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TerminsgebührBagatellverfahren und Terminsgebühr – ein Überblick zu § 495a ZPO

Top-BeitragAbo-Inhalt25.11.20247 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Nach § 495a S. 1 ZPO kann das AG in sog. Bagatellfällen bei einem Streitwert bis 600 EUR das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen und ohne mündliche Verhandlung entscheiden. In Verfahren vor dem LG ist diese Vorschrift nicht anwendbar, zumal Streitwerte bis 600 EUR hier nur bei Spezialzuständigkeiten in Betracht kommen (etwa bei einer Klage aus Amtshaftung oder einer Vollstreckungsabwehrklage). Auch vor Familiengerichten ist § 495a ZPO nicht anwendbar, da § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nur auf die allgemeinen Vorschriften der ZPO und auf die Vorschriften für das landgerichtliche Verfahren, nicht aber auf § 495a ZPO verweist. |

1. Verfahrensgrundsätze

§ 495a ZPO bewirkt insbesondere, dass das AG nicht mündlich verhandeln muss, sondern im schriftlichen Verfahren entscheiden kann. Da das Gericht aber auf Antrag einer Partei nach § 495a S. 2 ZPO die mündliche Verhandlung durchführen muss, gilt das Verfahren als Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, entsteht eine (fiktive) Terminsgebühr nach der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG.

2. Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung

Kommt es zu einer mündlichen Verhandlung, entsteht die (echte) Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG. Grundsätzlich fällt die Terminsgebühr dabei in Höhe von 1,2 an (Nr. 3104 VV RVG). Unter den Voraussetzungen der Nr. 3105 VV RVG ermäßigt sich die Gebühr allerdings auf 0,5.

3. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung

Grundsätzlich entsteht bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Verfahren nach § 495a ZPO eine (fiktive) 1,2-Terminsgebühr (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG).

a) Das sind die Voraussetzungen der vollen Terminsgebühr

Voraussetzung ist, dass eine Entscheidung ergeht. Kommt es im Verfahren nach § 495a ZPO nicht zu einer Entscheidung – etwa wegen einer Klagerücknahme oder Erledigung der Hauptsache –, entsteht keine Terminsgebühr. Denn nicht das „schriftliche Verhandeln“ steht der mündlichen Verhandlung gleich, sondern erst die Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO.

Beispiel 1
Nach Klageerhebung (Wert: 300 EUR) ordnet das Gericht das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an und entscheidet nach Ablauf der Schriftsatzfrist durch Urteil.
Lösung
Der Anwalt verdient neben der 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG auch eine 1,2-Terminsgebühr, obwohl es keinen gerichtlichen Termin gegeben hat. Abzurechnen ist wie folgt:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 300 EUR
63,70 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 300 EUR
58,80 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
27,08 EUR
169,58 EUR

Zudem muss die Entscheidung in der Hauptsache ergehen. Entscheidungen, die auch im regulären Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, reichen nicht aus. Daher genügt eine Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache oder der Klagerücknahme nicht (AG Wolfenbüttel AGO kompakt 13, 98).

Allerdings wird häufig verkannt – wie auch vom AG Wolfenbüttel –, dass die Terminsgebühr nicht an der fehlenden vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung scheitert, auf die es im Verfahren nach § 495a ZPO ja ohnehin gar nicht ankommt. Die fiktive Terminsgebühr scheitert vielmehr daran, dass das Gericht nicht der Zustimmung der Parteien bedarf, um von der mündlichen Verhandlung abzusehen. Das Gericht darf bereits kraft Gesetzes in diesen Fällen ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Beispiel 2
Im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO (Streitwert 300 EUR) wird die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht entscheidet nach § 91a ZPO über die Kosten des erledigten Verfahrens.
Lösung
In diesem Fall entsteht keine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG, da nach § 128 Abs. 3 ZPO über die Kosten stets ohne mündliche Verhandlung entschieden werden darf. Es bleibt hier bei der Verfahrensgebühr. Abzurechnen ist wie folgt:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 300 EUR
63,70 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
12,74 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
14,52 EUR
90,96 EUR

Beachten Sie | Es ist nicht erforderlich, dass eine Endentscheidung ergeht. Auch andere Entscheidungen, die ansonsten üblicherweise aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, lösen die Terminsgebühr aus, etwa ein Hinweis- oder Beweisbeschluss, der nach Ablauf der Schriftsatzfrist ergeht (AnwK-RVG/Reckin, 9. Aufl., Nr. 3104 VV Rn. 18).

b) Auch wenn sich Beklagter nicht meldet, entsteht volle Terminsgebühr

Strittig war anfangs, ob eine volle 1,2-Terminsgebühr anfällt, wenn sich der Beklagte nicht am Verfahren beteiligt:

