch ein Verfahrenspfleger, der über berufliche Qualifikationen der höchsten Vergütungsstufe verfügt, berechtigterweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte. |
4. Prüfen Sie Rechtsmittel bei einer Ablehnung | |
☐ | Legen Sie Beschwerde zum LG gegen den ablehnenden Beschluss des AG ein. |
☐ | Erwägen Sie ggf. Rechtsbeschwerde zum BGH. |
- „Plötzlich betreut“: Anwalt muss nicht Gerichtskosten tragen, RVG prof. 19, 203
- Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger: Das ist bei der Abrechnung zu beachten, RVG prof. 17, 197
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AUSGABE: RVGprof 5/2025, S. 85 · ID: 50339211