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TrainingslehreSport mit Schmerzen – machen oder lieber lassen?

Abo-Inhalt05.06.20255 Min. LesedauerVon Christian Kunert, Dipl.-Sportwissenschaftler, Geschäftsführer KunertGesundheit, Dortmund

| Schmerzen sind in Deutschland weit verbreitet und treten in den unterschiedlichsten Formen auf. Nachdem Global Consumer Survey OTC und Pharma (online unter iww.de/s12965) litten 60 Prozent der Gesamtbevölkerung über 18 Jahren im Jahr 2021 mindestens einmal unter Schmerzen. Fast gleichauf an erster Stelle liegen jeweils bei etwa sieben von zehn Befragten Kopfschmerzen (69 Prozent) oder Rückenschmerzen (67 Prozent). Nun ist das mit den Schmerzen ja so eine Sache. Die einen legen dann die Füße hoch und warten ab, bis die Schmerzepisode vorüber ist. Andere gehen zum Sport, in der Hoffnung, Linderung zu erfahren. Und wiederum eine dritte Gruppe wird vom Arzt zur Bewegung motiviert, damit es nicht noch schlimmer wird. Doch was ist eigentlich sinnvoll? |

Schmerz hat eine wichtige physiologische Warnfunktion

Um diese Frage zu beantworten, blicken wir zunächst auf den Schmerz an sich. Denn der Schmerz ist eine komplexe, unangenehme Sinnes- und Gefühlsempfindung, die von Nozizeptoren des peripheren Nervensystems ausgelöst wird. Sie wird im zentralen Nervensystem verarbeitet und interpretiert. Dabei bestehen enge Wechselwirkungen zwischen der Schmerzwahrnehmung und dem psychischen Befinden.

Schmerzen haben eine wichtige physiologische Warnfunktion, da sie uns dazu veranlassen, sich dem schmerzauslösenden Stimulus zu entziehen bzw. ihn zu vermeiden. Darüber hinaus ist Schmerz auch in der Heilungsphase wichtig, da er eine Schonhaltung induziert, die eine weitere Traumatisierung von Körperstrukturen verhindert.

Viele Ursachen können Schmerz auslösen

Dabei sind die Ursachen von Schmerzen unterschiedlich. Insbesondere Rücken-, Gelenk- oder Muskelschmerzen werden durch Fehl-, Mangel oder Überlastung des Muskel-Skelett-Systems ausgelöst. Doch auch Entzündungen oder Verletzungen eines Gewebes können Schmerzen hervorrufen. Schmerz entsteht in den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Es handelt sich dabei meist um freie Nervenenden, die überall im Körper zu finden sind und auf verschiedene Reize reagieren, wie z. B:

  • thermische Reize (Hitze, Kälte),
  • mechanische Reize (Druck, Verletzung),
  • chemische Reize (Entzündung, Säuren, Gifte).

In diese Kategorien lassen sich Schmerzen einteilen

Schmerzen lassen sich zunächst danach einteilen, bei welchem Belastungsniveau sie auftreten:

  • Ruheschmerz: Schmerz tritt bereits im Ruhezustand (ohne Bewegung) auf.
  • Bewegungsschmerz: Schmerz tritt bereits unter dosierter Bewegungsbelastung auf.
  • Belastungsschmerz: Schmerz ist unter Bewegung „stumm“ und tritt nur unter körperlicher Anstrengung auf.

Weiterhin unterscheidet man den chronologischen Verlauf einer Schmerzepisode nach akutem (= plötzlich auftretendem) Schmerz oder chronischem (= dauerhaftem) Schmerz:

  • Akute Schmerzen sind Schmerzen, die wenige Tage bis Wochen, höchstens aber drei Monate anhalten. Dies entspricht etwa dem Zeitraum, den der Körper für die unterschiedlichen Stufen im Heilungsprozess benötigt.
  • Bei Schmerzen, die länger als drei Monate andauern, spricht man von chronischen Schmerzen. Sie halten an, obwohl die Ursache bereits auskuriert ist. Die Schmerzforschung geht davon aus, dass sie oft Folge eines überempfindlich gewordenen Nervensystems sind.

Mithilfe einer Skala lassen sich Schmerzen objektiv messen

In der Betreuung von Schmerzpatienten kommt es für die Einrichtungen und Therapeuten darauf an, mit diesen unterschiedlichen Formen und Ursachen von Schmerzen umzugehen und die richtigen Maßnahmen abzuleiten. Neben den Ursachen und Formen von Schmerzen ist die Nutzung einer Schmerzskala hilfreich.

