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VerweisungVerweisung vom ArbG ans Zivilgericht: Nur diese Kosten sind erstattungsfähig

Top-BeitragAbo-Inhalt01.09.20247 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Wird ein Rechtsstreit von einem Arbeitsgericht (ArbG) an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit verwiesen, sind die vor dem ArbG angefallenen Anwaltskosten nicht erstattungsfähig. Nach dem OLG Dresden werden nur die Kosten erstattet, die nach Verweisung (auch) vor dem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit angefallen sind. |

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger K vor dem ArbG Klage gegen den B erhoben. Nach dem Gütetermin wurde die Sache an das zuständige LG verwiesen. Dort erklärte K den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Prozessbevollmächtigte des B reagierte auf dieses Schreiben nicht. Das LG ging daraufhin gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO von einer Erledigung aus und legte durch einen Beschluss nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO dem K die Kosten des Rechtsstreits auf. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der B die Festsetzung seiner Anwaltskosten, darunter eine 1,3-Verfahrensgebühr, eine 1,2-Terminsgebühr sowie Reisekosten und eine Postentgeltpauschale. Das OLG Dresden hat die Terminsgebühr sowie die Reisekosten abgesetzt und die Verfahrensgebühr auf 0,8 reduziert (15.4.24, 12 W 649/23, Abruf-Nr. 243084).

Relevanz für die Praxis

Wird ein Verfahren von der Arbeitsgerichtsbarkeit an die ordentliche Gerichtsbarkeit verwiesen, muss hinsichtlich der Erstattung der vor dem abgebenden Gericht entstandenen Kosten unterschieden werden zwischen

  • 1. der Verweisung von einem ArbG an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (hier gilt für die vor dem verweisenden ArbG entstandenen Kosten der Erstattungsausschluss nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG) und
  • 2. der Verweisung von einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit an ein ArbG (hier ist § 12 Abs. 1 S. 3 ArbGG zu beachten).

1. Verweisung vom ArbG an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit

Bei einer Verweisung vom ArbG an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit bleibt wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG die Erstattung der erstinstanzlich vor dem ArbG angefallenen Rechtsanwaltskosten ausgeschlossen (OLG Brandenburg AGS 00, 138). Der Ausschluss gilt jedoch nicht für diejenigen Anwaltskosten, die vor dem ordentlichen Gericht erneut entstehen (OLG Schleswig AGS 95, 33).

Beispiel 1: Verweisung vom ArbG an das LG
Die Klage wird beim ArbG eingereicht (Wert: 6.000 EUR). Auf den Einwand des Beklagten hin wird das Verfahren an das zuständige LG verwiesen, das über die Sache mündlich verhandelt.
Lösung
Die vor dem ArbG angefallene Verfahrensgebühr ist als solche nicht erstattungsfähig. Da die Verfahrensgebühr aber auch vor dem LG entstanden ist und dort der Ausschluss der Kostenerstattung nicht gilt, ist diese erstattungsfähig. Die Terminsgebühr ist ohnehin erstattungsfähig. Gleiches gilt für die Postentgeltpauschale. Zu erstatten sind:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
507,00 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
468,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
189,05 EUR
1.184,05 EUR
Beispiel 2: Gütetermin und Verweisung vom ArbG an das LG
Vor dem ArbG findet ein Gütetermin statt. Anschließend wird die Sache an das LG verwiesen. Dort wird die Klage zurückgenommen, ohne dass mündlich verhandelt worden ist. Zuvor hatte der Beklagte vor dem LG beantragt, die Klage abzuweisen.
Lösung
Die Verfahrensgebühr, die (auch) vor dem LG entstanden ist, ist nebst der Postentgeltpauschale erstattungsfähig. Die Terminsgebühr, die nur vor dem ArbG angefallen ist, kann dagegen wegen § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nicht erstattet verlangt werden. Zu erstatten sind also nur:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
507,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
100,13 EUR
627,13 EUR
Beispiel 3: Verweisung vom ArbG ans LG und Klagerücknahme
Die Klage wird beim ArbG eingereicht (Wert: 6.000 EUR). Auf den Einwand des Beklagten hin wird das Verfahren an das zuständige LG verwiesen. Dort wird – wie im aktuellen Fall des OLG Dresden – die Klage zurückgenommen, ohne dass erneut mündlich verhandelt worden ist. Der Beklagte hat keinen neuen Antrag mehr gestellt.
Lösung
Die vor dem ArbG angefallene Verfahrensgebühr des Beklagten ist als solche nicht erstattungsfähig. Da die Verfahrensgebühr aber auch vor dem LG entstanden ist, ist sie erstattungsfähig, allerdings wegen Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG nur zu 0,8. Zu erstatten sind also:
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
312,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
63,08 EUR
395,08 EUR

2. Verweisung vom Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit an ein ArbG

Wird umgekehrt von einem ordentlichen Gericht an ein Gericht der Arbeitsgerichtsbarkeit verwiesen, ist § 12a Abs. 1 S. 3 ArbGG zu beachten: Die vor dem ordentlichen Gericht angefallenen Kosten bleiben erstattungsfähig, und zwar unabhängig davon, ob sie vor dem ArbG erneut angefallen sind (BAG NJW 05, 1301; Thüringer LAG NZA-RR 01, 106; LAG Köln AGS 12, 48). Insgesamt entsteht jede Gebühr aber nur einmal (§ 15 Abs. 2 RVG).

