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HonorarrechtPlanungsvertrag wird „frei“ gekündigt: OLG Celle äußert sich zu anzurechnenden „Füllaufträgen“

Top-BeitragAbo-Inhalt18.01.2024293 Min. Lesedauer

| Kündigt der Auftraggeber den Planungsvertrag „frei“, haben Sie Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Sie müssen u. a. das anrechnen lassen, was Sie durch anderweitige Verwendung Ihrer Kapazitäten erworben haben. An solche anzurechnende Füllaufträge sind aber hohe Anforderungen zu stellen. Um einen Auftrag als „Füllauftrag“ bewerten zu können, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Ersatzauftrag bestehen. Das hat das OLG Celle klargestellt. |

Die gesetzliche Abrechnungsvorschrift in § 648 BGB

In der Praxis häufen sich die Fälle, in denen Planungsverträge gekündigt werden. Für Sie geht es in Fällen der – von Ihnen unverschuldeten – freien Kündigung darum, das Honorar abzurechnen, das Ihnen zusteht. Maßgeblich ist § 648 BGB. Er hat folgenden Wortlaut:

Wortlaut § 648 BGB / Kündigungsrecht des Bestellers

Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

Wichtig | Der fett gedruckte Satz 3 ist erst 2009 eingefügt worden. Er ist der Pferdefuß an der Regelung. Denn diese Änderung war für Planungsbüros tendenziell ungünstig. Sie sollten sich deshalb nicht darauf einlassen.

Empfehlungen für Ihre Abrechnung

Bei der Abrechnung gekündigter Verträge machen Sie alles richtig, wenn Sie folgende Empfehlungen beherzigen:

Grundregel: Trennung zwischen erbracht und nicht erbracht

Da bei den nicht mehr erbrachten Leistungen keine Umsatzsteuer anfällt, müssen Sie streng und fachtechnisch sowie rechnerisch nachvollziehbar zwischen erbrachten und kündigungsbedingt nicht mehr erbracht trennen.

Ersparte Aufwendungen bei freier Kündigung

Wie erwähnt unterstellt der Gesetzgeber, dass der Anteil Ihrer ersparten Aufwendungen bzw. anderweitigen Erwerbs 95 Prozent beträgt. Wollen Sie mehr als die gesetzlichen fünf Prozent beanspruchen, müssen Sie dies fachlich und rechnerisch nachvollziehbar vortragen.

Praxistipp | Der Einzelnachweis lohnt sich, wenn Ihre ersparten Aufwendungen unter 95 Prozent der Vergütung für die nicht mehr erbrachten Leistungen liegen. Das ist fast immer der Fall. Ersparte Aufwendungen können sein
Nicht zu den eingesparten Aufwendungen gehört
  • eingesparte Dienstreisen zur Baustelle oder zum Bauherrn,
  • eingespartes Material im Büro (Papier, Stifte, Druckertinte).
  • Ihr Personal (und entsprechende Personalkosten); denn es ist nicht zuzumuten, wegen der Kündigung eines Vertrags Personal zu entlassen,
  • der Teil der Bürokosten, die ohnehin weiterlaufen (z. B. Büromiete, Dienstwagenkosten, Haftpflichtversicherungen etc.).

Anderweitige Verwendung der Arbeitskraft und anderweitiger Erwerb

Zu diesem Thema liegt eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle vor, die für sich spricht (OLG Celle, Beschluss vom 21.02.2023, Az. 4 U 4/22, Abruf-Nr. 239213):

  • Kündigt der Auftraggeber den Vertrag „frei“, hat der Auftragnehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. In Bezug auf Personalkosten liegt eine Ersparnis grundsätzlich nur dann vor, wenn diese Personalkosten infolge der Kündigung nicht mehr anfallen. Das kann z. B. der Fall sein, wenn das Personal
    • infolge der Kündigung nicht mehr eingestellt werden muss oder
    • bei dem Auftragnehmer nicht mehr beschäftigt wird.
  • Die Abarbeitung anderer Aufträge mit den infolge der Kündigung nicht eingesetzten Produktionsfaktoren bedeutet indes nicht von vorneherein einen anderweitigen Erwerb. Anzurechnen ist nur ein solcher Erwerb, den die Kündigung des Auftraggebers ermöglicht hat, d. h. sog. Füllaufträge.
  • Um einen Auftrag als „Füllauftrag“ bewerten zu können, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung des Auftraggebers und dem Ersatzauftrag bestehen. War der Auftragnehmer in der Lage, neben dem gekündigten Auftrag weitere Aufträge auszuführen, die keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Kündigung haben, sind diese nicht als „Füllaufträge“ anzusehen.

Nebenkosten und Umsatzsteuer

Für den kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungsanteil fallen weder Umsatzsteuer noch Nebenkosten an. Damit Umsatzsteuer anfällt, muss nämlich ein Leistungsaustausch stattgefunden haben. Daran fehlt es aber, wenn kündigungsbedingt keine Leistungen (mehr) erbracht werden.

Beispiel zur Abrechnung eines gekündigten Auftrags

Das nachfolgende Beispiel (inklusive Grafik) soll Ihnen einen Eindruck verschaffen, wie Sie bei einem gekündigten Auftrag erbrachte und nicht mehr erbrachte Leistungen trennen. Es betrifft einen Auftrag aus dem Leistungsbild Gebäudeplanung. Es wird angenommen, dass zum Kündigungszeitpunkt die Lph 1 bis 4 vollständig, die Lph 5 bis 8 anteilig und die Lph 9 gar nicht erbracht worden sind. Das Abrechnungsschema sieht wie folgt aus. Es gilt prinzipiell für alle Leistungsbilder):

45698618.eps (© IWW Institut)
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© IWW Institut

AUSGABE: PBP 2/2024, S. 15 · ID: 49862721

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