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BeraterhaftungWas tun, wenn der Steuerberater Fehler macht?
| Wer Steuern zahlt, bedient sich häufig der Hilfe eines Steuerberaters. Angesichts der chaotischen Steuergesetzgebung, der immer wieder neuen Urteile des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte sowie der typischen Arbeitsüberlastung ist es nicht verwunderlich, dass der Rat des Beraters in manchen Fällen nicht gut ist, sondern nur teuer. PP stellt deshalb dar, was Sie beachten sollten und welche Rechte Sie haben, wenn Sie meinen, vom Steuerberater falsch beraten worden zu sein. |
Welche Pflichten hat Ihr Steuerberater?
Ihr Steuerberater muss nur für Fehler einstehen, wenn er gegen seine Pflichten verstoßen hat. Welche Pflichten Ihr Steuerberater hat, hängt davon ab, welchen Auftrag Sie ihm erteilt haben. Mit anderen Worten: Ungefragt muss Ihr Berater Sie nicht beraten. Es sei denn, Sie haben ihn beauftragt, Sie laufend über alle für Sie steuerlich relevanten Sachverhalte zu informieren, ohne dass Sie im Einzelfall einen speziellen Auftrag erteilen. Das würde aber dazu führen, dass Sie auch Hinweise erhalten, die Sie möglicherweise gar nicht benötigen – und natürlich auch entsprechende Rechnungen.
Falls Sie Ihren Steuerberater also nur mit der Lohnbuchführung beauftragt haben, muss er Ihnen keine steuergestaltenden Hinweise in Bezug auf Ihre Praxis geben. Er muss nur die Löhne richtig verbuchen. Falls Sie ihn hingegen mit der Erstellung Ihrer Gewinn- und Verlust-Rechnung beauftragt haben, muss er auch nur diese richtig erstellen. Tipps für Ihre private Einkommensteuererklärung, z. B. mit Blick auf eine geplante Immobilienveräußerung, muss er nicht geben. Dass ein guter Steuerberater Ihnen ungefragt weiterführende und steuersparende Tipps gibt, steht auf einem anderen Blatt. Dazu verpflichtet ist er nicht.
Wann haftet Ihr Steuerberater?
Ihr Steuerberater haftet nur dann, wenn er schuldhaft einen Fehler macht, der ursächlich dafür ist, dass bei Ihnen ein Schaden eintritt, und keine vertragliche Haftungsbeschränkung vereinbart wurde – der Steuerberater haftet dann unbeschränkt.
Die typischen Fehler eines Steuerberaters
Einige der klassischen Fehler eines Steuerberaters in der Praxis sind:
- Fristversäumnisse (Beispiel 1: Sie reichen Ihre Unterlagen rechtzeitig beim Steuerberater ein, der erstellt die Erklärung jedoch zu spät und das Finanzamt fordert deshalb einen Verspätungszuschlag i. S.d. § 152 Abgabenordnung [AO]; Beispiel 2: Sie beauftragen Ihren Steuerberater mit der Einlegung eines Einspruchs, dieser lässt jedoch die Einspruchsfrist verstreichen und Ihre Einwände können deshalb keinen Erfolg mehr haben);Unterlagen werden zu spät eingereicht
- Falschbuchungen (Beispiel: Als betriebliche Aufwendungen abzugsfähige Kosten werden als steuerneutrale Privatentnahme verbucht);Abzugsfähige Aufwendungen werden nicht berücksichtigt
- Missachtung gesetzlicher Vorschriften (Beispiel: Der Steuerberater erstellt als Gewinnermittlung eine teure Bilanz anstatt einer günstigen Einnahme-Überschuss-Rechnung [EÜR], ohne dass Sie ihn damit beauftragt haben);
- unterlassene Beratung, obwohl ein dahin gehender Auftrag vorlag (Beispiel: Sie haben den Steuerberater mit der Ermittlung des günstigsten Gewinns beauftragt, dieser vergisst jedoch, die Möglichkeit zur Bildung eines Investitionsabzugsbetrags i. S. d. § 7g Einkommensteuergesetz [EStG] zu erwähnen);
- Falschberatung (Beispiel: Sie möchten eine vor acht Jahren erworbene und seither vermietete Immobilie veräußern und Ihr Steuerberater berät sie dahin gehend, dass der erzielte Gewinn – unter Missachtung von § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG – nicht der Besteuerung unterliegt);
- entgangene Steuererstattung (Beispiel: Sie legen dem Steuerberater die Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge vor und aus diesen ergibt sich, dass kein Freistellungsauftrag berücksichtigt wurde – dennoch beantragt er diesen nicht über einen Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG beim Finanzamt).