Beispiel 4: Verweisung vom LG ans ArbG
Die Klage (Streitwert 6.000 EUR) wird vor dem LG eingereicht. Dort wird mündlich verhandelt. Danach wird die Sache an das ArbG verwiesen. Dort ergeht nach mündlicher Verhandlung ein klageabweisendes Urteil, wonach der Kläger die Kosten des Verfahrens tragen muss.
Lösung
Vor dem LG sind die Verfahrens- und die Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale ausgelöst worden. Vor dem ArbG ist nur noch die Verfahrensgebühr entstanden. Ungeachtet des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG sind sowohl Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale erstattungsfähig, da diese Kosten bereits vor dem ordentlichen Gericht angefallen sind und dort der Ausschluss der Kostenerstattung nicht greift. Zu erstatten sind danach:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
507,00 EUR
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
468,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
189,05 EUR
1.184,05 EUR
Beispiel 5: Verweisung vom LG ans ArbG und dort mündliche Verhandlung
Die Klage (Streitwert 6.000 EUR) wird vor dem LG eingereicht und ohne mündliche Verhandlung an das ArbG verwiesen. Dort wird mündlich verhandelt und durch Urteil entschieden. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Lösung
Vor dem LG ist nur die Verfahrensgebühr ausgelöst worden. Vor dem ArbG sind Verfahrens- und Terminsgebühr entstanden. Ungeachtet des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG sind sowohl Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale erstattungsfähig, da diese bereits vor dem ordentlichen Gericht angefallen sind und dort der Ausschluss der Kostenerstattung nicht greift. Die nur vor dem ArbG entstandene Terminsgebühr ist dagegen nicht erstattungsfähig. Zu erstatten sind danach:
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 6.000 EUR)
507,00 EUR
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG
100,13 EUR
627,13 EUR

3. Erstattung von Reisekosten

Soweit Reisekosten der Partei angefallen sind, greift der Ausschluss des § 12a Abs. 1 S. 1 RVG nicht. Diese Kosten sind immer erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 S. 3 ZPO) – unabhängig davon, vor welchem Gericht sie angefallen sind.

Hinsichtlich der Reisekosten des Anwalts gilt vom Prinzip her das Gleiche wie für die übrige Vergütung. Allerdings fallen Reisekosten immer nur punktuell an. Hier kommt es also ausschließlich darauf an, wo diese Kosten angefallen sind:

  • Sind sie vor dem ordentlichen Gericht angefallen, sind sie immer erstattungsfähig, auch wenn anschließend das Verfahren an ein ArbG verwiesen wird (§ 12a Abs. 1 S. 3 RVG).
  • Sind die Reisekosten des Anwalts vor dem ArbG entstanden, greift der Ausschluss der § 12a Abs. 1 S. 1 RVG.

Beachten Sie | Zu beachten ist allerdings, dass der Ausschluss nicht greift, wenn der Anwalt den Termin ohne die Partei wahrnimmt. In diesem Fall sind die Kosten des Anwalts in Höhe der ersparten fiktiven Reisekosten der Partei erstattungsfähig (LAG Berlin NZA-RR 06, 538), die sich gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO nach den Vorschriften des JVEG richten.

Beispiel 6: Reisekostenerstattung
Der in A wohnende Beklagte B wird durch seinen in A ansässigen Prozessbevollmächtigten P vor dem 40 km entfernten ArbG Z vertreten. An der Güteverhandlung nimmt B neben seinem Anwalt teil. Er fährt mit dem eigenen Pkw und zahlt vor Ort Parkgebühren von 3,00 EUR brutto. Am nachfolgenden Kammertermin nimmt der B nicht teil. Zu diesem Termin reist nur P an. Die Klage wird abgewiesen und die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger K auferlegt.
Lösung
Der B kann für die Fahrt zum Gütetermin seine Reisekosten zur Erstattung anmelden. Der Ausschluss des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG greift insoweit nicht. Zu erstatten sind Reisekosten i. H. v.
2 x 40 km x 0,35 EUR/km =
28,00 EUR
Parkgebühren (brutto)
3,00 EUR
31,00 EUR
Für den Kammertermin sind der Partei keine eigenen Reisekosten entstanden, wohl aber Anwaltskosten (Vorbem. 7 Abs. 2, Nrn. 7003 ff. VV RVG), und zwar i. H. v.
2 x 40 km x 0,42 EUR/km (Nr. 7003 VV RVG)
33,60 EUR
Abwesenheitsgeld (Nr. 7006 VV RVG)
30,00 EUR
Parkgebühren (netto)
2,52 EUR
19 % USt. (Nr. 7008 VV RVG)
12,56 EUR
78,68 EUR
Es gilt: Hätte der Kläger keinen Anwalt eingeschaltet, sondern den Kammertermin selbst wahrgenommen, wären Parteireisekosten angefallen, und zwar wiederum in Höhe von 31 EUR (s. o.). Daher sind die tatsächlichen anwaltlichen Reisekosten in der Höhe der fiktiven (hypothetischen) Reisekosten der Partei erstattungs- und festsetzungsfähig. Insgesamt sind also 2 x 31,00 EUR = 62,00 EUR erstattungsfähig.
Hätte der Kläger auch am Kammertermin teilgenommen, so würde sich nichts Abweichendes ergeben. Seine (tatsächlichen) Reisekosten in Höhe von insgesamt (2 x 31 EUR =) 62 EUR wären erstattungsfähig. Die Reisekosten des Anwalts wären dagegen jetzt nicht erstattungsfähig, da wegen der eigenen Anreise des Klägers keine Parteikosten erspart worden wären.

Aus den Entscheidungsgründen des OLG Dresden ergibt sich leider nicht, ob die Partei im Termin zugegen war. Ungeachtet dessen hätten aber auf jeden Fall Reisekosten zum Gütetermin festgesetzt werden müssen: entweder die der Partei oder die des Anwalts.

AUSGABE: RVGprof 9/2024, S. 151 · ID: 50106935

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