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ForderungseinzugErgänzungsgebühr für das „erste Inkassoschreiben“?

Top-BeitragAbo-Inhalt15.05.20244 Min. Lesedauer von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften zum 1.10.21 (BGBl. 20 I, S. 3320) gibt es bei der außergerichtlichen Geltendmachung unbestrittener Forderungen geringere Gebührensätze: Regelgebühr von 0,9 (Nr. 2300 Abs. 2 S. 1 VV RVG) und Maximalgebühr von 1,3 (Nr. 2300 Abs. 2 S. 3 VV RVG). Dies führt bei Gläubiger(vertreter)n in der Praxis vielfach zu einer falschen Vorgehensweise. |

1. Das gilt allgemein

Bei einer Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft, kann nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG eine Gebühr von mehr als 0,9 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit besonders umfangreich oder besonders schwierig war. In einfachen Fällen kann nur eine Gebühr von 0,5 gefordert werden. Ein einfacher Fall liegt in der Regel vor, wenn die Forderung auf die erste Zahlungsaufforderung hin beglichen wird.

2. Das ist bei der Bemessung der Rahmengebühr zu beachten

Bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG handelt es sich um eine Rahmengebühr. Insoweit sind insbesondere die in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien bei der Bemessung des Gebührenrahmens zu beachten.

Beispiel

Rechtsanwalt R mahnt auftragsgemäß außergerichtlich den Schuldner S zur Zahlung einer unbestrittenen Forderung in Höhe von 100 EUR innerhalb einer Frist von zwei Wochen. Die Mahnung enthält folgende Hinweise:
  • Zahlen Sie nicht die Gesamtforderung oder lassen Sie die Frist verstreichen, wird eine Erhöhung auf die 0,9-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 13 RVG in Höhe von 19,60 EUR fällig.
  • Zahlen Sie fristgerecht den vollen Gesamtbetrag, ist darin die bereits laut Forderungsaufstellung reduzierte 0,5-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 13 RVG in Höhe von 24,50 EUR enthalten.
Weil S nicht zahlt, erwirkt der Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid und vollstreckt gegen S. Aus der beigefügten Forderungsaufstellung ergeben sich u. a. 27,99 EUR als „Ergänzungsgebühr für das erste Inkassoschreiben zu der 0,9-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, § 13 RVG“. Diese setzt sich zusammen aus einem Betrag von 19,60 EUR zzgl. Auslagenpauschale von 3,92 EUR zzgl. 19 Prozent USt. von 4,47 EUR. Zu Recht?

Im Beispielsfall ist wie folgt zu unterscheiden:

Vorliegend ist unstreitig ein einfacher Fall gegeben. Durch das erste Anmahnen der unbestrittenen Forderung entsteht daher folgende Vergütung für R:

Anwaltsgebühren für die 1. Mahnung
0,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 Abs. 2 S. 2 VV RVG, § 13 Abs. 1 S. 1 RVG (aus 100 EUR)
24,50 EUR
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG
4,90 EUR
19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG
5,59 EUR
34,99 EUR

Beachten Sie | Eine nachträgliche Erhöhung der Geschäftsgebühr von 0,5 auf 0,9 ist grundsätzlich möglich, da es sich insoweit immer noch um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit (vgl. § 15 Abs. 2 RVG) handelt. Das Bestimmungsrecht kann aber erst ausgeübt werden, wenn die Angelegenheit erledigt bzw. beendet und damit die Vergütung fällig ist (vgl. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Gebühr ist gemäß der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG konkret zu bestimmen. Ist dies der Fall, ist der Anwalt hieran gebunden und es darf keine weitere Erhöhung mehr erfolgen. Auch die Bestimmung der Gebühr unter Vorbehalt ist unzulässig (AnwK/RVG, Schneider/Volpert, 9. Aufl., § 14 Rn. 78). Eine (zusätzliche) Ergänzungsgebühr scheidet damit aus!

Allein der pauschale Hinweis an den Schuldner, dass die 0,5-Geschäftsgebühr bei nicht fristgerechter Zahlung automatisch auf eine 0,9-Geschäftsgebühr erhöht wird, reicht nicht für eine Erhöhung. Denn die nicht fristgerechte Zahlung durch den Schuldner führte hier dazu, dass der Gläubiger gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid erwirkt hat. Damit war die außergerichtliche Angelegenheit erledigt und die Vergütung wurde fällig. Damit war es aber auch erforderlich, das Bestimmungsrecht nach § 14 Abs. 1 RVG konkret auszuüben. Es musste dargelegt werden, dass ein „Normalfall“ vorliegt, der zu einem Gebührensatz von 0,9-Geschäftsgebühr führt.

Merke | Für die Bemessung einer höheren Geschäftsgebühr – bis 0,9 – sollten durch den Gläubiger Ansatzpunkte dargelegt werden, wie
  • mit dem Schuldner geführte Telefonate,
  • einfache Adressermittlung,
  • Überwachung von einstelliger Zahl von Raten.

3. Geschäftsgebühren sind keine Vollstreckungskosten

Ein weiterer Fehler im Beispielsfall lag darin, dass die außergerichtliche Geschäftsgebühr im Rahmen der Zwangsvollstreckung als Vollstreckungskosten mit geltend gemacht wurde. Die Geschäftsgebühr ist jedoch nicht im Rahmen der Zwangsvollstreckung entstanden. Zum Zeitpunkt ihres Entstehens war noch kein vollstreckbarer Titel vorhanden bzw. die Gebühr war noch nicht tituliert. Daher scheidet eine Geltendmachung im Rahmen eines Zwangsvollstreckungsmandats aus.

Weiterführender Hinweis
  • Inkassomandate: Schuldnerschutz durch reduzierte Anwaltsvergütung, RVG prof. 21, 171

AUSGABE: RVGprof 6/2024, S. 102 · ID: 49991771

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