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Versäumnisurteil Teil 4Die Terminsgebühr bei einem VU in „Mischfällen“
| Im Zusammenhang mit Versäumnisurteilen (VU) sind „Mischfälle“ möglich, bei denen sowohl eine volle als auch eine ermäßigte Terminsgebühr entsteht. Ein solcher Mischfall tritt beispielsweise auf, wenn im Gerichtstermin eine Teilerörterung über einen Teil der Hauptforderung erfolgt. Anhand von praxisnahen Beispielen werden im Folgenden verschiedene Szenarien erläutert (vgl. zu Teil 1: RVG prof. 23, 213; zu Teil 2: RVG prof. 24, 14; zu Teil 3: RVG prof. 24, 28; Nummerierung der Beispiele hier folgt Teil 3). |
1. Säumnis und Teilerörterung
Möglich sind Mischfälle, wenn im Termin der Gegner säumig und auch nicht anwaltlich vertreten ist, das Gericht aber einen Teil des Streitgegenstands mit dem erschienenen Anwalt des Klägers erörtert. Hier ist folgendermaßen zu differenzieren:
a) Erörterung über Teil der Hauptforderung
Wird nur ein Teil der Hauptforderung erörtert, fällt insoweit die 1,2-Terminsgebühr der Nr. 3104 VV RVG an. Im Übrigen entsteht nur die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG. Insgesamt darf nach § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als eine 1,2-Gebühr aus dem Gesamtwert verlangt werden (OLG Köln AGS 06, 244).
Beispiel 28: Nach Erörterung VU über Gesamtforderung | ||
Eingeklagt sind 10.000 EUR. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erscheint der Beklagte nicht und ist auch nicht anwaltlich vertreten. Das Gericht weist den Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass zwar der Klageantrag zu 1) über 4.000 EUR schlüssig sei, nicht jedoch der Klageantrag zu 2) über 6.000 EUR. Durch die Erörterung lässt sich das Gericht von der Schlüssigkeit der Klage überzeugen und erlässt ein VU über die Gesamtforderung. Lösung Aus dem Teilwert von 4.000 EUR ermäßigt sich die Terminsgebühr auf 0,5 (Nr. 3105 VV RVG). Aus dem weiteren Teilwert von 6.000 EUR bleibt es dagegen bei der vollen 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG). Abzurechnen ist also wie folgt: | ||
| 798,20 EUR | |
| 139,00 EUR | |
| 468,00 EUR | |
607,00 EUR | ||
| 736,80 EUR | |
| 20,00 EUR | |
| 270,79 EUR | |
1.695,99 EUR |
Merke | Nach einer anderen Ansicht fällt in den vorstehenden Fällen eine volle 1,2-Terminsgebühr an (vgl. ArbG Siegburg AGS 11, 479; Schons, in Anm. zu OLG Köln AGS 06, 244). Diese Ansicht geht davon aus, dass Nr. 3105 VV RVG nur anwendbar ist, wenn im Termin nichts anderes geschieht als ein Antrag auf Erlass eines VU. Eine weitergehende Tätigkeit schließe die Anwendung der Nr. 3105 VV RVG insgesamt aus. Unterschiede zwischen den beiden Auffassungen ergeben sich nur, wenn § 15 Abs. 3 RVG nicht greift. Das ist der Fall, wenn die Summe der Einzelgebühren unter dem Betrag einer Gebühr nach dem Höchstsatz aus dem Gesamtwert liegt. |
b) Erörterung nur über Nebenforderung
Wird nur aus dem Wert einer Nebenforderung, z. B. der Zinsen, erörtert, gilt prinzipiell das Gleiche wie bei der Erörterung über eine Teilhauptforderung. Allerdings ist § 43 GKG zu beachten:
- Aus dem Wert der Hauptsache entsteht nur die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG.
- Aus dem Wert der Nebenforderung (§ 23 Abs. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 2 GKG) fällt eine volle 1,2-Terminsgebühr an (OLG Köln AGS 06, 244).
- Insgesamt darf nicht mehr verlangt werden als eine 1,2-Gebühr aus dem Gesamtwert (§ 15 Abs. 3 RVG). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich der Gesamtwert nur auf den Betrag der Hauptforderung beläuft. Denn nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i. V. m. § 43 Abs. 1 GKG besteht ein Additionsverbot.
