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VertragsrechtOLG Dresden: Architekt hat umfassende Überwachungs- und Koordinierungspflichten
| Die von der Grundleistung umfasste Koordinationsaufgabe des Architekten beschränkt sich im Rahmen der Lph 8 auf die zeitliche und inhaltliche Abstimmung der Leistungen der fachlich an der Objektüberwachung Beteiligten, nicht aber der Bauausführenden. Diese – in PBP 1/2025 vertretene und begründete – Ansicht teilt die Rechtsprechung in Gestalt des OLG Dresden nicht und bleibt dabei: „Im Rahmen seiner Koordinierungspflicht hat ein Architekt das harmonische Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer ... sicherzustellen“. Was ist für Sie jetzt zu veranlassen? |

Der aktuelle Fall vor dem OLG Dresden
Im konkreten Fall war ein Architekt mit sämtlichen Planungs- und Überwachungsleistungen zum Neubau einer Eisarena beauftragt. Nach Fertigstellung traten Mängel an der Boden- und Wandbeschichtung auf. Es war Feuchtigkeit in das Beschichtungssystem eingedrungen, die durch Osmose zu Riss- und Blasenbildungen geführt hatte. Ursächlich für das Eindringen der Feuchtigkeit war eine fehlerhafte Ausführung des Anschlusses der Abdichtungsebenen an die Bodenabläufe.
Die ordnungsgemäße Ausführung der Bodenabläufe hätte ein reibungsloses Ineinandergreifen verschiedener Gewerke erfordert. Daran fehlte es. An der Schnittstelle zwischen den Gewerken war eine Leistung, die entweder der eine oder der andere Unternehmer hätte erbringen können: Letztlich war sie aber von keinem ausgeführt worden.
OLG: Architekt muss auch die Ausführenden koordinieren
Das OLG Dresden entschied, dass Architekt und ausführendes Unternehmen gesamtschuldnerisch für den Mangel haften (OLG Dresden, Urteil vom 18.04.2023, Az. 14 U 1678/22, Abruf-Nr. 246420, rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 10.04.2024, Az. VII ZR 96/23). Der Architekt habe sämtliche Planungs- und Überwachungsleistungen und damit auch Bauaufsicht übernommen. Hier seien ihm folgende Fehler unterlaufen:
Fehler Nr. 1: Bauüberwachungsfehler
Zwar müsse der Architekt nicht ständig auf der Baustelle anwesend sein. Er habe aber wichtige oder kritische Baumaßnahmen sowie solche Baumaßnahmen, bei denen sich im Verlauf der Bauausführung Anhaltspunkte für Mängel ergeben, besonders aufmerksam zu überwachen. Genau das habe der Architekt hier nicht getan. Ansonsten wäre ihm bei der Abnahme der unteren Abdichtungslage aufgefallen, dass an den Abläufen eine Losflanschverbindung fehlte. Darin liege ein Bauüberwachungsfehler.
Fehler Nr. 2: Koordinationsfehler
Dem Architekten sei darüber hinaus eine Verletzung seiner Koordinierungspflicht im Rahmen der Bauüberwachung anzulasten. Hiernach sei der Architekt verpflichtet, das harmonische Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer und den zeitlich richtigen Ablauf der einzelnen Baumaßnahmen sicherzustellen. Diese Verpflichtung habe der Architekt dadurch verletzt, dass er die Leistungsgrenzen zwischen den ausführenden Unternehmen nicht bzw. unzureichend festgelegt und überwacht habe.
Wie ist die Entscheidung einzuordnen?
Um die Entscheidung fachlich und rechtlich einordnen zu können, muss man ins Werkvertragsrecht und die HOAI blicken.
Architektenvertrag als Werkvertrag
Der Architektenvertrag ist gesetzlich in den §§ 650p bis 650t BGB geregelt und damit als Werkvertrag qualifiziert. Das Leistungssoll, also die zu erbringenden Planungs- und Überwachungsleistungen, können die Vertragspartner im Einzelnen selbst festlegen.
Im Rahmen dieser Festlegung schuldet der Architekt das Entstehenlassen eines mangelfreien Bauwerks (BGH, Urteil vom 26.11.1959, Az. VII ZR 120/58). Im Zuge der Bauausführung trifft den Architekten eine Überwachungspflicht (BGH, Urteil vom 10.02.1994, Az. VII ZR 20/93). In aller Regel ist dem Vertrag ausdrücklich oder durch Auslegung zu entnehmen, dass der Architekt sämtliche Aufgaben „auf der Baustelle“ übernimmt, also alle Aufgaben, die nicht zwingend der Auftraggeber erbringen muss.