Der Fehler als solcher ist in der Praxis meist beweisbar. Allerdings billigen Gerichte den Steuerberatern zu, dass sie bei der Beratung ihrer Mandanten den „sichersten Weg“ gehen. Welcher Weg ist aber der sicherste? Im Zweifel derjenige, bei dem Sie die meisten Steuern zahlen. Also werden Sie normalerweise einen anderen – weniger sicheren – Weg wählen. Falls dies durch Ihren Berater im Prozess beweisbar ist, haben Sie schlechte Karten. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Zuständig für Schadenersatzprozesse sind die Zivilgerichte. Die Richter sind zivilrechtlich ausgebildet. Sie haben also keine steuerjuristische Ausbildung und sind deshalb meistens froh, ihre eigene Einkommensteuererklärung selbstständig erstellen zu können. Diese Richter sollen nun über zum Teil komplizierteste steuerrechtliche Fragestellungen befinden und den potenziellen Fehler des Steuerberaters erkennen. Einige Richter sind damit naturgemäß völlig überfordert.
Ohne Kausalität keine Haftung
Ihr Steuerberater muss nur dann zahlen, wenn sein Fehler ursächlich für den bei Ihnen eingetretenen Schaden ist. Wäre der Schaden also auch ohne den Fehler des Steuerberaters eingetreten, dann besteht für diesen keine Haftung. Diese Kausalität verdeutlicht das folgende Beispiel.
Beispiel |
Ein Steuerberater soll bzgl. bisher nicht geltend gemachter, aber unstrittig abzugsfähiger Betriebsausgaben Einspruch einlegen. Der Steuerberater missachtet die Einspruchsfrist, und das Finanzamt versagt eine Änderung des Steuerbescheids. Lösung: Zwischen dem Fehler (Missachtung der Einspruchsfrist) und dem Schaden (höhere Steuerfestsetzung wegen zu geringer Betriebsausgaben) besteht eine Kausalität. Eine Haftung des Steuerberaters ist grundsätzlich möglich. |
Abwandlung: Der Steuerberater soll Einspruch einlegen und offensichtlich nicht als Betriebsausgabe abzugsfähige Kosten geltend machen. Der Steuerberater missachtet auch hier die Einspruchsfrist. Lösung: Hier ist der Fehler des Steuerberaters nicht ursächlich für den vermeintlichen Schaden. Denn der Einspruch war infolge der offensichtlich nicht abzugsfähigen Aufwendungen von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg. |
Merke | Die Abwandlung des Beispiels zeigt das typische Praxisproblem: Sie waren ja der Auffassung, dass die Aufwendungen abzugsfähig sind – Ihr Steuerberater jedoch nicht. Andernfalls hätten Sie Ihren Steuerberater ja nicht beauftragt, Einspruch einzulegen. Genau das ist die „Sollbruchstelle” für Ihren Anwalt. Hier kann und muss er belegen, dass der Einspruch doch Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, um eine Haftung des Steuerberaters herbeizuführen. Im Zweifel eignet es sich an dieser Stelle, ein Gutachten über die Auswirkungen in Auftrag zu geben. |
Verschulden des Steuerberaters wird gefordert
Haftung setzt regelmäßig Verschulden voraus. Ihr Steuerberater handelt nur dann schuldhaft, wenn er „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht” lässt. Im Klartext bedeutet dies:
- Ihr Steuerberater macht einen Fehler, indem er Fristen verpasst oder abzugsfähige Aufwendungen nicht geltend macht.Der Steuerberater muss schuld an dem Fehler sein
- Ihr Steuerberater beachtet nicht die im Bundessteuerblatt, in der Entscheidungssammlung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder in der Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht“ veröffentlichte Rechtsprechung.
- Er beachtet nicht die sonstige obergerichtliche Rechtsprechung, soweit sie in amtlichen Sammlungen veröffentlicht worden ist.
