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Prozesstaktik
Erledigungserklärung statt Klagerücknahme ist nicht mutwillig
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Arbeitsrechtliche Kündigung (Teil 2)So wird die gerichtliche Vertretung der Kündigung mit Zustimmungserfordernis abgerechnet
| Wenn die Kündigung eines Arbeitnehmers (in den Fällen der §§ 85 ff. SGB IX, § 18 Abs. 1 S. 2 BEEG, § 17 Abs. 2 S. 1 MuSchG) der Zustimmung einer besonderen behördlichen Stelle bedarf, gilt § 4 S. 4 KSchG. Diese Vorschrift lässt die Dreiwochenfrist der Kündigungsschutzklage erst beginnen, wenn die behördliche Entscheidung dem Arbeitnehmer bekannt gegeben worden ist. Bei der Abrechnung müssen Sie als Anwalt beachten, dass Sie die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten und den Arbeitsgerichten voneinander trennen (zur außergerichtlichen Vertretung s. RVG prof. 25, 47). |
1. Gerichtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Wird der Anwalt in den genannten Fällen von seinem Auftraggeber (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) sowohl mit dessen Vertretung vor der Behörde als auch mit dem Ausspruch der Kündigung bzw. deren Abwehr beauftragt, so liegen zwei verschiedene Angelegenheiten i. S. d. § 15 RVG vor. Bei dem Zustimmungs- oder Zulässigkeitsverfahren handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit. Bei dem Verfahren betreffend Kündigung bzw. deren Abwehr liegt eine arbeitsrechtliche Angelegenheit zugrunde.
Möglich ist, dass es wegen der Zustimmung zu einem gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht kommt.
Beispiel 1: Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt mit Widerspruchsverfahren und Klageverfahren vor dem VG; anschließende Kündigung | |
Behörde stimmt erst vor dem VG zu Lösung Ausgangspunkt sind die Schwellengebühren bei Geschäftsgebühr | |
1. Verfahren vor dem Integrationsamt | |
a) Außergerichtliche Vertretung | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Regelwert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 86,30 EUR |
504,50 EUR | |
Nach einzelnen Verfahren abrechnen | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR | - 217,10 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 45,05 EUR |
282,15 EUR | |
c) Verfahren vor dem Verwaltungsgericht | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR | - 217,10 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 400,80 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 121,20 EUR |
759,10 EUR | |
Kündigung als eigene arbeitsrechtliche Angelegenheit abrechnen | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 725,40 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 141,63 EUR |
887,03 EUR |
Möglich ist auch, dass mehrere Zustimmungsverfahren durchgeführt werden. In diesem Fall ist jedes Zustimmungsverfahren eine eigene Angelegenheit.
Beispiel 2: Mehrere Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt | |
Jedes Zustimmungsverfahren ist eigene Angelegenheit Lösung Es liegen jetzt gesonderte Verwaltungsverfahren und gesonderte Widerspruchsverfahren vor. Ausgehend jeweils von den Schwellengebühren bei den Geschäftsgebühren ist wie folgt zu rechnen: | |
Erstes Verfahren: ordentliche Kündigung und Widerspruch | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 86,30 EUR |
504,50 EUR | |
Widerspruchsverfahren | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR | - 217,10 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 45,05 EUR |
282,15 EUR | |
Zweites Verfahren: außerordentliche Kündigung und Widerspruch | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 86,30 EUR |
504,50 EUR | |
Widerspruchsverfahren | |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG (Wert: 5.000 EUR) | 434,20 EUR |
gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR | -217,10 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG | 45,05 EUR |
282,15 EUR |
Beachten Sie | Werden die Widersprüche zurückgewiesen, kann sich jeweils ein Klageverfahren vor dem VG anschließen (zur Abrechnung s. Beispiel 2). Häufig ist allerdings eine einzige Klage, die sich gegen beide Ablehnungen in Gestalt der Widersprüche richtet. In diesem Fall ist nur ein gerichtliches Verfahren gegeben. Trotz des ggf. zugrunde liegenden einheitlichen Lebenssachverhalts liegen selbstständige Streitgegenstände vor, für die jeweils der Auffangwert von 5.000 EUR anzusetzen ist. Die Einzelwerte der Streitgegenstände werden gemäß § 39 Abs. 1 GKG addiert (OVG Lüneburg AGS 20, 414). Bei der Anrechnung der Geschäftsgebühr ist § 15a Abs. 2 RVG zu beachten.