Die Reichweite der Architektenleistung hat der BGH wie folgt konkretisiert (BGH, Beschluss vom 08.10.2020, Az. VII ARZ 1/20, Abruf-Nr. 218759, PBP 1/2021, Seite 14 → Abruf-Nr. 47028062): „Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt (nur) eine Planungs- oder Überwachungsleistung verspricht, die als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Er verspricht dagegen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei errichtet wird. Ungeachtet dessen ist die Leistung des Architekten in besonders engem Maße mit dem zu errichtenden Bauwerk und der Bauleistung des Unternehmers verknüpft. Eine mangelhafte Leistung des Architekten führt typischerweise zu einem mangelhaften Bauwerk“.
Zur Erfüllung dieser Funktion umfasst die Überwachungspflicht nach der Rechtsprechung meist auch eine umfassende Koordinierungspflicht. Danach muss der Architekt in technischer, wirtschaftlich-kostenmäßiger und vor allem zeitlicher Hinsicht für den reibungslosen Ablauf des Baugeschehens Sorge tragen. Er hat dementsprechend das harmonische Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer und den zeitlich richtigen Ablauf der einzelnen Baumaßnahmen sicherzustellen (so auch das OLG Dresden).
HOAI als Leistungskatalog
Die Leistungsbilder der HOAI sind für das Planungssoll grundsätzlich nicht maßgeblich. Die HOAI ist Preisrecht. Sie regelt nicht mehr und nicht weniger als die Vergütung der individualvertraglich vereinbarten Leistungen. Es hat sich aber eingebürgert, für das Leistungssoll der Einfachheit halber auf die HOAI-Leistungsbilder zurückzugreifen. Dieser Rückgriff ist nicht zwingend.
Das Leistungssoll des Architekten in der Bauüberwachung kann auch nach der HOAI unterschiedlich ausgestaltet werden. So kann der Architekt mit einigen oder allen Grundleistungen der Lph 8 für das jeweilige Leistungsbild beauftragt werden. Zudem kann er alle oder einzelne Besondere Leistungen übernehmen.
Die üblichen Leistungen der Lph 8 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume ergeben sich aus Anlage 10 HOAI (hier zugrunde gelegt die HOAI 2021).
- Von „Koordinieren“ ist explizit nur bei der Grundleistung c) die Rede. Die Grundleistung umfasst ihrem Wortlaut nach aber nur die „Koordinierung der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten“. Andere an der Objektüberwachung fachlich Beteiligte sind die beteiligten Fachplaner, insbesondere der TA, die in Bezug auf ihre Leistungsbereiche an der Objektüberwachung beteiligt sind (vgl. BeckOK HOAI/Haack/Heinlein HOAI § 34 Rz. 196). Es heißt gerade nicht „die am Baugeschehen fachlich Beteiligten“ (Werner/Frechen in: Werner/Pastor, 18. Auflage 2023, Abschnitt II, Rz. 1974).Das steht in der HOAI zur „Koordinierung“ ...
- Bei Grundleistung a) heißt es, dass der Architekt die Ausführung des Objekts auf Übereinstimmung mit den Verträgen mit ausführenden Unternehmen zu überwachen hat.... in den einzelnen Teilleistungen der Lph 8
- Einen Terminplan hat der Architekt nach Grundleistung d) aufzustellen, fortzuschreiben und zu überwachen.
- Ein gemeinsames Aufmaß hat der Architekt mit den ausführenden Unternehmen im Rahmen der Grundleistung f) durchzuführen.
- Auch die benannten Besonderen Leistungen enthalten keine ausdrückliche Koordinierung der Ausführenden.
Muss das Koordinieren der Ausführenden dann im Umkehrschluss in irgendeine Leistung hineingelesen werden? Dagegen spricht u. a., dass
- die HOAI Preisrecht ist und keine automatische Leistungssollvorgabe. Es können beliebig unbenannte Besondere Leistungen übernommen werden.
- dem Auftraggeber bzw. Bauherrn die Aufgabe obliegt, „das Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer zu regeln“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/B).
Der mit den Grundleistungen der Lph 8 der HOAI beauftragte Architekt dürfte hiernach nicht automatisch die Projektsteuerungsaufgaben des Bauherrn übernommen haben (vgl. BeckOK HOAI/Haack/Heinlein HOAI § 34 Rz. 197).
Fazit | Wie weit die Aufgaben des objektüberwachenden Architekten im Einzelnen gehen, ergibt sich aus dem Vertrag. In jedem Fall - auch wenn auf die Leistungsbilder der HOAI zurückgegriffen wird - empfiehlt sich eine vertragliche Klarstellung, welche Leistungen der Architekt übernimmt und welche nicht. Hierzu bietet sich eine klassische Schnittstellenliste an. |
AUSGABE: PBP 3/2025, S. 13 · ID: 50316071