- Ihr Steuerberater beachtet nicht die Rechtsauffassung des für Sie zuständigen Finanzgerichts, auch wenn diese von der Rechtsauffassung des BFH abweicht.
- Er beachtet nicht Hinweise eines obersten Gerichts auf die Möglichkeit der künftigen Änderung der Rechtsprechung.
Ohne Schaden keine Haftung
Um mit Erfolg gegen Ihren Steuerberater vorgehen zu können, müssen Sie einen Schaden erlitten haben. „Schaden” ist jede „in Geld bewertbare Einbuße”. Im Steuerrecht handelt es sich regelmäßig um eine steuerliche Mehrbelastung infolge einer zu hohen Steuerfestsetzung oder um eine entgangene Steuervergünstigung.
Beispiel |
Sie haben vor neun Jahren eine Immobilie erworben und vermieten diese seither. Sie überlegen jetzt, die Immobilie zu verkaufen. Weil Sie dabei einen Gewinn von etwa 100.000 Euro realisieren werden, fragen Sie vorab Ihren Steuerberater, ob Sie den Gewinn versteuern müssen. Dieser sagt Nein. Lösung: Der Steuerberater verkennt bei seiner Antwort § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Gewinn der Besteuerung, weil Anschaffung und Veräußerung innerhalb der 10-jährigen Spekulationsfrist erfolgt sind. Bei einem Steuersatz von 42 Prozent kostet die Falschberatung 42.000 Euro. Das ist der Haftungsschaden, welcher geltend gemacht werden kann. |
Verjährung kann die Haftung ausschließen
Um wirksam einen Haftungsanspruch gegen Ihren Steuerberater geltend zu machen, darf der Anspruch natürlich noch nicht verjährt sein. Die Verjährungsfrist beträgt dabei gemäß § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre. Wann die Frist beginnt, hängt maßgeblich von der Art des Fehlers Ihres Steuerberaters ab. Im Regelfall beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des belastenden (fehlerhaften) Steuerbescheids.
Wichtig | Einspruchs- und Klageverfahren gegen fehlerhafte Steuerbescheide können sich manchmal über viele Jahre ziehen. Das Problem: Die Verjährung des Haftungsanspruchs verlängert sich nicht. Das bedeutet, dass Sie Ihren Steuerberater bei einer langen Verfahrensdauer bereits vor Ende des Einspruchs- oder Klageverfahrens mit den Haftungsansprüchen konfrontieren müssen – und zwar mit einer Feststellungsklage auf Ersatz der zukünftigen Schäden.
Typische Fälle veranschaulichen Haftungsproblematiken
Falls bei Ihnen eine der folgenden Konstellationen gegeben sein sollte, sollten Sie über eine Haftung Ihres Steuerberaters nachdenken:
- Der klassische Fehler ist die Fristversäumnis. Ihr Berater hat Fristen nicht in seiner Handakte eingetragen und deswegen die Rechtsmittelfrist versäumt. Dieses Fristversäumnis ist leicht nachweisbar. Spätestens wenn Ihr Finanzamt Ihnen schreibt, dass der eingelegte Einspruch verspätet einging, sollten Sie über eine Haftungsinanspruchnahme nachdenken.In diesen Fällen sollten Sie wachsam sein!
- Gleiches gilt für die verspätete Abgabe der Steuererklärung. Falls Ihr Finanzamt in einem solchen Fall die Besteuerungsgrundlagen schätzt und Ihr Steuerberater die rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs versäumt, liegt Ihr Schaden in der Differenz zwischen der Steuer laut rechtskräftig gewordenem Schätzungsbescheid und der Steuer, die bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung angefallen wäre.
- Zudem kann die Festsetzung von Verspätungszuschlägen eine typische Haftung des Steuerberaters begründen. Haben Sie Ihrem Steuerberater fristgerecht alle Unterlagen und Auskünfte für die Erstellung der Steuererklärung erteilt, sodass dieser die Abgabefrist normalerweise hätte einhalten können? In diesem Fall liegt der Umstand der verpassten Frist in der Sphäre des Steuerberaters, sodass dieser für den eingetretenen Schaden (Verspätungszuschlag) verantwortlich ist. Das gilt natürlich nicht, wenn Sie Ihrem Steuerberater die erforderlichen Unterlagen und Auskünfte nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt haben.