  • Einige Gerichte haben die Nichtbeteiligung des Beklagten im Verfahren nach § 495a ZPO einer Säumnis gleichgesetzt und entschieden, dass nur eine 0,5-Terminsgebühr entstehe (AG München AGS 07, 442; AG Freising AGS 08, 71; AG Cloppenburg JurBüro 07, 79).
  • Dabei wurde übersehen, dass in solchen Fällen kein Versäumnisurteil, sondern ein Schlussurteil ergeht. Damit ist die Ermäßigungsvorschrift der Nr. 3105 VV RVG schon tatbestandlich gar nicht anwendbar. Zwischenzeitlich ist geklärt, dass auch in diesen Fällen die volle Terminsgebühr entsteht (OLG Düsseldorf RVG prof. 09, 96; ebenso AG Kleve AGS 06, 542).
Beispiel 3
Nach Klageerhebung (Wert: 300 EUR) ordnet das Gericht das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an und setzt dem Beklagten eine Frist zur Stellungnahme. Der Beklagte meldet sich nicht, sodass das Gericht nach Ablauf der Schriftsatzfrist ein Endurteil erlässt.
Lösung
Ungeachtet der „Säumnis“ des Beklagten entsteht eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG, da weder ein Versäumnisurteil beantragt noch ergangen ist. Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.

c) Bei Erlass eines Versäumnisurteils wird Verfahrensgebühr ermäßigt

Anders verhält es sich dagegen, wenn ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergeht. Dies ist auch in Verfahren nach § 495a ZPO möglich. In diesem Fall gilt Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG, sodass nur eine ermäßigte 0,5-Terminsgebühr anfällt (AG Mönchengladbach RVG prof. 13, 150; AG Pforzheim RVG prof. 19, 37).

Beispiel 4
Das Gericht ordnet das schriftliche Verfahren nach § 495a ZPO an (Streitwert: 300 EUR). Es fordert den Beklagten auf, seine Verteidigungsbereitschaft innerhalb von zwei Wochen anzuzeigen, und weist darauf hin, dass nach Ablauf der Frist ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren in Betracht kommt. Der Beklagte meldet sich nicht, sodass das Gericht auf Antrag ein Versäumnisurteil erlässt.
Lösung
Es gilt Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG. Die Terminsgebühr entsteht nur zu 0,5.
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 300 EUR
63,70 EUR
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG aus 300 EUR
24,50 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
17,64 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
20,11 EUR
125,95 EUR

4. Handlungsempfehlungen

Will der Anwalt vermeiden, dass das Gericht im Verfahren nach § 495a ZPO ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlässt und er nur eine ermäßigte Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG erhält, darf er keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils stellen. In diesem Fall muss das Gericht durch ein Endurteil entscheiden und der Anwalt erhält die volle 1,2-Terminsgebühr.

Beachten Sie | Ein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils ergibt im Verfahren nach § 495a ZPO auch keinen Sinn. Schlüssig muss die Klage ohnehin sein. Dann ist aber ein unanfechtbares Endurteil vorteilhafter als ein Versäumnisurteil, gegen das der Gegner Einspruch einlegen kann.

Praxistipp | Der formularmäßig gestellte Antrag nach § 331 Abs. 3 ZPO sollte an sich aus den Schriftsatzmustern bei amtsgerichtlichen Klagen mit Werten bis 600 EUR verbannt werden, um dem Gericht nicht die Möglichkeit zu geben, ein Versäumnisurteil zu erlassen. Denn viele Gerichte achten häufig gar nicht darauf, ob ein Antrag nach § 331 Abs. 3 ZPO gestellt worden ist, und erlassen routinemäßig ein Versäumnisurteil. Deshalb sollten Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie kein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren beantragen.
Erlässt der Richter irrtümlich ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren, obwohl dies nicht beantragt war, kann dies im Nachhinein nicht mehr korrigiert werden (AG Bielefeld NJW-Spezial 20, 221). Immerhin erhalten Sie in diesem Fall zumindest die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG, auch wenn Sie keinen Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils gestellt haben (BGH RVG prof. 17, 95).

5. Anerkenntnisurteil

Wird in einem Verfahren nach § 495a ZPO durch ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren gemäß § 307 ZPO entschieden, entsteht die 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG.

6. Einigung

Einigen sich die Parteien in einem Verfahren nach § 495a ZPO, entsteht eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG, da ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zugrunde liegt.

Beispiel 5
Nach Klageerhebung (Wert: 300 EUR) schließen die Parteien einen Vergleich auf die Klageforderung.
Lösung
Abzurechnen ist wie folgt:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG aus 300 EUR
63,70 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG aus 300 EUR
58,80 EUR
1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG aus 300 EUR
49,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
36,39 EUR
227,89 EUR

Beachten Sie | Ungeschriebene Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass die Einigung in der Hauptsache getroffen wird. Eine Einigung lediglich über die Kosten reicht nicht aus, weil hier auch im Fall einer Entscheidung keine Terminsgebühr anfallen würde.

AUSGABE: RVGprof 12/2024, S. 211 · ID: 50195221

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