Die Schmerzskala ist ein Tool, mit dem Patienten ihren Schmerz subjektiv einordnen können, um die Intensität und Qualität des Schmerzes zu verdeutlichen. Dabei gibt es verschiedene Typen, wie z. B.:

  • Numerische Rating-Skala (NRS):
  • Eine Skala von 0 bis 10, wobei 0 „kein Schmerz“ und 10 „größter vorstellbarer Schmerz“ bedeutet.
  • Visuelle Analogskala (VAS):
  • Eine Linie, auf der der Patient einen Punkt setzt, um die Schmerzstärke zu markieren.

Zudem hilft die Schmerzskala, Therapiefortschritte zu beurteilen. So kann in zeitlichen Abständen die Schmerzsituation beim Patienten gemessen und bewertet werden, was Rückschlüsse auf die weitere Therapieplanung erlaubt.

Wann ist Sport mit Schmerzen sinnvoll?

Ob Sport mit Schmerzen sinnvoll ist, hängt grundsätzlich davon ab, wo deren Ursache liegt bzw. in welchem Zusammenhang mit dem Sport die Schmerzen auftreten. Nur so lassen sich sinnvolle Schlüsse für die Anpassung der Trainingsbelastung ziehen. Einen ersten Überblick zur Entscheidung liefert die folgende Tabelle:

Sport mit Schmerzen – ja oder nein? Kausale Schmerz-Sport-Tabelle als Entscheidungshilfe
ZeitpunktMögliche UrsacheEmpfehlung
Vor dem Sport
Akuter Schmerz
Ursache abklären; Sportpause
Chronischer Schmerz
Ursache bekannt; moderate Belastung möglich
Beim Sport
Belastungsschmerz
Ursache bekannt; Belastung bis an das Schmerzniveau reduzieren
Ursache unbekannt; Ursache abklären und Sportpause
Belastungsreiz
Ursache liegt in der chemischen Reizreaktion des Körpers auf Sport und ist ein Zeichen von Ermüdung; Belastung fortsetzen
Nach dem Sport
Akuter Schmerz in betroffener Struktur
Ursache bekannt; Schmerzsituation durch Skala bewerten lassen und Belastung ggf. anpassen
Muskelkater
Ursache liegt als mechanisch-chemische Reizreaktion durch Mikrotraumata in den Muskelfasern und entsprechenden Entzündungsprozessen für eine Dauer von 4 bis 6 Tagen vor; Belastung bei halber Intensität fortsetzen

Quelle: Eigene Darstellung des Verfassers

Für Sport als Prävention ist es nie zu spät!

Neben den Zusammenhängen von Schmerzen und Sport ist mittlerweile wissenschaftlich durch viele Studien erwiesen, dass Bewegung und Sport einen großen Einfluss auf den Erhalt und die Förderung der Gesundheit haben. Vor allem in der Verhinderung der verhaltensbedingten Erkrankungen der Muskel-Skelett-, Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechsel-Erkrankungen, können gezielte Sportprogramme das Auftreten von Erkrankungen und somit von Schmerzen verhindern.

Dabei gilt es, so früh wie möglich mit dem Sport zu beginnen, um den größtmöglichen Nutzen für die Gesundheit, insbesondere mit zunehmendem Alter, zu erzielen. Doch auch im fortgeschrittenen Lebensalter ist der Eintritt in den Sport noch möglich. Für ein wöchentliches Training von Erwachsenen empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) folgende Trainingsformen und -dauern (vgl. PP 11/2022, Seite 10 ff.):

Fazit | Und so blicken wir abschließend noch einmal auf den Beginn des Textes und stellen fest, dass es eine klare Antwort auf die Frage gibt, welche Maßnahme bei Schmerzen sinnvoll ist: Dosierte und sinnvolle Bewegung ist die beste Medizin!
  • Ausdauer: 150 min moderates oder 75 min intensives Ausdauertraining
  • Kraft: an mindestens zwei Tagen Funktionsgymnastik oder Krafttraining
  • Koordination: (für Personen ab 65 Jahre): an mehr als drei Tagen Gleichgewichtsübungen
Weiterführende Hinweise

Zum Autor | Christian Kunert ist Dozent für Gesundheitsmanagement und Prävention an der IST Hochschule, Gesellschafter und Geschäftsführer der Akademie für Prävention & Fitness GmbH (akapraefit.de) sowie Inhaber von KunertGesundheit (kunertgesundheit.de) und Coach Kunert (coachkunert.de). Lesen Sie auch seinen Beitrag:

  • Seniorenfitness – ein Zukunftsmarkt (auch) für Physiotherapeuten (PP 11/2022, Seite 10 ff.)

AUSGABE: PP 6/2025, S. 8 · ID: 50422058

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