Haftungsbeschränkungen können Haftung ausschließen
Eine Beschränkung der Haftung des Steuerberaters ist zulässig. Voraussetzung ist eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Steuerberater. Die Haftung für vorsätzliches Fehlverhalten Ihres Steuerberaters kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Vorsatz werden Sie Ihrem Steuerberater in der Praxis aber kaum nachweisen können.
Wen müssen Sie verklagen?
Ihr Anspruchsgegner ist Ihr Steuerberater, sodass Sie diesen verklagen müssen. Weil Ihr Steuerberater selbst haftpflichtversichert ist, wird er den Fall – zumindest, wenn es sich nicht um sehr kleine Beträge handelt – seiner Versicherung melden. Denn diese soll natürlich den eingetretenen Schaden für den Steuerberater begleichen. Dafür bezahlt er ja auch die Versicherungsprämien.
Das Problem für Sie: Die Haftpflichtversicherung benennt dem Steuerberater meistens einschlägig versierte große Anwaltskanzleien, die sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich tätig sind. Zudem fordern viele Haftpflichtversicherungen, dass zunächst ein (erfolgloses) Klageverfahren beim Finanzgericht zu führen ist. Für Sie bedeutet das, dass Sie sich ebenfalls sachkundiger Hilfe versichern müssen. Der Sie vertretende Anwalt muss nicht nur zivilrechtlich auf dem Laufenden sein, sondern auch die nötigen steuerrechtlichen Kenntnisse haben. Fragen Sie Ihren Anwalt, ob er sich der steuerrechtlichen Problematik gewachsen fühlt. Es geht nun mal nicht nur um die üblichen zivilrechtlichen Probleme.
Fazit | Die Erfolgsaussichten in Schadenersatzprozessen sind oft beim besten Willen nicht einschätzbar. Von Ihrem Anwalt werden Sie dann eventuell den Satz hören: „Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand.” Damit ist Ihnen natürlich nicht gedient. Dann bietet es sich an, andere Wege zu suchen. In Betracht kommt die Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Das setzt voraus, dass tatsächlich Einigkeit zwischen Ihnen und Ihrem Berater besteht. Diese muss gegebenenfalls erzwungen werden. So ist es für Sie sehr vorteilhaft, wenn Ihr Berater noch Ansprüche gegen Sie hat. Gegen diese Ansprüche können Sie aufrechnen. Sie beziffern Ihre Schadenersatzansprüche (unter Inanspruchnahme eines anderen Beraters, dessen Honorar ist ebenfalls ein Schaden) gegen Ihren Berater und rechnen mit diesen Ansprüchen auf. Im Ergebnis bedeutet das, dass Ihr Berater gegen Sie klagen muss. |
Exkurs: Gebührenverhandlungen mit dem Steuerberater
Die Gebührenrechnung des Steuerberaters ist kein Buch mit sieben Siegeln. Mit etwas Basiswissen können Sie Ihre Rechnung prüfen und mit Ihrem Steuerberater das Honorar diskutieren. Das Steuerberatungshonorar ist in der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) geregelt, die Sie auf der Homepage der Bundessteuerberaterkammer finden (bstbk.de). Je nach zu erledigender Aufgabe gibt es verschiedene Gebührenarten. Die häufigste ist die Wertgebühr. Sie gilt zum Beispiel für Steuererklärungen, Buchhaltung, Gewinnermittlung etc. und lässt sich aus einer der Tabellen hinter der StBVV (Tabelle A-E) ablesen. Die StBVV schreibt Mindest- und Höchstsätze vor. Der Höchstwert kommt selten zur Anwendung. In normalen Fällen darf der Mittelwert nicht überschritten werden. Nur bei Besonderheiten wie dringlicher Bearbeitung, Wochenendeinsatz, schwierigen Rechtsfragen oder aufwendigen Vergleichsberechnungen darf der Berater über die mittlere Gebühr hinausgehen. Fällt der Gegenstandswert zu niedrig aus, greift ein Mindestgegenstandswert.
AUSGABE: PP 8/2025, S. 16 · ID: 50449142