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PräventionRückenschule war gestern – neue Wege zur Rückengesundheit
| Rückenschmerzen zählen mittlerweile zu den Volkskrankheiten. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) verursachen Rückenschmerzen 130 AU-Tage je 100 Versichertenjahre und jährliche Krankheitskosten von rund 12 Mrd. Euro. Damit belegen sie Platz drei der jährlichen Diagnosen bei den Krankschreibungen. Nach Angaben des Global Consumer Survey (online iww.de/s13201) litten im Jahr 2021 zwei Drittel der Erwachsenen mindestens einmal in den letzten 12 Monaten an Rückenbeschwerden. Gut 16 Prozent der Erwachsenen leiden an chronischen Rückenbeschwerden. Betroffen ist überwiegend der gesamte Rücken oder mehrheitlich die Lendenwirbelsäule bzw. der Nacken (online iww.de/s13202). 80 Prozent der Beschwerden sind unspezifisch. Es sind keine strukturellen Veränderungen der Wirbelsäule festzustellen. Grund genug also, hier nicht erst zu warten, bis die Beschwerden auftreten, sondern präventiv dagegen vorzugehen. |
Erste Wege zur Prävention: die Rückenschule
Ein etabliertes Mittel war bis ins Jahr 2024 noch die sog. Rückenschule (PP 11/2017, Seite 13 f.). Diese hat eine lange Tradition in Deutschland und wurde bereits in den 1980er-Jahren aus dem skandinavischen Raum zu uns importiert. Die Bochumer Rückenschule nach Professor Krämer ist nur ein Beispiel dieser frühen Bewegung. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Rückenschule stets weiter, und auch die Ausbildung zum Rückenschul-Lehrer etablierte sich in den verschiedensten Berufs-, Fach- und Sportverbänden.
Während sich die traditionelle Rückenschule sehr stark mit Schmerzvermeidung und dem Erlernen richtiger Verhaltensmuster für den Alltag befasste, schlossen sich im Jahr 2006 verschiedene Berufsverbände zur Konföderation der deutschen Rückenschulen (KddR) zusammen. Die Neue Rückenschule war geboren und orientierte sich fortan am biopsychosozialen Modell und einem ganzheitlichen Ansatz. Die Stärkung individueller Gesundheitsressourcen sowie der Aufbau von Gesundheitskompetenzen bildeten dabei den zentralen Baustein, der sich inhaltlich an der Entwicklung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten orientierte. Zur Ausbildung künftiger Rückenschullehrer veröffentlichte die KddR ein einheitliches Curriculum, das über viele Jahre als fundierte Expertise in der Prävention von Rückenbeschwerden diente.
Neue Wege in der Prävention von Rückenschmerzen
Doch im Laufe der Jahre entwickelten sich zahlreiche neue wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse (z. B. Studien zur Rückengesundheitsprävention, umfangreiche Praxiserfahrungen der Bewegungsexperten). Daher war es zu Beginn der 2020er-Jahre an der Zeit, das bestehende Curriculum zu aktualisieren. Da sich die einzelnen Mitgliedsverbände der KddR nicht auf die zukünftige Ausrichtung der Rückenprävention einigen konnten, zerfiel die Konföderation und die einzelnen Verbände gehen seither getrennte Wege.
Merke | Einen ersten Einblick in die Neuausrichtung zur Förderung der Rückengesundheit konnte man bereits im Jahr 2024 zum Tag der Rückengesundheit bekommen. Unter dem Motto „Dein Kompass zur Rückengesundheit“ wurde rund um diesen Tag am 14.03.2024 mit vielen Aktionen auf die vielfältigen Möglichkeiten zur Prävention von Rückenbeschwerden hingewiesen. Denn es gibt für die Rückengesundheit nicht den einen Königsweg: So individuell die einzelne Wirbelsäule des Menschen geformt ist, so individuell können die Wege sein, sie gesund zu halten. Dass dabei auch Instrumente der Verhaltens- und Verhältnisprävention zum Einsatz kommen, versteht sich von selbst. |
Rückengesundheit: Der eigene Weg führt zum Ziel
Die neuen Wege sind keine wirkliche Neuausrichtung, sondern vielmehr eine Weiterentwicklung bekannter Inhalte auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Das dabei weiterhin die Entwicklung der konditionellen und koordinativen Fähigkeiten eine zentrale Rolle spielt, liegt fast auf der Hand. Doch darüber hinaus wird im Sinne der Selbstwirksamkeit empfohlen, den eigenen Weg zur Rückengesundheit zu finden. Zum Tag der Rückengesundheit wurden 2024 dazu zehn Orientierungshilfen zur Erreichung der individuellen Rückengesundheit formuliert, die alle wissenschaftlich untermauert sind
Orientierungshilfe zum Tag der Rückengesundheit 2024 |
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Um diesen Ansatz auch künftig breit in die Bevölkerung zu streuen, hat man u. a. beim Bundesverband deutscher Rückenschulen (BdR) ein neues Curriculum der Ausbildung entwickelt und sich grundsätzlich von den alten und verstaubten Begriffen Rückenschule bzw. Rückenschul-Lehrer verabschiedet. Zukünftig wird die Fachkraft Rückengesundheit ausgebildet, die dann entsprechende Kurse zur Rückengesundheit anbieten kann. Erste Ausbildungsformate können an den jeweiligen Ausbildungsstützpunkten des BdR, u. a. in der Akademie für Prävention & Fitness/Hamm besucht werden. Zudem werden bestehende Rückenschul-Lehrer auf die neue Ausrichtung upgedatet.
Zum Autor | Christian Kunert ist Dozent für Gesundheitsmanagement und Prävention an der IST Hochschule, Gesellschafter und Geschäftsführer der Akademie für Prävention & Fitness GmbH (akapraefit.de) sowie Inhaber von KunertGesundheit (kunertgesundheit.de) und Coach Kunert (coachkunert.de).
AUSGABE: PP 8/2025, S. 5 · ID: 50471905