Beispiel 29: Erörterung der Nebenforderung | |
Im Termin zur mündlichen Verhandlung weist das Gericht darauf hin, dass zwar die Klage i. H. v. 10.000 EUR schlüssig sei, nicht jedoch der Zinsantrag (Gegenstandswert bis 500 EUR). Nach Erörterung nimmt der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Zinsantrag zurück und beantragt im Übrigen ein VU, das antragsgemäß ergeht. Lösung Aus dem Wert der Hauptsache ermäßigt sich die Terminsgebühr auf 0,5. Aus dem Wert der Zinsen bleibt es dagegen bei der vollen 1,2-Terminsgebühr. Zu berücksichtigen ist § 15 Abs. 3 RVG. Zu rechnen ist wie folgt: | |
| 798,20 EUR |
| 307,00 EUR |
| 58,80 EUR |
365,80 EUR | |
| |
| 20,00 EUR |
| 224,96 EUR |
1.408,96 EUR |
Merke | Anderer Ansicht ist wiederum Schons (vgl. Anm. zu OLG Köln AGS 06, 244). Er rechnet in solchen Fällen eine volle 1,2-Terminsgebühr aus dem Gesamtwert ab. |
2. Mehrere Gegner, von denen nur einer säumig ist
Mischfälle können auftreten, wenn von mehreren Beklagten nur einer säumig ist und gegen diesen ein VU ergeht. Handelt es sich um unterschiedliche Streitgegenstände, fällt eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr an. Soweit es sich um denselben Streitgegenstand handelt, entsteht eine 1,2-Terminsgebühr.
Beispiel 30: Identischer Streitgegenstand | |
Der Anwalt erhebt für seinen Mandanten Klage gegen zwei Beklagte als Gesamtschuldner auf Zahlung von 15.000 EUR. Der Beklagte zu 1) erscheint und verhandelt. Der Beklagte zu 2) ist dagegen säumig und auch nicht anwaltlich vertreten – gegen ihn ergeht antragsgemäß ein VU. Lösung Aus den 15.000 EUR entsteht die volle 1,2-Terminsgebühr der Nr. 3104 VV RVG. Insoweit reicht es aus, dass einer der Streitgenossen erschienen oder vertreten ist. | |
| 933,40 EUR |
| 861,60 EUR |
| 20,00 EUR |
| 344,85 EUR |
2.159,85 EUR |
Anders verhält es sich bei unterschiedlichen Streitgegenständen.
Beispiel 31: Unterschiedliche Streitgegenstände | ||
Der Anwalt erhebt für seinen Mandanten Klage gegen zwei Beklagte auf Zahlung von jeweils 7.500 EUR. Der Beklagte zu 1) erscheint und verhandelt. Der Beklagte zu 2) ist säumig und auch nicht anwaltlich vertreten, sodass gegen ihn auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers antragsgemäß ein VU ergeht. Lösung Hier entstehen verschiedene Terminsgebühren | ||
| 933,40 EUR | |
| 251,00 EUR | |
| 669,60 EUR | |
| 861,60 EUR | |
| 20,00 EUR | |
| 1.815,00 EUR | |
| 344,85 EUR | |
2.159,85 EUR |
3. Teileinspruch
Mischfälle können vorkommen, wenn der Einspruch gegen ein VU beschränkt wird.
Beispiel 32: Einspruch nur gegen einen Teil des VU | ||
Der Anwalt erhebt für seinen Mandanten Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von 15.000 EUR. Das Gericht ordnet nach § 697 Abs. 2 S. 2, § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO das schriftliche Vorverfahren an und erlässt nach Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft auf Antrag des Klägervertreters ein VU im schriftlichen Vorverfahren. Hiergegen legt der Beklagte Einspruch ein, allerdings beschränkt auf eine Verurteilung in Höhe von 10.000 EUR. Daraufhin wird über die 10.000 EUR mündlich verhandelt. Lösung Die Terminsgebühr entsteht aus 15.000 EUR, zunächst nur in Höhe von 0,5. Aus 10.000 EUR erstarkt diese Gebühr zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr. Zu beachten ist § 15 Abs. 3 RVG. | ||
| 933,40 EUR | |
| 167,00 EUR | |
| 736,80 EUR | |
| 861,60 EUR | |
| 20,00 EUR | |
| 344,85 EUR | |
2.159,85 EUR |
4. Fälle der Klageerweiterung oder Widerklage
Ferner können Mischfälle auftreten, wenn eine Klage nach mündlicher Verhandlung erweitert oder eine Widerklage erhoben wird und hiernach ein VU ergeht.
Beispiel 33 |
Der Anwalt erhebt für seinen Mandanten Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von 10.000 EUR, über die mündlich verhandelt wird. Dann wird a) die Klage um 5.000 EUR erweitert, b) eine Widerklage von 5.000 EUR erhoben. Im anschließenden weiteren Termin ist der Beklagte säumig, sodass ein entsprechendes VU ergeht. Wie kann der Anwalt abrechnen? Lösung Begrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG beachten |
- Teil 1: Gebühren bei Säumnis des Gegners trotz Anträgen, Erörterung sowie Klagerücknahme, RVG prof. 23, 213iww.de
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- Teil 2: Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, RVG prof. 24, 14
- Teil 3: Die Terminsgebühr bei einem Versäumnisurteil nach einem Einspruch, RVG prof. 24, 28
AUSGABE: RVGprof 3/2024, S. 51 · ID: 49849887