Beispiel 3: Mehrere Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt; anschließende gemeinsame Klage vor dem VG | ||
Wie Beispiel 2. Die Widersprüche werden jeweils gesondert zurückgewiesen. Es kommt zu einem Verfahren vor dem VG, in dem die Verweigerungen der Zustimmung zur ordentlichen und zur außerordentlichen Kündigung angegriffen wird. Abrechnung im einheitlichen Verfahren vor dem VG Zur Abrechnung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren siehe Beispiel 2. Im gerichtlichen Verfahren ist jetzt wie folgt zu rechnen: | ||
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) | 798,20 EUR | |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR (Widerspruch ordentliche Kündigung) | - 217,10 EUR | |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 5.000 EUR (Widerspruch außerordentliche Kündigung) | - 217,10 EUR | |
Gem. § 15a Abs. 2 RVG nicht mehr als 0,65 aus 10.000 EUR | - 399,10 EUR | |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) | 736,80 EUR | |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR | |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 219,62 EUR | |
1.375,52 EUR |
2. Gerichtliches Verfahren hinsichtlich Kündigung vor ArbG
Wegen der Kündigung kann es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen. Vor dem ArbG entsteht eine Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG), auf die die außergerichtliche Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen ist.
Beispiel 4: Zustimmungsverfahren, Kündigung, Kündigungsschutzprozess | |
Wie vorherige Beispiele. Nach Erteilung der Zustimmung wird die Kündigung ausgesprochen. Dagegen erhebt der Mandant Kündigungsschutzklage. Lösung Verfahrensgebühr wird angerechnet | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 725,40 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 9.000 EUR | - 362,70 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 669,60 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 199,94 EUR |
1.252,24 EUR |
3. „Gesamtvergleich“ über Sache insgesamt
Wird hinsichtlich der Kündigung ein Vergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen und regeln die Parteien zusätzlich die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seinen Widerspruch gegen den Bescheid der Behörde zurückzunehmen, hat dieser Regelungsgegenstand keinen Mehrwert. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird der Widerspruch gegenstandslos, sodass der rein deklaratorisch festgeschriebenen Rücknahmevereinbarung im arbeitsgerichtlichen Vergleich kein zusätzlicher wirtschaftlicher Wert zukommt (LAG Nürnberg AGS 16, 483; LAG Rheinland-Pfalz AGS 12, 424). Die gegenteilige Auffassung des LAG Köln (AGS 16, 484), das einen Mehrwert in Höhe eines Bruttogehalts annimmt, ist angesichts der eindeutigen Regelung im Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht mehr vertretbar. Denn dort heißt es in Nr. 25.1.7: „Kein Mehrwert bei Erledigung bzw. Verpflichtung zur Erledigung/Rücknahme bei behördlichen Verfahren (Integrationsamt, sonstige Arbeitsschutzbehörde) oder Gerichten (Verwaltungsgericht) im Zusammenhang mit Kündigungsverfahren.“
Beispiel 5: „Gesamtvergleich“ vor dem ArbG | |
Wie Beispiel 4. Im Verfahren vor dem ArbG einigen sich die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgehoben wird und der Kläger seinen Widerspruch gegen die Zustimmungserklärung vor der Behörde zurücknimmt. Lösung Zur Abrechnung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie zur Geschäftsgebühr hinsichtlich der Kündigung siehe die vorstehenden Beispiele. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist jetzt wie folgt abzurechnen: | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 725,40 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen, 0,65 aus 9.000 EUR | - 362,70 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 669,60 EUR |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 9.000 EUR) | 558,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 305,96 EUR |
1.916,26 EUR |
AUSGABE: RVGprof 5/2025, S. 91 · ID: 50282728