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RechtsformwahlArchitekten-GbR: BGH-Entscheidung zu unklarer „Fortführungsklausel“ kennen und umsetzen
| Knapp 40 Prozent aller Architekturbüros und 20 Prozent aller Ingenieurbüros werden als Personengesellschaften geführt. Das haben AHO-Umfragen zu Tage gefördert. Sie alle verfügen über „Fortführungsklauseln“ im Gesellschaftsvertrag. Diese sollen regeln, was passiert, wenn ein Gesellschafter ausscheidet. Eine aktuelle BGH-Entscheidung sollte Sie veranlassen, Ihre Klausel nochmal in den Fokus zu nehmen. Unklarheiten können nämlich fatale Folgen haben. |
Um diesen Fall ging es beim BGH
Im konkreten Fall hatten zwei Freiberufler (Rechtsanwälte) im Jahr 2008 eine Sozietät in Form einer GbR gegründet. Der Gesellschaftsvertrag enthielt eine Klausel, die die Fortführung der Gesellschaft im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters erlaubte – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. Die Klausel lautete wie folgt:
Klausel / Fortführung der GbR |
Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wird die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben. |
Als ein Partner zum 31.12.2017 ausschied, widerrief er die Alleinverfügungsberechtigung des verbleibenden Kollegen über die GbR-Konten. Die Bank reagierte darauf, indem sie die bisherige Einzelverfügungsbefugnis in eine gemeinschaftliche Verfügung umwandelte. Der verbleibende Gesellschafter forderte daraufhin die Bank auf, ihn als Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft einzutragen und ihm alleinigen Zugriff auf die Konten zu gewähren. Die Bank stellt sich quer. Es ging bis zum BGH.
So hat der BGH entschieden
Nach Auffassung des BGH war der Wortlaut der Klausel zunächst eindeutig: Eine Fortführung setzt voraus, dass mindestens zwei Gesellschafter weiterhin Teil der Gesellschaft sind. Da nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters nur noch eine Person verblieb, war eine Fortführung der GbR nach dieser Klausel nicht mehr möglich. Jedoch wies der BGH darauf hin, dass eine Vertragsauslegung nicht allein nach dem Wortlaut erfolgen darf (BGH, Urteil vom 29.10.2024, Az. II ZR 222/21, Abruf-Nr. 245645).
Parteivereinbarungen und -wille müssen berücksichtigt werden
So müsse bei einer Entscheidung auch berücksichtigt werden, ob die Parteien eine andere Intention hatten, als es der Wortlaut der Klausel nahelege. Deshalb dürfe die Sache nicht nur rein sprachlich – anhand des Klauselwortlauts – betrachtet werden. Es müsse der gesamte Kontext, einschl. der Vertragsverhandlungen und wirtschaftlichen Zielsetzungen der Parteien berücksichtigt werden. Da in den Vorinstanzen hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen wurden, verwies der BGH den Fall zur erneuten Verhandlung ans Berufungsgericht zurück.
Auswirkungen auf die Kontovollmacht
Last but not least äußerte sich der BGH auch zur Bankvollmacht des verbleibenden Gesellschafters. Er stellte fest, dass durch die Auflösung der Gesellschaft auch die Vertretungsbefugnisse der Gesellschafter enden. Da die Bank richtigerweise davon ausging, dass die GbR nicht fortgeführt werden konnte, war ihre Entscheidung nicht zu beanstanden, die Konten auf gemeinschaft-liche Verfügungsbefugnis umzustellen. Der Gesellschafter hatte somit keinen Anspruch, als alleiniger Verfügungsberechtigter eingetragen zu werden.
Das ist für Sie jetzt veranlasst
Ziehen Sie in Ihrer GbR aus der Entscheidung insbesondere die drei folgenden Konsequenzen:
1. Treffen Sie klare Regelungen zur Fortführung der Gesellschaft
Eine unklare Fortführungsklausel kann erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Verliert eine zweigliedrige GbR einen ihrer beiden Gesellschafter, entfällt die notwendige Mehrzahl an Gesellschaftern. Ohne eine vertragliche Fortsetzungsklausel führt dies gemäß § 712a Abs. 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft. In diesem Fall erlischt die GbR automatisch, ohne dass eine Liquidation erforderlich ist.
Mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters geht das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über. Eine Fortführung der Gesellschaft durch den verbleibenden Gesellschafter ist jedoch nur dann möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Fortsetzungsklausel vorsieht. Wer sicherstellen möchte, dass die Gesellschaft auch mit nur einem Gesellschafter fortgeführt werden kann, sollte dies ausdrücklich im Vertrag festhalten.
2. Thema „Bankvollmachten und Verfügungsbefugnisse“ im Blick haben
In vielen GbR ist es essenziell, dass ein Gesellschafter allein über Bankkonten verfügen kann. Die BGH-Entscheidung lehrt, dass ein Gesellschafter, der ausscheidet, durch einseitige Erklärungen gegenüber der Bank erheblichen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nehmen kann. Treffen Sie daher Regelungen, die sicherstellen, dass Kontovollmachten auch im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters eindeutig geregelt bleiben.
3. Auslegungsrisiken durch klare Vertragsgestaltung vermeiden
Die BGH-Entscheidung zeigt, dass selbst scheinbar eindeutige Formulierungen („sofern mindestens zwei Gesellschafter verbleiben“) Fragen aufwerfen können. Vermeiden Sie Rechtsstreitigkeiten, indem Sie nicht nur eine klare und unmissverständliche Sprache wählen, sondern auch ergänzende Regelungen treffen – etwa zur Nachfolge von Gesellschaftern, zu Vollmachten und zur Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in Übergangsphasen.
AUSGABE: PBP 7/2025, S. 31 · ID: 48573643